Aussitzen und Abwarten Wie sich Fluglinien um Entschädigungen drücken

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Entschädigungen drücken auf den Gewinn

Laut Flightright hatten Flugreisende in Deutschland im vergangenen Jahr theoretisch Anspruch auf Entschädigungen von bis zu 780 Millionen Euro - doch nur rund 15 Prozent seien ausbezahlt worden. In der EU samt Schweiz, Norwegen und Island hätten die Airlines von 5,4 Milliarden Euro möglicher Ansprüche nur 800 Millionen an ihre Kunden überwiesen. Selbst wenn ein Fünftel der ersparten Summe auf nicht-europäische Fluggesellschaften entfällt, würde eine Durchsetzung aller Ansprüche kräftig an den Gewinnen hiesiger Airlines zehren. Von umgerechnet 9,4 Milliarden Euro, die Europas Fluglinien 2015 laut dem Branchenverband IATA vor Zinsen und Steuern verdienten, wären fast 40 Prozent in Gefahr.

Schon so steht die Branche notorisch unter Druck. Viele Fluglinien fliegen Verluste ein, Air Berlin steht nach jahrelangen Defiziten vor der Zerschlagung. Kein Wunder, dass viele Airlines versuchen, sich um Entschädigungszahlungen zu drücken. „Das mit der versteckten Kontaktadresse ist natürlich Teil der Taktik, es dem Kunden nicht besonders einfach zu machen bei der Kontaktaufnahme“, sagt Kadelbach. Andere Unternehmen versuchten, die Kunden hinzuhalten oder mit Essensgutscheinen über 50 Euro abzuspeisen. Am Ende geht es meist um die Ursache der Ausfälle und Verspätungen: „Lange Zeit haben praktisch alle Fluggesellschaften „höhere Gewalt“ gerufen, sobald ein Kunde Entschädigung einforderte“, berichtet der Flightright-Chef.

Laut Rechtsprechung gilt dieses Argument aber nur für Ereignisse, die die Fluggesellschaft nicht beeinflussen kann - dazu zählen etwa Unwetter. Bei Streiks ist dies nicht unumstritten. Das sehen die Gerichte in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Technische Pannen hingegen sind normalerweise ebenso das Problem der Airline wie erkrankte Mitarbeiter. Ob das auch für massenhafte Krankmeldungen wie derzeit bei Tuifly gilt, müssen wohl die Gerichte klären.

Diese Rechte haben Fluggäste

Reiserechtler Ronald Schmid vom Flugrechtsportal Fairplane sieht wie Flightright-Chef Kadelbach jedenfalls die Airlines in der Pflicht: Eine Krankheitswelle sei Sache der Fluggesellschaft - außer, sie könne nachweisen, das es sich dabei in Wirklichkeit um einen „wilden Streik“ handle, sagt Schmid. Er ist sich sicher: „Das wird für die Veranstalter und die Fluggesellschaften eine teure Angelegenheit.“

Beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) will man den Umgang der Airlines mit Entschädigungsansprüchen nicht kommentieren. Mit Blick auf die gewinnorientierten Flugrechtsportale verweist der BDL allerdings auf die Schlichtungsstelle für den Personenverkehr - die sei für die Verbraucher kostenlos.

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