Volkswagen Warum die Strategie von VW am Ziel vorbeigeht

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Österreichischer Dabattierclub lähmt VW

Ferdinand Piëch, als langjähriger Vorstands- und Aufsichtsratschef einst Anführer des Clans, hat mit seinem Rückzug 2015 Raum für Machtspiele geschaffen. Sein Bruder Hans Michel Piëch, der als Sprecher des Piëch-Stammes und VW-Aufsichtsrat fungiert, übt den Schulterschluss mit Wolfgang Porsche, dem Anführer des zweiten Familienstamms. „Wir sind anders“, meint er. „Der Vorstand macht Vorschläge. Wenn sie plausibel sind, werden wir ihnen folgen.“

Damit geht jede klare Linie verloren. Statt des Machers Piëch, der sich als Chefkontrolleur selbst in kleinste Detailfragen einmischte, wachen nun zwei Clan-Sprecher über den Konzern, die keinen Hintergrund als Automanager haben. Die Familie werde dadurch zum „Debattierclub“, spottet ein Mitglied. Und von Frieden ist sie weit entfernt. „Sie ist so uneins, da kommt praktisch kein Input, weder für die Aufklärung des Dieselskandals noch zum Sparprogramm“, sagt ein Insider. Die Eigentümerstruktur wird damit zum Hemmschuh für VW.

VW-Zukunftspakt: Was auf die Werks-Standorte zukommt

Radikale Schritte wird die Familie ebenso wenig forcieren wie der mächtige Betriebsrat. Nur ein Beispiel: Einem Schreiben an die Mitarbeiter zufolge wollte das VW-Management die Produktion neuer Elektrofahrzeuge ins slowakische Bratislava verlegen, die Fahrzeugvorbereitung und große Teile der Logistik auslagern, Mitarbeiter entlassen. Betriebswirtschaftlich wäre das sinnvoll gewesen. Im Branchenvergleich sind die Kosten bei VW viel zu hoch.

Arbeitsplätze sind wichtiger als Rendite – für Niedersachsen

Der Betriebsrat schreibt sich nun auf die Fahnen, das Schlimmste verhindert zu haben – die E-Autos werden in Deutschland gebaut, Arbeitsplätze nur über Altersteilzeit und Fluktuation abgebaut. Seine starke Stellung verdankt er einem mächtigen Verbündeten: Das Land Niedersachsen kann mit seinen 20 Prozent VW-Anteilen Sparmaßnahmen wie die Verlagerung der Produktion blockieren. Ministerpräsident Stephan Weil legt Wert darauf, dass VW „seinem langjährigen sozialen Anspruch treu bleiben“ muss. Arbeitsplätze in Niedersachsen sind Weil wichtiger als Rendite.

Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen hält diese Politik für ein „hohes Risiko“. Unternehmen seien nicht dazu da, Infrastrukturprobleme zu lösen. „Das Unternehmen VW wird aber durch die Stimmverteilung im Aufsichtsrat dazu missbraucht und fährt dadurch immer wieder in Kostenfallen“, sagt Dudenhöffer.

"Fünf Jahre früher wäre sicher besser gewesen"
Ferdinand Dudenhöffer Quelle: dpa
Bernd Osterloh Quelle: REUTERS
Matthias Müller Quelle: dpa
Ministerpräsident Stephan Weil Quelle: dpa
TCIDer britische Hedgefonds TCI hat den Spar- und Investitionsplan begrüßt. Solange es sich bei der Kostensenkung von 3,7 Milliarden Euro um eine Nettozahl handele und VW nicht an anderer Stelle mehr ausgebe, sei der Plan positiv zu bewerten, sagte TCI-Vertreter Ben Walker. Der "Zukunftspakt" unterstreiche außerdem die Durchsetzungsfähigkeit von VW-Markenchef Herbert Diess. "Alle haben einen guten Deal abgeschlossen: Es ist gut für das Unternehmen, gut für die Belegschaft, gut für die Marke und ihre Führung - es gibt keine Verlierer", ergänzte Walker. Der Fonds "The Children's Investment Fund" hatte in der Vergangenheit den VW-Konzern scharf angegriffen wegen hoher Kosten, Bonuszahlungen und des starken Einflusses des Betriebsrates. Vor einem halben Jahr hatte TCI den Abbau von bis zu 30.000 Stellen gefordert. TCI hält nach eigenen Angaben über Vorzugsaktien von VW und vom VW-Hauptaktionär Porsche SE zwei Prozent an VW, hat damit aber kein Stimmrecht. Quelle: dpa
Norddeutschen LandesbankDie Norddeutsche Landesbank ist von dem vorgehen des Wolfsburger Autobauers positiv überrascht: "Der Volkswagen-Konzern geht seine Kostenproblematik offensiver an als von manch einem Marktbeobachter erwartet. Die hohen Kosten müssen deutlich gesenkt werden, um die Marke Volkswagen profitabler zu machen. Die verkündeten Maßnahmen dürften der Auftakt für Kosteneinsparungen auch bei den anderen Automarken des Konzerns sein. Dem Volkswagen-Konzern steht aufgrund der Kosten des Diesel-Skandals und mit Blick auf die Zukunftsthematiken „Elektromobilität“ und „autonomes Fahren“ in den nächsten Jahren die gravierendste Umstrukturierung seiner Geschichte bevor. Die nächsten Monate sollte der Kurs der Volkswagen-Vorzugsaktie recht volatil bleiben. Wir belassen das Anlageurteil bei „Halten“. Quelle: dapd

Das ist umso gefährlicher, weil der Konzern wie nie um das Vertrauen der Kunden kämpfen muss. In Europa legen die Verkäufe langsamer zu als die der Konkurrenz, VW verliert Marktanteile. Die jüngsten Äußerungen von Konzernchef Müller dürften kaum für eine Trendwende sorgen. Durch manipulierte Autos hätten diese keine Nachteile, deshalb könne er Schadensersatzforderungen deutscher Kunden nicht nachvollziehen, sagte er. Einsicht sieht anders aus.

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