Doch da fangen die Probleme auch schon an. Die Unterwasserroboter, die mit Radar- und Sonarscannern ausgestattet sind, stoßen neuerdings auf immer mehr verdächtige Objekte am Meeresgrund. Aber nur diejenigen, die nicht von Sand und Schlick verhüllt sind, lassen sich identifizieren und – sofern es Granaten sind – mit Roboter-Greifarmen bergen.
Verdächtige Objekte müssen die Experten via Fernsteuerung mit einem Wasserstrahl freilegen. Gelingt das nicht, müssen Taucher ausrücken. Bomben, Torpedos und vor allem Seeminen sind ohnehin zu groß, um geborgen zu werden. Sie werden an Ort und Stelle gesprengt – mit fatalen Folgen für die Tierwelt.
Die Druckwellen töten unzählige Fische, Robben und Wale „noch in einer Entfernung von vier Kilometern“, sagt der Meereszoologe und Gutachter Sven Koschinski. Außerdem vergiften Rückstände des Sprengstoffs das Meer. Diese Gifte gelangen über die Nahrungskette auch in Speisefische, warnt Hermann Kruse vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler der Universität Kiel, der eine Karte mit den Meeres-Munitionsdepots entwickelt hat.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Auf dem Pulverfass
Kruses Erkenntnis: Der Müll liegt fast überall. Denn viele Seeleute haben die gefährliche Fracht aus Angst, sie könne explodieren, vorzeitig über Bord gekippt. Das haben bereits die Erbauer der beiden Erdgaspipelines zwischen Russland und Lubmin bei Greifswald erfahren: Rund 75 Granaten und andere explosive Altlasten haben sie geborgen. Dass es nicht mehr sind, wundert Nehring: „Es müssten ein paar Tausend verdächtige Objekte sein“, sagt er. Hat er recht, verläuft die Pipeline auf einer Art Pulverfass, weil im Sand unter den Objekten noch unzählige Granaten lagern.
Das Risiko will man nicht noch einmal eingehen. Die Trassen für Stromkabel zu Offshore-Windparks werden daher gründlicher geräumt. In der Ostsee etwa waren Bergungstrupps mit vier 4,5 Millionen Euro teuren Unterwasserrobotern im Einsatz. Zwischen dem Windpark Baltic 1 und Barhöft nördlich von Stralsund säuberten sie einen 43 Kilometer langen und 50 Meter breiten Streifen. Zwei weitere, ähnlich lange Korridore sind noch in der Planung.
In der Nordsee beackern sie derzeit eine 50-Kilometer-Strecke zwischen dem Windpark Riffgat nordwestlich von Borkum und der Küste im Norden von Emden. Diese Trasse führt mitten durch ein Gebiet, in dem besonders viel Munition liegt. Umweltverbände fürchten, dass dort 2000 Tonnen Altlasten entsorgt werden müssen. Hier liegen einige der gefährlichsten Sprengkörper überhaupt: Seeminen, die wegen ihrer Größe, Sprengkraft und dünnen Hüllen nicht geborgen werden können. Die meisten müssen die Suchtrupps vor Ort hochgehen lassen.