Der Billigflieger Ryanair hat eine Liste aller gestrichenen Flüge der kommenden Wochen auf seiner Webseite veröffentlicht. Betroffene Passagiere würden zudem per Email über die Streichungen benachrichtigt, teilte das Unternehmen in der Nacht zum Dienstag mit.
Wird ein Flug abgesagt, können Ryanair-Kunden demnach entweder eine Rückerstattung beantragen oder kostenlos auf einen anderen verfügbaren Flug umbuchen. Am Dienstag sind allein sechs Flüge von und nach Deutschland betroffen – auf den Strecken Nürnberg-Mailand, Köln-Mailand sowie Berlin-Dublin.
Ryanair hatte am Freitag angekündigt, bis Ende Oktober täglich bis zu 50 ihrer mehr als 2500 Flüge abzusagen. Dies wären insgesamt rund 2000 Verbindungen. Das werde aber für weniger als zwei Prozent der Kunden Auswirkungen haben, hieß es. Mit der Maßnahme will das Unternehmen nach eigenen Angaben seine Pünktlichkeit verbessern. Zudem müssten Urlaubsansprüche der Crews berücksichtigt werden.
Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte am Montag eingeräumt, die Streichungen würden dem Ruf seines Unternehmens schaden und inklusive Entschädigungen Kosten von rund 25 Millionen Euro nach sich ziehen. Analysten hielten knapp 35 Millionen Euro für wahrscheinlicher. Zudem wies O'Leary Spekulationen zurück, die Streichungen hingen damit zusammen, das zahlreiche Piloten gekündigt hätten. Der Rivale Norwegian Air hatte erklärt, er habe seit Jahresbeginn 140 Piloten von Ryanair abgeworben.
Pokert Ryanair um Air-Berlin-Slots?
Ein Branchenexperte äußerte aber Zweifel an dieser Version. Nach der Einschätzung des Luftverkehrsexperten Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne bereite sich Ryanair auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss. "Im Fall eines vorzeitigen 'Groundings' der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden", sagte Wissel der Deutschen Presse-Agentur. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben.
Unklar ist, wie wahrscheinlich das von Wissel gezeichnete Szenario ist. Ryanair hatte sich Ende August aus dem Bieterrennen verabschiedet – O'Leary hatte damals ein Komplott der Bundesregierung und der Lufthansa gewittert.
Das Ryanair-Rezept
Geiz ist gut – auch wenn er schon fast peinlich ist. Büromaterial kann man bei Geschäftspartnern mitnehmen.
Nur Verlierer nehmen Rücksicht. Was nicht verboten ist, ist erlaubt – bei Mitarbeitern und Kunden.
Nutze deine Macht im Wettbewerb und wachse schnell. Will dich einer stoppen, klage sofort.
Verdiene Geld, wo immer du kannst. Was nichts bringt, stelle möglichst schnell wieder ein.
Suche selbst nach neuen Geschäften – bevor dich ein Wettbewerber damit überrascht.
Egal ob ein Taktik oder echtes Problem: Ausgestanden ist der Fall mit der Veröffentlichung der Liste noch nicht. Nach einschlägigen EU-Regeln aus dem Jahr 2004 müssen Fluglinien ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor Abflug über eine Streichung informieren. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Passagieren eine neue Verbindung anbieten. Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung.
Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädigen, wie die EU-Kommission klarstellte. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte ein Sprecher. Für die Durchsetzung der Rechte zuständig seien aber nationale Behörden, in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig.
Air Berlin: Das Ringen um die Flughafen-Slots
Die Start- und Landerechte an deutschen Flughäfen, im Branchenjargon "Slots" genannt, sind das, was die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin für ihre Konkurrenten so begehrt macht. Vor allem in Berlin und Düsseldorf verfügt sie über viele attraktive dieser "Zeitnischen" für Flugzeug-Starts und Landungen, wie sie im Amtsdeutsch offiziell heißen. Doch die Slots lassen sich nicht ohne Weiteres an eine andere Airline wie die Lufthansa weiterreichen.
Geregelt ist die Vergabe der Start- und Landerechte in einer EU-Verordnung. Sie können eigentlich weder gekauft noch verkauft werden - einzige Ausnahme: der Londoner Flughafen Heathrow. In Deutschland werden die Slots für die 16 internationalen Airports von Frankfurt bis Erfurt von Flughafenkoordinator Armin Obert für jedes Jahr neu zugewiesen. Er sitzt mit seinem Team am Frankfurter Flughafen und untersteht nur dem Bundesverkehrsministerium.
Quelle: dpa
Um ihre Slots zu behalten, müssen Fluggesellschaften sie in einer Saison (Sommer und Winter) mindestens zu 80 Prozent genutzt haben. Bei einer Einstellung des Flugbetriebs droht Air Berlin die Rechte also zu verlieren. Werden sie neu verteilt, gehen 50 Prozent an Airlines, die vom jeweiligen Flughafen bereits abfliegen, der Rest an Neubewerber. Das wäre vorteilhaft für Rivalen wie Easyjet und Ryanair, die dann damit rechnen könnten, dass ihnen Slots zufielen, ohne dass sie Personal von Air Berlin übernehmen müssten.
Von einem Unternehmen auf ein anderes können Slots nur dann übertragen werden, wenn sie damit entweder innerhalb eines Konzerns bleiben (also etwa von Lufthansa auf Eurowings), wenn eine Fluggesellschaft mehrheitlich übernommen wird oder "bei vollständigen oder teilweisen Übernahmen, wenn die übertragenen Zeitnischen direkt mit dem übernommenen Luftfahrtunternehmen verbunden sind", wie es in der Verordnung heißt.
Das könnte bei Air Berlin zum Streitpunkt werden. Denn insolvente Unternehmen werden normalerweise nicht als Ganzes erworben ("share deal"), weil der Käufer dann auch die Schulden übernehmen müsste. Der Käufer erwirbt vielmehr die Bestandteile einzeln ("asset deal") und packt sie in eine neu gegründete, schuldenfreie Gesellschaft. Ob das übernommene Paket ausreicht, um die Slots zu behalten, entscheidet der Flughafenkoordinator. Bei der österreichischen Tochter Niki besteht das Problem nicht. Sie ist nicht insolvent und kann damit als Ganzes verkauft werden.
Air Berlin und die beteiligten Insolvenzexperten gehen davon aus, dass sich die Slots wirksam übertragen lassen. Vor allem mit dem Erlös daraus soll der 150-Millionen-Euro-Kredit getilgt werden, den die Bundesregierung gewährt hat, um Air Berlin in der Luft zu halten. Sie standen zuletzt mit 80 Millionen Euro in der Bilanz von Air Berlin.
Nach einschlägigen EU-Regeln aus dem Jahr 2004 müssen Fluglinien ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor Abflug über eine Streichung informieren. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Passagieren eine neue Verbindung anbieten. Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung.
Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädigen, wie die Kommission klarstellte. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte der Sprecher. Für die Durchsetzung der Rechte zuständig seien aber nationale Behörden, in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig.
Ryanair hatte in den vergangenen Jahren an der Verbesserung seiner Reputation gearbeitet. Zuvor hatte die Airline im Ruf gestanden, ihre Kunden schlecht zu behandeln. O'Leary sagte, die Streichungen seien natürlich "ein Schlamassel". Zwar seien 40 bis 50 gekappte Flügen pro Tag angesichts der täglich durchgeführten 2500 Ryanair-Flüge eher wenig. Das schmälere aber nicht die Unannehmlichkeiten, die man den Kunden bereitet habe. Jeder Fluggast, der einen Anspruch auf Entschädigung habe, werde diese erhalten.
Die EU-Kommission erklärte, in Europa tätige Airlines müssten die hiesigen Regeln beachten. Passagiere hätten bei Flugabsagen umfassende Rechte. So stünde ihnen etwa eine Entschädigung zu, wenn sie weniger als zwei Wochen im voraus informiert würden. Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, muss eine Airline Kunden, die einen Flug über maximal 1500 Kilometern gebucht haben, 250 Euro Entschädigung zahlen, wenn die Frist nicht eingehalten wurde. Bei längeren Flügen innerhalb der EU sind es 400 Euro.