Der Aufstieg der Briten ist aber nicht nur hausgemacht. Auch die deutschen Hersteller ermöglichen durch ihre Expansion kleineren Herstellern, exklusive Nischen zu besetzen. „Die deutschen Hersteller haben einiges an Exklusivität verloren, weil sie in Marktsegmente wie die Kompaktklasse eingestiegen sind“, sagt Branchenexperte und Berater Bernd Hönnighausen.
Dem pflichtet auch Frank Schwope bei. „Ein großer Vorteil von Jaguar und Land Rover ist, dass sie noch keine Massenhersteller sind. Audi, Mercedes und BMW bezeichnen sich zwar selbst als Premiumhersteller, mit einem Absatz von über 1,5 Millionen Fahrzeugen sind sie aber de facto ein Volumenhersteller“, sagt der Auto-Analyst. „So können Jaguar und Land Rover die exklusiveren Autos bauen, die eben nicht vor jeder Garage stehen.“
Der neue Technik-Vorstand ist der langjährige BMW-Manager Wolfgang Ziebart. Er sieht in der Größe einen weiteren Vorteil. „Wir sind schneller und brauchen nicht so viel Aufwand“, sagte Ziebart dem „Handelsblatt“. „Wir haben nicht so viele Leute, die da herumentscheiden.“
So brüsten sich etwa die Briten damit, dass der XE als erste Mittelklasse-Limousine mit einem vollständig aus Aluminium gefertigten Rahmen ist. Und während man bei den deutschen Premiummarken einen Plugin-Hybriden mit Dieselmotor vergebens sucht, will Range Rover noch im Laufe des Jahres ein solches Modell auf den Markt bringen.
Denn Jaguar Land Rover muss ebenfalls bestimmte CO2-Ziele erreichen, wenn auch nicht ganz so tiefe Werte wie größere Volumenhersteller. Im vergangenen Jahr betrug der Flottenwert 181 Gramm je Kilometer - ein Viertel weniger als 2007. 2020 müssen es dann 135 Gramm sein.
Das Schloss mit Kiesweg hat ausgedient
Neben technischen Neuheiten ergeben sich Spielräume für Modelle, die sich von der Konkurrenz abheben – wer nicht zu Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse greifen will, findet inzwischen zahlreiche Alternativen. Japanische Nobelmarken wie Lexus oder Infiniti buhlen mit ihren Hybrid-Limousinen um die umweltinteressierte Kundschaft, Citroën zielt mit dem DS5 auf die Liebhaber extravaganten Designs, Maserati um die Fans des italienischen Dolce Vitas.
Jaguar will hingegen mit seiner „Britishness“ punkten, wobei auch dieser Begriff sich für Jaguar Land Rover gewandelt hat. „Unser Design kommt immer aus England“, sagt Deutschland-Chef Modelhart. „‘British‘ heißt aber nicht das Schloss mit dem traditionellen Kiesweg, sondern ein modernes England – so cool, wie man es bei Olympia 2012 erleben konnte.“
Diese moderne Britishness soll sich auch in der Corporate Identity für die Händler wiederfinden. Es sollen aber nicht nur bestehende Jaguar- oder Land Rover-Autohäuser umgestaltet werden. Die Briten wollen auch ihr Handelsnetz ausbauen und damit an die ständig steigenden Verkaufszahlen anpassen. Bis Ende nächsten Jahres soll es auf 76 Jaguar- und 124 Land-Rover-Betriebe wachsen. Das wäre ein Drittel mehr als noch 2010.
Doch selbst wenn Jaguar und Land Rover mit einem engmaschigeren Händlernetz ihre kahlen Stellen auf der Deutschland-Karte verringern können - eine echte Gefahr beim Absatz werden die Briten für die einheimischen Premiumhersteller in den nächsten Jahren nicht. Doch sie werden ernstgenommen.
Ein Beleg: Im vergangenen Jahr fragte Jaguar bei BMW an, ob man bei leistungsstarken Motoren für die großen Modelle kooperieren könne. Die Antwort aus München: „Nein, warum sollen wir einen Wettbewerber stärken?“