Baustoffe Wie der Gipsgigant Knauf gegen Krise und Klagen kämpft

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Stadt und Familie

Damit nicht genug: Im Fußball gibt es den Knauf-Cup, die Schützenbrüder laden ihre Gewehre zum sogenannten Ostereischießen neben der Karl-Knauf-Halle. Kürzlich wurde das Iphöfer Knauf-Museum erweitert, eine Sammlung von Gipsabdrücken klassischer Reliefs.

Selbst bei der Infrastruktur reden die Knaufs mit. Vor fünf Wochen wurde der Flughafen Giebelstadt in der Nähe von Iphofen – einst eine Einrichtung der US-Armee – wieder für den Flugverkehr freigegeben. Die Anlage gehört jetzt zu 90 Prozent zum Knauf-Reich. Eine Million Euro investierte die Sippe, rund vier Millionen Euro sollen noch folgen.

Auch bei der Schienen- und Straßenplanung geht nichts gegen die Interessen des Gipsgeschlechts. So wurde vor fünf Jahren in Iphofen eine am Werk liegende Straße verlegt und machte einer Werkserweiterung Platz. Die Knaufs brauchen nicht einmal mit ihren Muskeln spielen. „Druck hat es nie gegeben“, sagt Iphofens Bürgermeister Josef Mend von den Freien Wählern. Politiker, das örtliche Gewerbe, die Arbeitnehmer wissen: Sie brauchen die Knaufs und die Knaufs brauchen sie. „Iphofen ist mit Knauf gewachsen“, kennzeichnet der sozialdemokratische Stadtrat Otto Kolesch die Symbiose zwischen Familie und Stadt.

Der Ton ist härter geworden

„Die Firmenbauten könnten landschaftsgerechter sein“ – viel an Kritik fällt dem grünen Kreistagsabgeordneten Hans Plate nicht ein, auch wenn Gipsgruben und Fabriken keine Ökonischen sind. Knauf nimmt Kritikern den Wind aus den Segeln: Alte Tagebaue versetzt die Gipsfirma wieder in den Naturzustand. Der Konzern leistet sich sogar einen eigenen Förster.

Selbst die Gewerkschaften maulen kaum. „Früher, als die Vettern noch im Tagesgeschäft waren, lief es bei Verhandlungen besser. Der Ton ist härter geworden, aber Knauf ist nicht Schlecker“, sagt Hans Beer, Regionalleiter der Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt.

Einkaufstour in Russland

Nur vier Prozent Arbeitslose gibt es in der heilen Welt am Konzernsitz Iphofen. Dabei machen die dortigen Werke und Gruben nur einen Bruchteil des Umsatzes aus. Wenige Familienunternehmen in Europa sind internationaler als die Franken: Kein Land ist zu gefährlich oder zu entlegen, um die Gips-Könige abzuschrecken. In Afghanistan gehörten die Knaufs zu den ersten westlichen Unternehmen, die nach dem Eingreifen der USA am Platze waren. In Syrien betreibt Knauf eine Gipsfabrik ebenso wie in Algerien.

Als Entführungen ausländischer Manager noch an der Tagesordnung waren, gingen die Knaufs schon auf Einkaufstour in Russland. Erster Streich war 1993 der Kauf des Werkes Krasnogorsk bei Moskau. Russland war in den Neunzigerjahren durchsetzt von Korruption und Kriminalität, sodass die Vettern eine Armada an Anwälten beschäftigen mussten. Erst 2000, sagt Nikolaus Knauf heute, habe er in Russland schwarze Zahlen geschrieben. Heute betreibt Knauf dort 14 Fabriken für Gipsplatten, Handputze oder Dämmstoffe.

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