Vor acht Jahren transportierten die Güterzüge der Deutschen Bahn rechnerisch 90 Milliarden Tonnen je einen Kilometer.
2017 sollen es laut interner Planung 65 Milliarden Tonnenkilometer sein, rund 25 Prozent weniger. Die Bahn hat ihr Kerngeschäft nicht im Griff, die Politik ließ das Management gewähren. Druck machen nun die Arbeitnehmer. „Wir haben den Vorstand aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die das Wachstum ankurbeln“, sagt Jörg Hensel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei der Gütersparte und Bahn-Aufsichtsrat. Nach Diskussionen im Kontrollgremium muss der Vorstand die Vorschläge nun ernsthaft prüfen. Hauptkritikpunkt der Arbeitnehmer ist die Reduzierung des Angebots im Schienengüterverkehr. Die Bahn „darf sich nicht weiter aus der Fläche zurückziehen“, so Hensel. Der Druck wirkt: Inzwischen ist Ottenhöfen zunächst von der Streichliste gestrichen. Wibo-Chef Striebel berichtet von neuen „konstruktiven Gesprächen“ mit DB Cargo.
Die Bahn ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das einzelne Container einsammelt und auf Waggons zu Zügen koppelt. Der Aufwand ist groß und rechnet sich nur bei großer Menge. Sechs Jahre lang sah Grube zu, wie das Geschäft immer schlechter lief. Nun soll Ex-Siemens-Manager Jürgen Wilder – ein Fachfremder – den Turnaround schaffen. Die Pünktlichkeit der Güterzüge liegt bei 74 Prozent. Lokführer verlieren fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit, etwa weil sie auf Waggons warten müssen. Statt automatisch wie in den USA kuppeln deutsche Rangierer von Hand und mit Haken an den Waggons.
Fehler 3: Wilde Zukäufe
Mehdorn und Grube kauften für mehr als sechs Milliarden Euro Unternehmen. Doch die größten Töchter, der britische Bus- und Bahnbetreiber Arriva und die Spedition Schenker, zehren an der Substanz. „Arriva und Schenker haben ihre Kapitalkosten noch nie verdient“, sagt Experte Böttger. Zudem liege ihre Profitabilität „deutlich unter der der meisten Wettbewerber“. Vor allem die Behauptung Mehdorns, Logistik und Güterbahn könnten sich gegenseitig stärken, erwies sich als falsch. 2015 kaufte Schenker ein Transportvolumen auf Güterzügen der Bahn im Wert von 230 Millionen Euro, im Gegenzug orderte DB Cargo bei Schenker Transporte im Wert von 30 Millionen Euro. Das entspricht lächerlichen 1,2 Prozent des Umsatzes beider Töchter.
Das weiß auch Bahn-Chef Grube, der deshalb bis zu 45 Prozent von Schenker und Arriva wieder verkaufen will. Pakete von Arriva bringt die Bahn wohl 2017 an die Börse, Schenker folgt später. Die Teilverkäufe sollen bis zu 4,5 Milliarden Euro einbringen, hofft die Bahn. Zwei Drittel davon sollen in den Abbau von Schulden fließen. Nur so ließe sich verhindern, dass die Nettoverschuldung auf über 19 Milliarden Euro steigt. Als Grube 2009 den Chefposten übernahm, lag die erst bei 15 Milliarden Euro.
Fehler 4: Entflechtung blockiert
Lange hatte die Europäische Kommission dafür gekämpft, Schienennetz und Transportgesellschaften zu entflechten. Am Ende siegten jedoch Bahn-Chef Grube und seine Kollegen von den anderen Eisenbahngesellschaften in der EU. Integrierte Konzerne bleiben weiter möglich. Die Deutsche Bahn darf also das Schienennetz betreiben und gleichzeitig Züge darauf fahren lassen.
Die enge Verflechtung ist jedoch immer die zweitbeste Lösung. Ausnutzung von Marktmacht ist programmiert, Kontrollbehörden müssen dem Konzern auf die Finger schauen. Zuletzt rüffelte etwa das Kartellamt die unlauteren Vertriebspraktiken in den Bahnhöfen. Böttger ist deshalb für eine Trennung: Züge für die Bahn, Eisenbahninfrastruktur wie Gleise und Bahnhöfe „verbleiben vollständig im Eigentum des Bundes“. So wären politische Trassenpreise und Maßnahmen möglich, die den Wettbewerb ankurbeln. Die große Koalition lehnt das ab, Grüne und FDP sind dafür. Die Trennung von Gleisbetrieb und Zügen scheint eine Aufgabe für die nächste Legislatur.