In den USA nahm der Abgasskandal mit den Messungen der Umweltbehörde EPA seinen Anfang. Doch auch ohne die Probleme, die dort strengeren NOx-Emissionen einzuhalten, war das US-Geschäft der Wolfsburger alles andere als ein Selbstläufer. Betriebsratschef Bernd Osterloh bezeichnete den VW-Auftritt in den USA bereits vor Jahresfrist als „Katastrophenveranstaltung“.
Der Grund für diese deutlichen Worte: Volkswagen – oder je nach Betrachtungsweise nur das lokale Management – hatte den US-Markt mit seinen speziellen Anforderungen nicht verstanden. Mal waren es fehlende Becherhalter, mit denen die Wolfsburger in der Drive-In-Kultur der Fast-Food-Nation schlechthin den Zorn der Kunden auf sich zog. Mal fehlte den Kunden das in den USA jährliche Update der Autos. Nach anfänglichen Erfolgen mit speziellen US-Limousinen wie dem Jetta und dem Passat sank der Marktanteil von zwischenzeitlich drei auf zwei Prozent – heute ist VW wieder auf dem Niveau von 2007 angekommen.
Vermintes Gelände – Volkswagen und die USA
In China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, stampft VW ein Werk nach dem anderen aus dem Boden. In den USA zählt Europas Branchenprimus erst eines, vieles läuft dort noch nicht rund. Eine Chronologie.
VW-Chef Martin Winterkorn spricht zur Automesse in Detroit erstmals von einem neuen SUV-Modell speziell für die USA.
Nach 31 Monaten auf steilem Expansionskurs muss Volkswagens Kernmarke für den April 2013 erstmals wieder rückläufige Verkäufe melden. Seitdem finden die Wolfsburger nicht in die Spur.
Im schwelenden Streit um einen Betriebsrat für das einzige US-Werk von Volkswagen in Chattanooga droht der mächtige Konzernbetriebsrat damit, weiteres Wachstum dort zu blockieren.
Michael Horn löst Jonathan Browning als Chef von Volkswagens US-Sparte ab. Medien spekulieren, Browning müsse wegen der Verkaufszahlen gehen. Volkswagen nennt „persönliche Gründe“.
Winterkorn kündigt das neue SUV-Modell für 2016 an. „Amerika ist der weltweit härteste Automarkt“, räumt er ein. Als mögliche Produktionsorte gehen Chattanooga und Mexiko ins Rennen.
Die VW-Mitarbeiter in Chattanooga votieren gegen den Vorschlag, sich von der US-Autogewerkschaft UAW vertreten zu lassen. Damit kann VW zumindest vorerst nicht die vom Betriebsrat geforderte Arbeitnehmervertretung nach deutschem Vorbild aufbauen.
Betriebsratschef Bernd Osterloh meldet sich zu Wort. Er könne sich „durchaus vorstellen“, dass ein weiterer Standort in den USA „nicht unbedingt wieder in den Süden gehen muss“.
VW teilt mit: Der Cross Blue geht nach Chattanooga.
VW zeigt auf der Messe in Detroit neben dem bereits bekannten großen Geländewagen Cross Blue eine Coupé-Variante. Martin Winterkorn verspricht, in den USA wieder in den Angriffsmodus zurückkehren zu wollen.
Die Verkäufe gerade der Marke VW fallen nach den beiden schlechten Jahren 2013 und 2014 in den USA noch einmal schlechter aus. Von Januar bis August verkaufte in den USA 238.100 Autos und damit 2,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Quelle: dpa, scc
Europas größter Autobauer hat vor allem versäumt nachzulegen. Auf Jetta und Passat folgte lange nichts. Das inzwischen angekündigte speziell für den US-Markt entwickelte SUV kommt erst in einigen Jahren. Doch ob ein neues Modell alleine die lange ersehnte Wende bringen kann, ist fraglich. Dazu kommt: Seit dem Abgasskandal ist es um das SUV sehr still geworden. Die Wolfsburger wollen erst einmal die Folgen der aktuellen Affäre abwarten, bevor sie die Genehmigung für ein neues Modell beantragen.
Analyst bringt USA-Rückzug ins Spiel
Zusammen mit der ohnehin schwachen Position und den unkalkulierbaren Auswirkungen des Abgasskandals rät Schwope, generell über das Engagement der Marke Volkswagen in den USA nachzudenken. „Da der Konzern nach Jahren mit Verlusten seit 2007 keine Ergebnisgrößen für Nordamerika mehr veröffentlicht, kann man nur annehmen, dass kumuliert über die letzten 15 Jahre eher deutliche)Verluste als Gewinne in den USA angefallen sind“, sagt der Analyst. „Zudem hat die Marke Volkswagen jahrelang eine verfehlte Modellpolitik in den USA betrieben. Ein Komplettausstieg der Marke Volkswagen-Pkw in den USA sollte in Erwägung gezogen werden, zumal gerade die rechtlichen Risiken in den Vereinigten Staaten immens sind.“
Während Schwope einen radikalen Schritt anrät, sorgt ein Tesla-Investor mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für Aufmerksamkeit. „Statt Milliarden an Strafen zu zahlen, sollte VW lieber verpflichtet werden, in fünf Jahren nur noch Elektroautos in den USA zu verkaufen“, sagt Ion Yadigaroglu, Chef des Investors Capricorn, dem „Handelsblatt“. „Derzeit ist die Rede von Strafen in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Mit dem Geld könnte VW gut eine Batteriefabrik oder zwei bauen und Arbeitsplätze schaffen.“ Außerdem sollten die US-Behörden dem Wolfsburger Konzern auferlegen, Ladestationen an den Autobahnen aufzustellen. „Dann hätten wir das Transportsystem in diesem Land deutlich verbessert.“
Was VW 2014 in den USA verkauft hat
29.182 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
Quelle: CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen
9.995 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
3.411 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
33.675 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
160.873 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
96.649 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
1.103 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
25.121 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
6.961 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
Ob sich VW zurückzieht oder nach gezahlten Strafen das Geschäft mit konventionellen Autos weitertreibt, liegt in der Hand von Müller und seinem neuen Chefstrategen Thomas Sedran. Eigentlich sollten – gemäß Müllers neuem Führungsstil – solche Entscheidungen dezentral in der Region getroffen werden. Doch der bereits zum Nordamerika-Chef ausgerufene Skoda-CEO Winfried Vahland verlässt stattdessen den Konzern offenbar ganz. Ob die für Vahland neu geschaffene Stelle mit einem anderen Manager besetzt wird, ist noch nicht bekannt.