Die Abenteuer auf dem russischen Automarkt Warum Russland kein Milliarden-Grab ist

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Russland fehlen die Zulieferer


Nicht nur mit dem Lack ist Eike Winges, Leiter des Mercedes-Teils des Werks in Nischnij Nowgorod, zufrieden. „Wir garantieren für die Mercedes-Qualität unserer Fahrzeuge. Es gibt keinen Qualitätsunterschied zwischen einem Sprinter, der in Deutschland gefertigt wird, und unserem Produkt“, sagt Winges. „Um das sicherzustellen arbeiten wir eng mit GAZ zusammen, denn wegen der lokalen Zulieferer ist es nicht ganz einfach, hier zu produzieren.“

Damit spricht Winges eines der Hauptprobleme der russischen Wirtschaft an. Russland ist ein Land der Rohstoffe, aber nicht der verarbeitenden Industrie. In Sowjetzeiten haben Staatsunternehmen fast alles selbst hergestellt – eine Zulieferer-Industrie mit kleinen, spezialisierten Unternehmen ist aber nie entstanden. Das muss heute nachgeholt werden: Zum Teil bringen die ausländischen Autobauer ihre angestammten Zulieferer mit, zum anderen entdecken zunehmend russische Unternehmen das Komponentengeschäft für sich.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Auch GAZ arbeitet daran, Kunden wie Daimler und VW bei der Lokalisierung zu unterstützen. Auf dem Werksgelände werden Auspuffanlagen, Bolzen und für VW auch Achsen gebaut. Derzeit arbeiten Winges und seine Kollegen daran, künftig auch eine Vorderachse aus russischer Produktion in den Sprinter einzubauen. Während Volkswagen seine Motoren in Kaluga selbst fertigt, baut Daimler auch hier auf die Unterstützung des russischen Partners. In dem Motorenwerk Jaroslawl montiert GAZ neben den eigenen Dieselaggregaten auch den OM646-Motor für Mercedes.

Daimler und VW haben noch Luft nach oben

Die Auftragsfertigung ist ein weiteres Standbein für GAZ geworden, um die Auslastung der insgesamt 13 Werke mit 44.000 Mitarbeitern zu erhöhen. Das Hauptgeschäft bleiben die Transporter, Lkws und Busse. Hier hat GAZ in den vergangenen fünf Jahren fast 36 Milliarden Rubel – nach aktuellem Kurs etwa 500 Millionen Euro – in neue Technologien und Produktionsanlagen investiert. Über die Beteiligungsgesellschaft Russian Machines gehört GAZ zu Basic Element – einem der größten russischen Mischkonzerne.

Chef und Gründer von Basic Element ist der Milliardär Oleg Deripaska. In Deutschland sorgte Deripaska im Jahr 2009 für Schlagzeilen, als er zusammen mit der russischen Sberbank und dem kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna bei Opel einsteigen wollte.

Seit 2011 leitet der ehemalige Magna- und General Motors-Manager Manfred Eibeck die Geschäfte von Russian Machines. Von dem plötzlichen Rückzug seines ehemaligen Arbeitgebers aus dem russischen Markt war auch Eibeck in seiner neuen Funktion betroffen: In Nischnij Nowgorod baute GAZ für die GM-Marke Chevrolet den Kleinwagen Aveo.

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