Abgasskandal Dobrindt lenkt vom Wesentlichen ab

Verkehrsminister Alexander Dobrindt gibt sich gern als großer Aufklärer. Doch sein Vorstoß bei den CO2-Werten ist nur ein wohl geplantes Ablenkungsmanöver – bevor es ihm am Donnerstag selbst an den Kragen geht.

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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Quelle: dpa

Es ist ein alltäglicher Vorgang in der Politik: Ein Minister gibt eine Untersuchung in Auftrag, nachdem er von einem Missstand erfahren hat. Später stellt das Ministerium oder gar der Minister persönlich die Ergebnisse vor. Dennoch ist es kein gewöhnlicher Termin, als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für den Dienstagvormittag zur Pressekonferenz lädt. Zwei Dinge machen stutzig: Inhalt und Zeitpunkt der Veranstaltung.

Denn als der millionenfache Betrug bei Stickoxid-Werten (NOx) bei Volkswagen bekannt wurde, testete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Auftrag Dobrindts mehrere Modelle auf ähnliche Abschalteinrichtungen. Bei den Messungen fielen 30 Dieselautos verschiedener Hersteller auf – allerdings nicht mit zu hohen NOx-Werten, sondern beim CO2-Ausstoß. Kohlendioxid ist ebenfalls klimaschädlich und vor allem fließt es in die Berechnung der Kfz-Steuer ein. Gleich zwei Gründe für einen Minister, dem nachzugehen. Das tat Dobrindt auch. Vor rund einem Jahr gab er beim KBA eine weitere Untersuchung zu den auffälligen CO2-Werten in Auftrag. Diese Ergebnisse wurden jetzt präsentiert.

Und deshalb hat der Dobrindt'sche Vorstoß mehr als ein Gschmäckle. Er ist nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver. Denn am Donnerstag wird ein ganz anderer Bericht im Bundestag debattiert: der Abschlussbericht des Abgas-Untersuchungsausschusses, der die Rolle der Regierung im VW-Skandal unter die Lupe nehmen sollte. Etwa, ob ein Kabinettsmitglied etwas von den Manipulationen wusste oder wissen konnte.

Und hier wird es deutlich ungemütlicher für Dobrindt. Deshalb will er sich wohl lieber nochmal schnell als großer CO2-Aufklärer positionieren und die Schlagzeilen bestimmen.

Abschlussbericht zeichnet ein anderes Bild

Ein politischer Untersuchungsausschuss unterliegt selbstredend immer der Parteipolitik – Union und SPD haben als Teil der Regierungskoalition natürlich eine andere Sicht auf die Vorgänge als die Opposition. So ließ etwa Kirsten Lühmann von der SPD bereits vorab das Statement verbreiten, dass der Ausschuss „kein offensichtliches Fehlverhalten der Bundesregierung und ihrer Behörden“ bei der Überprüfung der Abgasemissionen von Pkw feststellen konnte.

Welche Schadstoffe im Abgas stecken

Doch die WirtschaftsWoche konnte bereits einen Entwurf zu dem Bericht einsehen – und daraus ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Kungelei zwischen Politik und Industrie ist noch größer als bisher bekannt. Die Behörden kontrollieren erst mal nicht selbst, sondern verlassen sich auf das, was die Autobauer liefern. Sind die staatlichen Kontrolleure nicht zufrieden, fordern sie weitere Daten an. Selbst prüfen die Beamten des KBA erst dann, wenn danach immer noch Fragen offen sind. Doch auch dann ist Kooperation angesagt. So seien die zu prüfenden Autos „in Zusammenarbeit mit dem Hersteller“ auszuwählen.

Dobrindts Glaubwürdigkeit hat gelitten

Mit diesen und anderen Handlungen hat die Regierung über Jahre ein Umfeld geschaffen, in dem Grauzonen bewusst ausgereizt und Einwände von Experten ignoriert wurden. Immer wieder konnte die Industrie ihre Interessen durchsetzen – etwa das Hinauszögern strengerer Testverfahren, die für die Abgaswerte wichtige Motorsteuerung zum Betriebsgeheimnis zu erklären oder dass unliebsame Messergebnisse einfach aus Berichten gestrichen werden, wie Informationen der WirtschaftsWoche zeigen.

Noch ein Problem für Dobrindt: Die Glaubwürdigkeit seiner aufklärerischen Vorstöße hat zuletzt stark gelitten. Grund hierfür ist ausgerechnet die Autoindustrie. Anfang Juni hatte Dobrindt schon einmal zu einer Pressekonferenz geladen.

Damals verkündete er nüchtern und sachlich, dass Audi eine illegale Abgassoftware verwendet habe und deshalb 24.000 Autos zurückrufen müsse. Die Botschaft: Seht her, ich kläre auf und gehe entschlossen gegen die Manipulationen vor, die den Kunden betrügen und der Umwelt schaden.

Nur hat Dobrindt dabei vergessen, wie das eigene kranke System funktioniert: Die Hersteller messen sich erst einmal selbst. Und wenn sich dann mit allen Mitteln nichts mehr verheimlichen lässt, muss man in den sauren Apfel beißen und die zu hohen Messwerte zugeben.

Sprich: Nicht das Ministerium oder das KBA haben die zu hohen Emissionen entdeckt, sondern Audi selbst hat die Unregelmäßigkeiten nach Berlin gemeldet. Über das Vorgehen des bayerischen Bundesministers war man in Ingolstadt dann so empört, dass sich Audi-Chef Rupert Stadler zu einem Interview mit der „Automobilwoche“ hinreißen ließ – in welchem er die Vorgänge klarstellte und Dobrindt die Show stahl. Mit dem Nachsatz, er sei von Dobrindt „persönlich enttäuscht“, watschte Industrieboss Stadler den Minister ungewohnt deutlich ab.

Immerhin eine solche Schmach blieb Dobrindt heute erspart, schließlich ist bei dem KBA-Bericht die Quelle der Messergebnisse klar. Doch viel Applaus für seine Leistungen sollte der Verkehrsminister nicht erwarten: Von den ursprünglich 30 auffälligen Modellen konnten bei gerade einmal zwei Fahrzeugen zu hohe CO2-Werte belastbar nachgewiesen werden – einem Opel Zafira und ein Smart Fortwo. Beide Modelle gelten seit Monaten zu den auffälligsten Fahrzeugen, nicht nur beim CO2, sondern teilweise auch bei den Stickoxiden und Feinstaubemissionen.

Und viel wichtiger: Beide Modelle werden in dieser Form heute nicht mehr gebaut. Das passt in Dobrindts Schema: Der Aufklärer, der nur das aufklärt, was schon alle wissen und nur wenigen in der Industrie wirklich weh tut.

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