Zehn Millionen Dollar setzt Chen heute pro Jahr mit seinen S.Café-Produkten um. Noch in diesem Jahr will er mit Singtex an die Börse gehen.
Bis die Kaffee-Stoffe tragbar waren, dauerte es allerdings Jahre. Seit 2005 trockneten Chens Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung den Kaffeesatz und entfernten das Kaffeeöl, das dem Pulver die braune Farbe verleiht. Das entölte, beige Pulver vermengten sie mit den Resten von PET-Flaschen. Aus dieser Mixtur stellen sie Polyestergarne mit einer Prise Kaffeesatz her.
Die erste Generation der Kaffeekleidung testeten Chens Mitarbeiter persönlich beim Wandern und Radfahren. Doch die anfängliche Begeisterung verflog bald. Die Prototypen rochen nur anfangs angenehm nach Kaffee, nach einigen Monaten wurde der Kaffeegeruch aber penetrant. Chen ließ die Rezeptur verändern, bis die Kleidung auch nach längerem Tragen neutral roch und nichts mehr an den Rohstoff erinnerte.
Heute veredelt das Unternehmen Monat für Monat 100 Tonnen Stoff mit Kaffeeabfällen. Seit vergangenem Jahr beliefert es auch den US-Hersteller Warrior Sports, der aus dem Kaffeefasergemisch Fußballtrikots für den FC Liverpool näht. Rund eine Million Stück hat das Textilunternehmen schon unter die Fans und die Spieler gebracht. „In jedem Shirt steckt der Satz von drei Tassen Kaffee“, sagt Chen.
Seit diesem Frühjahr bietet der japanische Unterwäschehersteller Wacoal auch Damenunterwäsche aus dem Kaffeetextil an. Weil die Poren im entölten Kaffeepulver den Schweiß sofort in ihr Inneres verbannen, trocknet die Kollektion schnell und kühlt den Körper angeblich um ein bis zwei Grad, verspricht der Fabrikant.
Damit gehören Singtex und seine Kunden zu den elaboriertesten Kaffeesatzverwertern weltweit. Mengenmäßig haben dagegen die Kaffeeverarbeiter selbst die Nase vorn – mit eher klassischen Verfahren der pflanzlichen Reststoffverwertung.
Etwa das Unternehmen Mondelez (ehemals Kraft Foods), das in seinem Jacobs-Kaffeewerk in Bremen-Hemelingen den sogenannten Kaffeegrund verfeuert. Dieser organische Reststoff fällt bei der Produktion von gefriergetrocknetem Kaffeepulver an. Der Kaffeegrund wird mit hohem Wirkungsgrad verbrannt – und erzeugt so heißen Dampf für die Produktion.
Während Mondelez lediglich die Werksabfälle verheizt, will Nestlé auch den Kaffeesatz der Verbraucher recyceln. Zuvor war Nestlé in die Schusslinie von Umweltorganisationen geraten, weil es Kaffeeautomaten verkauft, die mit Kaffeekapseln aus Aluminium funktionieren. 2010 verbrauchten Konsumenten etwa sieben Milliarden der bunten Kapseln. Es sei ökologischer Wahnsinn, kostbares Aluminium als Verpackung zu nutzen, das dann im Restmüll landet und verbrannt wird, kritisierte unter anderem das Umweltbundesamt und rät bis heute von den Kapseln ab.
Kaffeekapsel-Sammelsystem
Der Konzern reagierte mit dem Programm Ecolaboration. Die Herstellung der Kapseln soll nachhaltiger und das Aluminium zu 75 Prozent recycelt werden. Dafür errichtete Nestlé in der Schweiz ein Rückgabesystem für gebrauchte Kaffeekapseln. Unter jedem Briefkasten befindet sich eine kleine Klappe, in die man die Kapseln legt. Der Briefträger nimmt sie dann mit, berichtet Anja Stubenrauch, die mit Nestlé zusammenarbeitet.
Seit 2011 leitet sie das Schweizer Unternehmen 3R Company in Schaffhausen, das den Kaffeerest aus den Kapseln zu Briketts für den heimischen Ofen und zum Verfeuern für Fabriken und Zementwerke verarbeitet.
Die Zahlen sprechen für sich: 60 Prozent der verkauften Kapseln gaben die Eidgenossen zurück. Die Aludöschen gehen zurück an die Metallindustrie. Das braune Pulver aus den Kapseln liefert mehr Wärme als Holz. Und weil es in den Kapseln quasi trocken ist, lohnt es sich, daraus Brennstoff zu pressen. Reste aus gewöhnlichen Filtern wären zu feucht. „Sie zu trocknen würde zu viel Energie kosten und wäre ökologisch unsinnig“, sagt Stubenrauch.