So entpuppt sich vieles als Irrglauben, was zunächst nach einer simplen Gleichung klingt: Wer auf einem Biohof einkauft, handelt verantwortungsvoll, unterstützt die Wirtschaft der Region, kauft unbehandeltes Gemüse und schützt irgendwie auch das Klima, heißt es. Doch die Realität ist komplizierter: Wer den weit entfernten Hofladen mit dem Auto ansteuert, schadet dem Klima mehr als derjenige, der zum Supermarkt um die Ecke läuft. Der Apfel aus der Region wiederum hat nur dann eine bessere Energiebilanz als das Pendant aus Neuseeland, wenn er nicht wochenlang im Strom fressenden Kühlhaus gelagert wurde.
Ohnehin belastet der Einkauf per Auto die Umwelt viel stärker als bisher vermutet, fanden jüngst Wissenschaftler der Universität Gießen heraus. 280 Gramm CO2 werden dabei pro Kilogramm gekaufter Ware frei – bisherige Berechnungen gingen von 107 Gramm aus. Städte schneiden auch hier besser ab, weil dort viel mehr Menschen ihre Einkäufe zu Fuß oder per Fahrrad erledigen. Und wer dabei zu Tiefkühlprodukten statt zu frischem Gemüse greift, braucht sich laut Freiburger Öko-Institut nicht zu schämen: Viel entscheidender als Transport und Lagerung ist die Art der Zubereitung für die Ökobilanz: Lässt der Käufer die frischen Bohnen lange vor sich hin garen, verbraucht das mehr Strom als das Aufwärmen der tiefgekühlten Bohnen.
Nachhaltigkeit bleibt oft Spekulation
Vor ähnlich komplexen und verwirrenden Zusammenhängen stehen die Unternehmen. Schlimmer noch: Ob eine angeblich nachhaltige Strategie tatsächlich ökologisch ist, bleibt mangels Datenbasis und Überprüfbarkeit oft Spekulation. Das findet jedenfalls Dirk Vallbracht, Nachhaltigkeitsexperte der DNV Zertifizierungs- und Umweltgutachten GmbH in Essen. „Die Entwicklung aussagekräftiger Indikatoren und Messgrößen steht erst am Anfang“, sagt er.
Doch ohne verbindliche, für alle gültigen Regeln sind Umweltbilanzen kaum vergleichbar. Ein Unternehmen, das bei der Berechnungen seiner CO2-Emissionen auch die Nutzung seines Produkts berücksichtigt, steht schlechter da als der Konkurrent, der nur die Herstellung erfasst.