Es läuft nicht gut bei der Speditionstochter DB Schenker in Deutschland. 2014 war schon ein mieses Jahr, 2015 lief es noch schlechter. Die Ergebnissituation sei „eindeutig nicht zufriedenstellend, daran gibt es nichts zu deuteln“, sagte der neue Vertriebschef Kurt Leidinger der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“.
Deshalb wolle die Speditionstochter der Deutschen Bahn ihren Kurs korrigieren: Kosten senken, Vertrieb stärken und bisherige Glaubenssätze über Bord werfen. Künftig darf auch Schenker Lang-LKW einsetzen.
Die Neupositionierung insbesondere bei den Gigalinern zeigt, wie sehr die Konzerntochter der Deutschen Bahn unter Druck ist. Bislang pfiff Bahnchef Rüdiger Grube den Chef der Logistiktochter Schenker zurück, als dieser Lang-Lkw auf die Straße setzen wollte, um Güter von A nach B zu transportieren. Grube befürchtete eine Kannibalisierung des Kerngeschäfts. Nun gibt er seinen Widerstand auf.
Seit diesem Monat darf Schenker die von Kritikern Monster Trucks genannten LKW auf zwei Strecken testen. Zunächst gilt die Erlaubnis aus dem Bahntower für „zeitkritische Stückgutladungen“, die man ohnehin nicht per Schiene transportieren könnte, wie es offiziell heißt.
Doch in Wahrheit fürchtet die Bahn wohl, von Wettbewerbern überholt zu werden. Inzwischen haben 54 Unternehmen 140 Lang-LKW angemeldet. Seit 2011 sind solche Feldversuche mit den bis zu 25 Meter langen Lkw, die bis zu 44 Tonnen schwer sein dürfen, auf ausgewählten Strecken und in wenigen Bundesländern erlaubt. Sonst üblich sind eine maximale Länge von 19 Metern und ein Gesamtgewicht von bis zu 40 Tonnen.
Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn
Sparte: Spedition
Deutschland 2002
Wert: 2500 Mio. Euro
Sparte: Spedition
USA 2006
Wert: 1300 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Großbritannien 2007
Wert: 370 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Spanien 2007
Wert: 130 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Spanien 2007
Wert: 150 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Großbritannien 2008
Wert: 170 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Rumänien 2009
Wert: 100 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Polen 2009
Wert: 450 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Großbritannien 2010
Wert: 3000 Mio. Euro
Quelle: Deutsche Bahn
Die Bahn kassiert damit eine Grundsatzentscheidung – und das nicht zum ersten Mal. Wohl kaum ein Unternehmen kann in den vergangenen Jahren auf so viele Strategieschwenks verweisen wie die Deutsche Bahn. Eine Auswahl:
1. Fernbusse: Was passieren kann, wenn man Trends verschläft, zeigt sich am prominentesten auf dem deutschen Fernbusmarkt. Einst war die Deutsche Bahn hier unangefochtener Marktführer, weil sie aus Zeiten der deutschen Teilung über Sonderlizenzen für den Bus-Shuttle nach Berlin verfügte.
2012 liberalisierte die Politik den Markt komplett. Die Deutsche Bahn verlor kontinuierlich Marktanteile – vom Monopolisten zum Nischenanbieter mit einem Marktanteil von sechs Prozent Ende 2015.
Omnibusse galten in der Konzernstrategie bis vergangenes Jahr als mühsames Geschäft mit Mini-Rendite. Doch seit 2015 wurde die Wende eingeleitet. Jetzt will auch die Deutsche Bahn wieder Marktanteile gewinnen – und investiert kräftig in Busse und Strecken.
Umsatzziele, Akquisitionen & WLAN
2. Open Data: Wem gehören die Daten wie Abfahrtszeiten des Fahrplans und Zugverspätungen? Der Deutschen Bahn, sagte lange Zeit die Bahn. Der Konzern drohte jedem Start-up, das sich daran nicht halten und Daten für eigene Zwecke auswerten wollte, mit rechtlichen Konsequenzen.
Doch seit ein paar Jahren hat die Bahn einen fulminanten Strategieschwenk hingelegt: Auf einem Open Data Portal stellt der Konzern inzwischen sämtliche Daten zur Verfügung. Jeder, der will, kann damit neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Unterm Strich, so das nachvollziehbare Credo der Bahn, profitierten die Fahrgäste und damit indirekt die Bahn. Eine weise Entscheidung.
3. Umsatzziel: Ökologischer Vorreiter, Top-Arbeitgeber und eine Verdopplung des Umsatzes hatte Bahnchef Grube vor vier Jahren als Ziele für 2020 ausgerufen.
Vor wenigen Monaten folgte das müde Eingeständnis, dass das so nicht mehr zu erreichen sei. Umwelt-Vorbild und guter Arbeitgeber bleiben zwar weiterhin als Ziele gesetzt, doch die 70 Milliarden Euro Umsatz bis 2020 seien doch zu ambitioniert gewesen, heißt es inzwischen aus den Vorstandsetagen.
Das Ziel wurde kleinlaut abmoderiert. Ein Umsatzziel für 2020 gibt es jetzt nicht mehr.
4. Akquisitionen: Die Sache mit der Stärkung des heimischen Brot- und Buttergeschäfts wird irgendwann schwierig, wenn die Schwerpunkte vor allem auf globalem Wachstum und dem Zukauf ausländischer Töchter liegen. 2010 kaufte die Deutsche Bahn den britischen Verkehrskonzern Arriva für rund drei Milliarden Euro. In den Jahren zuvor akquirierte die Bahn mehrere Logistikunternehmen wie BAX aus den USA und Stinnes aus Deutschland. Heute weiß man: So eine Einkaufstour im Ausland ist teuer und bindet Ressourcen. Deshalb folgt nun der Teilverkauf der Töchter Arriva und Schenker Logistics. Bis zu 45 Prozent beider Töchter will die Deutsche Bahn über die Börse verkaufen. Das soll mehrere Milliarden Euro in die Konzernkasse einbringen und Spielraum für das Kerngeschäft in Deutschland schaffen.
5. WLAN im Zug: Internetempfang im Zug ist eine schöne Sache. Doch bei der Deutschen Bahn galt WLAN im Zug viele Jahre als ein Thema nachstehender Priorität. Stattdessen schob der Vorstand die Verantwortung auf die Mobilfunkkonzerne wie die Deutsche Telekom ab. Die seien für die Mobilfunksignale entlang der Bahnstrecke verantwortlich.
Zwar warb die Bahn auf den eigenen Internetseiten schon vor vielen Jahren für das rollende Büro. „Kein anderes Verkehrsmittel bietet so optimale Bedingungen für die Internetzugang wie der ICE“, stand dort geschrieben. Doch als zum Beispiel 2010 die ICE der zweiten Generation grundrenoviert wurden, verzichtete die Bahn auf den Einbau von WLAN-Technik.
2012 kamen dann die Fernbusse. Und der Rest ist Geschichte. Jetzt investiert auch die Bahn. 2016 soll auch im ICE der zweiten Klasse WLAN endlich kostenlos sein.
Personalabbau und Vegetationskontrolle
6. Personalabbau: Ein Konzern, der aus einer Behörde erwächst, startet zwangsläufig mit einem Überbau an Personal. So war es nur folgerichtig, die Aktiengesellschaft nach der Bahnreform 1994 zurecht zu stutzen. Die Politik stattete die Bahn mit einer Mission aus: Sie sollte Gewinne erwirtschaften und bald an die Börse.
Anteil pünktlicher Züge der Deutschen Bahn im Personenverkehr
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,1 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,1 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 81,6 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 93,2 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,4 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,2 Prozent
Quelle: Deutsche Bahn
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,5 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,1 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 83,2 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 94,0 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,8 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,2 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,1 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,0 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 81,2 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 92,5 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 95,4 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,1 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 94,0 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,9 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 75,2 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 90,6 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 94,5 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,1 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 94,4 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,9 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 76,4 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 91,1 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 94,8 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,1 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 93,3 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,6 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 74,5 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 89,8 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 93,8 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,8 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 92,3 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,3 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 66,9 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 87,3 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 92,9 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,6 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 93,6 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,6 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 69,3 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 87,3 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 94,3 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,9 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 93,2 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,7 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 70,7 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 88,7 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 93,7 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 99,0 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 92 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,5 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 66,5 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 86,4 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 92,6 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,8 Prozent
Bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 91,7 Prozent
Bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,4 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 68,3 Prozent
DB Fernverkehr bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 87,9 Prozent
DB Regio bis maximal 5:59 Minuten Verspätung: 92,2 Prozent
DB Regio bis maximal 15:59 Minuten Verspätung: 98,7 Prozent
Doch selbst als der IPO 2008 wegen der Finanzkrise abgesagt wurde, wurde bei der Anzahl der Beschäftigten weiter kräftig Hand angelegt. Beim Abbau der Stellen für Fahrdienstleiter ging es runter, bis im August 2012 wegen Krankheit und Urlaub am Mainzer Stellwerk der Bahnbetrieb in der Region und teilweise in ganz Deutschland lahm lag.
Seitdem stellt die Bahn wieder mehr Leute ein. Und es läuft.
7. Vegetationskontrolle: Wenn es stürmt und schneit und herunter gefallene Äste den Zugverkehr ausbremsen, steht ein Nischenthema wieder im medialen Fokus: der Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern entlang der Schienen.
Bislang beharrte die Bahn auf ihrem Standpunkt, die Vegetation optimal zurück geschnitten zu haben. Doch im Zuge des Ende 2015 verkündeten Reformprogramms „Zukunft Bahn“ steht der so genannte „V-Schnitt“ plötzlich ganz oben auf der Agenda.
Die Bahn räumt kleinlaut ein: „Auf die zahlreichen Streckensperrungen der vergangenen zwei Jahre durch unwetterbedingt umgestürzte Bäume reagiert die Bahn mit einer verbesserten Vegetationskontrolle.“ Dazu seien Hot Spots identifiziert und der Rückschnitt erweitert worden. „Verspätungen und Ausfälle sollen so ebenfalls deutlich reduziert werden.“