Wirtschaft von oben #254 – Künstliche Intelligenz In diesen Hallen trainiert Microsoft die Künstliche Intelligenz ChatGPT

Quelle: LiveEO/Sentinel

Künstliche Intelligenz lässt Cloud-Anbieter boomen. Exklusive Satellitenbilder zeigen: Ob in Getreidefeldern in Iowa oder am Stadtrand von Paris – weltweit werden im Eiltempo riesige Rechenzentren hochgezogen, die den wachsenden Leistungshunger von Unternehmen wie OpenAI bedienen sollen. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Getreidefelder, so weit das Auge reicht: Landwirtschaft prägt eigentlich die Gegend rund um West Des Moines, eine 70.000-Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat Iowa. Doch neben Scheunen und Ställen ziehen Bauarbeiter hier neuerdings auch Hallen eines ganz anderen Formats hoch. An der Kerry Street etwa, einer Landstraße sieben Kilometer südlich der Stadt, sind in den vergangenen zwei Jahren fünf riesige Gebäude entstanden, jedes 400 Meter lang.

Sie gehören zum Project Osmium – einem der größten Rechenzentren, die Microsoft je in den USA gebaut hat. Es ist Teil einer Revolution, die sich in der Welt des Internets gerade abspielt. Denn nach eigenen Angaben trainiert Microsoft in West Des Moines das wohl bahnbrechendste Softwareprojekt seit vielen Jahren: ChatGPT, die Künstliche Intelligenz (KI) des Microsoft-Partners OpenAI.

Seit 2019 stellt Microsoft dem KI-Start-up Rechenkapazitäten zur Verfügung, hat Supercomputer gebaut, auf denen die KI-Modelle von OpenAI trainiert werden. Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 wächst der Serverbedarf der KI gewaltig – immer größere Modelle wollen trainiert, hunderte Millionen Nutzer mit Antworten auf ihre Eingaben bedient werden.

Wohl auch deshalb expandiert Microsoft in West Des Moines massiv. Nach Project Mountain, Project Alluvion (1,1 Milliarden Dollar teuer) und Osmium (bis zu zwei Milliarden Dollar) baut der Konzern gerade Project Ginger West und East (je eine Milliarde Dollar). Und schon ist ein sechstes Microsoft-Datenzentrum in der Gegend in Planung.

Microsoft-Rechenzentren, West Des Moines, Iowa, USA

Hier ist ChatGPT zu Hause: Zwischen Kornfeldern bei der Stadt West Des Moines in Iowa hat Microsoft in den vergangenen Jahren vier Rechenzentren errichtet und baut sie teils noch auch. Darin sollen Supercomputer die KI von OpenAI trainieren. Ein weiteres Zentrum ist in Planung.

Bild: LiveEO/Sentinel

Rechenfarmen statt Bauernhöfe: Die Expansion in Iowa ist Teil eines weltweiten Booms, ausgelöst durch die jüngsten Fortschritte bei der KI. Hatten die größten 19 Cloud-Anbieter zuletzt weltweit 926 große Datenzentren in Betrieb, so planen sie aktuell 427 neue, wie das Analysehaus Synergy gezählt hat. Bis zum Jahr 2028 soll sich die weltweite Leistung der Riesenrechenzentren verdreifachen.

„Die Demokratisierung der Künstlichen Intelligenz löst die größte Veränderung in der Rechenzentrumsbranche aus, seit diese auf den Plan getreten ist“, schreiben die Marktbeobachter von JLL in ihrem jüngsten Branchenreport. Zum einen werde der Rechen- und Speicherbedarf in den nächsten Jahren massiv steigen – wurden im Jahr 2023 noch 10.1 Zettabytes weltweit in Clouds und auf Endgeräten gespeichert, so sollen es im Jahre 2027 bereits 21 Zettabytes sein.

Nicht nur die Zahl der Rechenzentren wächst – sie werden auch immer größer, leistungsstärker und immer mehr sind auf den Betrieb von KI-Anwendungen spezialisiert. Vor zehn Jahren schluckte ein typisches Rechenzentrum laut JLL noch 10 Megawatt Leistung. „Heute ist es nicht ungewöhnlich, dass Entwickler neue Projekte mit einer Leistung von 100 Megawatt oder mehr ankündigen“, heißt es bei JLL.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/Google Earth/Airbus

Damit brauchen sie auch sehr viel leistungsfähigere Stromanbindungen und Kühlanlagen. In West Des Moines etwa stieg dadurch auch der Wasserbedarf der Microsoft-Rechenzentren vom Jahr 2021 zum Jahr 2022 um 34 Prozent, wie die örtliche Wasserbehörde bekannt gab. Im Juli 2022, dem Monat, als OpenAI das KI-Modell GPT-4 fertigstellte, verbrauchte Microsoft vor Ort 11,5 Millionen Gallonen Wasser – sechs Prozent des gesamten Wasserverbrauchs von West Des Moines.

Der Rechenhunger der neuen KI-Anwendungen zwang die Facebook-Mutter Meta im Dezember 2022 zu einem radikalen Schritt: Zwei Wochen nach Veröffentlichung von ChatGPT verkündete der Konzern für mehrere seiner in Bau befindlichen Rechenzentren einen Baustopp. Monatelang ließ der Konzern seine Experten einen komplett neuen Bauplan entwickeln, zugeschnitten auf Künstliche Intelligenz. Statt Prozessoren sollen etwa im neuen Meta-Rechenzentrum im texanischen Temple nun GPUs zum Einsatz kommen, auf KI spezialisierte Grafikkarten, wie sie etwa der Chipproduzent Nvidia herstellt.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/Google Earth/Airbus, LiveEO/SPOT

Die USA stehen im Zentrum des Rechenzentren-Booms – allen voran dort der Norden des Bundesstaats Virginia. Dort machen schnelle Datenleitungen, billiger Strom und staatliche Fördermittel die Ansiedlung besonders attraktiv. Allein der Cloud-Riese Amazon Web Services will bis zum Jahr 2040 in der Region 35 Milliarden US-Dollar in die Recheninfrastruktur investieren. Etwas weiter nordwestlich, im Bundesstaat Ohio, will Amazon noch einmal 7,8 Milliarden Dollar in Datenzentren stecken.

In Europa sind Frankfurt, London, Amsterdam und Paris die am schnellsten wachsenden Standorte für Cloud-Infrastruktur. Dort befinden sich wichtige Knoten des weltweiten Datennetzes, auch die Nähe zu den Finanzbörsen spielt eine wichtige Rolle. So baut der Betreiber Digital Realty in der Gemeinde La Courneuve, acht Kilometer vom Pariser Zentrum entfernt, an einem kreisrunden Cloud-Zentrum, das einmal rund 80 Megawatt Leistung beziehen soll. Die Rechenzentren-Industrie stehe vor einer neuen Nachfragewelle, ausgelöst durch KI, sagte Andrew Power, Chef von Digital Realty, schon vor einem Jahr.


Das wirkt sich inzwischen auch in Deutschland aus. Erst kürzlich hat Microsoft angekündigt, 3,2 Milliarden Euro in die hiesige Cloud- und KI-Infrastruktur zu investieren. Vor allem im Rheinischen Revier, der Braunkohleregion in NRW, will der Konzern massenhaft Server aufstellen.

Konkurrent Google hat im Oktober 2023 schon losgelegt und sein erstes Cloud-Zentrum in Deutschland eröffnet. Die Halle in Hanau, nur 20 Kilometer vom wichtigen Internet-Knoten DE-CIX entfernt, ist Teil einer eine Milliarde Euro schweren Investition des US-Suchmaschinenriesen in Deutschland.


Auch in Asien hat KI einen Run auf Rechenzentren ausgelöst. Der südkoreanische Suchmaschinenanbieter Naver, der Marktführer im Heimatland ist, hat im November eines der größten Rechenzentren Asiens eröffnet. Der Rechenpark in Sejong, 150 Kilometer südlich von Seoul, soll für den Konzern zum „Außenposten für KI“ werden, sagte Naver-Cloud-Chef Kim Yu-won.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/Pleiades

Erst kürzlich hatte Naver sein eigenes großes Sprachmodell namens HyperClova X vorgestellt, obendrein ist Naver Berichten zufolge in Verhandlungen mit dem Chipfertiger Samsung zur Entwicklung eines eigenen KI-Chips, der die Kosten für künstliche Intelligenz senken soll. Sie könnten künftig das rund 500 Millionen Dollar teure Rechenzentrum noch schneller machen. Das gehört heute schon mit 270 Megawatt Anschlussleistung zu den größten weltweit. Das reicht dem Konzern aber nicht: Zwei weitere Ausbaustufen, Baubeginn im Jahr 2025, sind schon beschlossene Sache.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 21. März 2024 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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