Der heruntergerockte Zwillingsbruder von Fluch-der-Karibik-Pirat Jack Sparrow klettert auf seinen zusammengeschusterten VW Bulli und brüllt im Stadtpark von Seaside abfällig Leute an. Kameras klicken und das Publikum jubelt dem selbsternannten Autopiraten zu. Der verrostete VW Bulli und sein Dachdarsteller haben so nichts gemein mit der gelben Konzeptstudie, die fast zeitgleich drei Meilen südwestlich auf der Rampe hinter VW-Markenvorstand Herbert Diess steht. Diess verkündet Lichtjahre vom dieselgeschüttelten Wolfsburg entfernt die Serienproduktion des VW I.D. Buzz – rein elektrisch schafft der Bus der Neuzeit mit seinem fast 400 PS starken Elektroantrieb bis zu 500 Kilometer. Marktstart leider erst 2022. Die Verkündigung hier passt schon deshalb, weil der Bulli an der Pazifikküste nicht nur bei den Surfern Kultstatus hat.
Herbert Diess wird vom selbsternannten Jack Sparrow nicht viel mitbekommen, doch den „Concours d’Lemons“ kennt auch er. Hier stehen dicht an dicht Modelle wie der gelbe AMC Gremlin von John Johnston. „Ich fahre mit dem 74er-Gremlin jeden Tag“, so Johnston, „der ist so hässlich. Schöner geht es doch nicht.“
Die Freude am Auto in zwei Welten
Der Concours d’Lemons zeigt die andere Seite der Monterey Autoweek. Während die Eintrittskarte bei „The Quail – a Motorsports Gathering“, 650 Dollar kostet und Wartelisten existieren, um im Umfeld von exklusiven Studien, Serienmodellen und Klassikern Champagner zu schlürfen und am Kaviar zu nuckeln, geht es in bei den Lemons von Seaside hemdsärmeliger zu. Hier präsentieren Autofans von der Westküste ihre Schrottkisten, die sie jeden Tag begleiten. Wo sonst bekommt man einen 1958er King Midget, ein grell gelben Edsel Bermuda oder einen verrosteten Ford Ranchero von 1974 zu sehen?
Wer nicht auf die Serienumsetzungen von BMW Z4 oder Maybach Cabriolet 6 warten mag, der wird problemlos bei den zahllosen Luxusversteigerungen von RM Sotheby’s Auctions, Bonhams oder Goodings fündig. Der Star in diesem Jahr: der Aston Martin DBR1 von 1959, der für die gigantische Summe von 20,5 Millionen Dollar zuzüglich Nebenkosten einen neuen Besitzer fand. Oder darf es ein 2,5 Millionen Dollar teurer BMW 507 oder ein Mercedes 300 SL Flügeltürer für gerade einmal 1,5 Millionen sein?
Im Trend sind jedoch jüngere Sportwagen der 70er, 80er und frühen 90er Jahre. Vorkriegsmodelle und ehemalige Selbstläufer aus den 50er und 60er Jahren von Ferrari, Aston Martin, Lancia oder Porsche werden auch hier nicht mehr automatisch zu Millionenpreisen durchgewunken.
Allen Veranstaltungen gemein ist entspannte Lässigkeit und das souveräne Selbstverständnis, mit der sich alles um das Thema Auto dreht. Hier wird mit Strohhut, dunklem Sportsakko und Loafer flaniert, während es ein paar hundert Meter weiter mit altem T-Shirt, kurzer Hose und Flip-Flops auf der Ladefläche von Pick-ups gefeiert wird. Potenzielle Luxuskunden schauen sich hinter verschlossenen Türen in Pebble Beach derweil traumhaft konfigurierte Einzelstücke und Modelle an, die erst in ein paar Monaten auf den Straßen rollen.