Kabel-Spezialist Wie Leoni das Chaos in den Griff bekommen will

Der Kabel- und Bordnetzspezialist Leoni kämpft mit den Folgen schwerer Managementfehler – Gewinnwarnungen und Betrug inklusive. Im Interview erklärt Unternehmenschef Dieter Bellé seine Pläne – unter anderem mit China.

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Dieter Bellé ist seit Mai 2015 Vorstandsvorsitzender bei Leoni. Quelle: PR

In seinen ersten anderthalb Jahren als Vorstandschef beim Bordnetzhersteller Leoni ist fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Dieter Bellé musste innerhalb von zwölf Monaten zwei Gewinnwarnungen herausgeben. Die erste war nötig geworden, weil verschiedene Geschäftsbereiche unkoordiniert voneinander die zum Konzern gehörende Fabrik in Rumänien mit Aufträgen bombardiert hatten. Die Rumänen mussten dann in ihrer Not für viel Geld kurzfristig Scharen an Mitarbeitern einstellen. Die Kosten explodierten.

Die zweite Gewinnwarnung wurde vor einigen Wochen nötig. Betrüger konnten Mitarbeiter des Bordnetzherstellers dazu verleiten, insgesamt 40 Millionen Euro auf ihre Konten zu überweisen. Das ist mehr, als das Unternehmen im ersten Halbjahr an Gewinn gemacht hat.

Der Autozulieferer aus Nürnberg steckt in einer kritischen Phase. Der Aktienkurs halbierte sich innerhalb von zwei Jahren. Zwar ist der Umsatz, den das Unternehmen vor allem mit Bordnetzen und Kabeln für Autos im ersten Halbjahr gemacht hat, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stabil geblieben. Doch der Überschuss brach um mehr als ein Drittel ein. Bellé entschied, 1100 der 74.000 Mitarbeiter zu entlassen, um die Bordnetzsparte wieder auf Kurs zu bringen. Der für diese Sparte zuständige Vorstand Andreas Brand musste im November 2015 seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger Frank Hiller – bis dato verantwortlich für die Sparte Draht & Kabel – verlässt nach nur einem Jahr auf dem neuen Posten das Haus.

Die weltweit größten Autozulieferer

Ein Befreiungsschlag für den Vorstandschef. „Bellé und Hiller waren sich nicht grün“, sagt ein Insider. Der Nachfolger ist bereits bestellt. „Ein Profi aus der Zulieferindustrie, der sowohl über Produktions- als auch Vertriebserfahrung verfügt“, sagt Bellé der WirtschaftsWoche.

WirtschaftsWoche Online: Herr Bellé, stellen Sie sich vor, Sie lesen über einen Mittelständler folgendes: Zwei Gewinnwarnungen in zwölf Monaten, ein völlig aus dem Ruder gelaufener Standort, 1100 Stellen gestrichen, zwei Vorstände weg – und dann noch um 40 Millionen beklaut. Welches Bild hätten Sie vom Chef?
Dieter Bellé: Das ist sicher im ersten Moment ein kritisches Bild, wenn man es so liest. Aber der Fachmann wird auch erkennen, dass es zu diesen Problemen eine lange Vorgeschichte gibt und dieser Chef und sein Team dabei sind, das Unternehmen auf den Pfad des Erfolgs zurückzuführen. Leoni hat gute Substanz und Perspektiven.

Zur Person

Was wäre Ihre erste Frage an den Chef dieses Mittelständlers?
Ob er die richtigen Schritte eingeleitet hat, um die Probleme zu lösen. Und da kann ich Ihnen sagen: Wir sind auf einem guten Weg.

Fangen wir mit ihrem Standort in Rumänien an. Fliegt Ihnen der Standort nun nicht mehr um die Ohren, wie sie es selbst voriges Jahr formuliert hatten?
Nein. Der Standort wird von Quartal für Quartal wieder wirtschaftlicher. Wir haben in der gesamten Bordnetz-Division wesentliche Maßnahmen ergriffen: die Geschäftsbereiche neu organisiert, Entscheidungsebenen herausgenommen und Verantwortlichkeiten neu definiert.

Wie kommen Sie beim Stellenabbau voran?
Gut. Ein Großteil wird in diesem Jahr geschafft sein. Das kostet uns 25 Millionen Euro. Ab nächstem Jahr sparen wir dadurch dauerhaft rund 20 Millionen.

Und gerade jetzt wird der Vorstand der Bordnetz-Sparte, Frank Hiller, das Unternehmen verlassen. Wirft Sie das zurück?
Nein, zumal der Nachfolger schon bestellt worden ist. Ein Profi aus der Zuliefererbranche, der sowohl Produktions-, als auch Vertriebserfahrung hat. Mit ihm werden wir den eingeschlagenen Weg weitergehen.

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