Insolvenzverwalter-Ranking Den Pleitekönigen drohen harte Zeiten

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Wirtschaftsprüfer liebäugeln mit Einstieg ins Insolvenzgeschäft

Laut der Analyse der STP-Experten wurden seither in 715 Fällen Esug-Eigenverwaltungen gestartet – zum Leidwesen vieler Insolvenzverwalter. Als sogenannte Sachwalter begleiten sie die meisten Rettungsmissionen lediglich als eine Art Ein-Mann-Aufsichtsrat. Die eigentliche Arbeit übernimmt derweil ein vom Unternehmen angeheuerter Sanierungsmanager.

Hier Fuß zu fassen wird für Verwalter zusehends schwieriger. Längst mischen Unternehmensberater im Restrukturierungsgetümmel mit. Auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie EY haben das Geschäft entdeckt. „In Einzelfällen können unsere Mitarbeiter künftig auch die Position eines Sanierungsgeschäftsführers oder -vorstands übernehmen“, kündigt EY-Partner Bernd Richter an.

Zwar bestreiten die großen Prüfgesellschaften weiter gehende Ambitionen. Doch Gerüchte, die sogenannten Big Four – EY, KPMG, PwC und Deloitte – würden mit einem Einstieg ins klassische Insolvenzgeschäft liebäugeln, halten sich in der Branche hartnäckig.

Die spektakulärsten Pleiten 2014
Stadtwerke GeraWas bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist im Sommer 2014 erstmals eingetreten: In Gera, der mit 95.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der schon das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt seither auf eine Sanierung der Stadtwerke, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Busse und Bahnen fuhren zwar unverändert weiter, aber Jaffé arbeitete Sparkonzepte aus, um den Zuschussbedarf für den Betrieb zu senken. Außerdem lotet er den Einstieg privatwirtschaftlicher Investoren aus und plant den Verkauf von Anteilen an einer Wohnungsbaugesellschaft. Die Folgen der Pleite reichen indes weit über die Grenzen von Gera hinaus. Auch in andere Kommunen ist die Schuldenlast drückend, gelten Insolvenzen städtischer Tochtergesellschaften nach Gera-Exempel nicht mehr als ausgeschlossen. Damit könnten zugleich aber auch Fragen nach der Absicherung und Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten an öffentliche Unternehmen auf die Agenda rücken. Quelle: dpa
Burger King GmbHNach monatelangen Querelen reichte im Dezember der größte Betreiber von Burger King Restaurants in Deutschland einen Insolvenzantrag ein. 89 Schnellrestaurants mit 3000 Mitarbeitern sind betroffen. Sie hatten schon im November schließen müssen,  nachdem die Burger-King-Zentrale dem Franchisenehmer Yi-Ko nach Schlagzeilen um Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen fristlos gekündigt hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Odebrecht erreichte eine schnelle Einigung mit Burger King und die Wiedereröffnung der Restaurants. Die insolvente Gesellschaft soll nun verkauft werden.   Quelle: dpa
ProkonDie Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon war nicht nur ein Schock für die Beschäftigten. Betroffen waren auch rund 74.000 Anleger, die insgesamt 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten. Sie werden nach Angaben von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wohl rund die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals verlieren. Penzlin will Prokon über ein Insolvenzplanverfahren sanieren und sondiert derzeit die Möglichkeit, den Konzern als Genossenschaft weiter zu führen. Quelle: dpa
WeltbildEine Debatte um erotische und esoterische Literatur stürzte das Verlagshaus Weltbild ab 2011 in eine tiefe Krise. Weltbild geriet ins Abseits, dann drehte die Kirche den Geldhahn zu. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden. Für die Beschäftigten begann ein Jahr der Ungewissheit: Ein interessierter Käufer sprang kurz vor einem Vertragsabschluss wieder ab. Doch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz konnte einen neuen Kaufkandidaten aus dem Hut zaubern: Im Sommer übernahm die Düsseldorfer Droege Group den Verlag und kündigte weiteren Jobabbau an. Knapp ein Drittel der einst mehr als 3500 Stellen war zu diesem Zeitpunkt bereits weggefallen. Quelle: dpa
MS DeutschlandDie finanzielle Havarie der als ZDF-„Traumschiff“ bekannten MS Deutschland wurde im Oktober offenkundig. Die Geschäftsführung der MS-Deutschland-Beteiligungsgesellschaft stellte beim Amtsgericht Eutin Insolvenzantrag. Auf dem Schiff lasten Schulden von rund 56 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Anleiheschulden und drei Millionen Euro Zinsen. Wie viel die Anleger davon wiedersehen werden, hängt vom Verkaufserlös des Schiffes ab, den der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber erzielen kann. Quelle: dpa
MifaMifa, der größte deutsche Fahrradhersteller meldete Ende September Insolvenz an. Zuvor war eine Vereinbarung mit der indischen Hero Cycles gescheitert. Hero sollte eigentlich mit mindestens 15 Millionen Euro bei dem Unternehmen einsteigen. Zuletzt machte Mifa 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem kamen Fehler in der Bilanzierung ans Licht. So wurde Investoren 2012 und 2013 ein profitables Geschäft vorgegaukelt, das es so nie gegeben hat. Die Insolvenz trifft auch Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer. Statt ihm steuert nun Insolvenzverwalter Lucas Flöther das Unternehmen. Quelle: dpa
StrenesseDer Nördlinger Modehersteller Strenesse stellte im April einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Grund für den Schritt waren drückende Altlasten, die die Sanierung des Unternehmens behinderten wie der Strenesse-Vorstand erklärte. Seither mühen sich Sanierungsexperte Michael Pluta und der Sachwalter Jörg Nerlich um die Rettung des Modeunternehmens. Von der Insolvenz sind mehr als 350 Beschäftigte betroffen. Quelle: dpa

Weniger Verfahren, geringere Vergütungen, neue Konkurrenz – lange Zeit hielten sich die größeren Insolvenzkanzleien mit der Abwicklung von Altfällen über Wasser und setzten darauf, dass die Sterberate der Unternehmen wieder anzieht. Inzwischen hätten etliche Büros ihre Reserven jedoch aufgebraucht, sagt der Düsseldorfer Verwalter Andres. 2015 werde daher „ein Schicksalsjahr für die Branche“.

Schon beginnt sich der Markt zu lichten. In einem denkwürdigen Schreiben verabschiedete sich im Herbst 2014 etwa der Krefelder Insolvenzrechtler Wilhelm Klaas aus dem Routinedienst. Er wolle sich lieber auf seine ab 2020 geplante Weltumseglung vorbereiten, als „in einer Vielzahl von Kleinverfahren Nordrhein-Westfalen zu bereisen, um unterm Strich allenfalls Geld zu tauschen“, ließ Klaas die Insolvenzrichter seines Sprengels wissen. Für Jobs als Sachwalter, Sanierer oder für „Projektmandate“ werde er jedoch weiter einen „kleinen, schlagfertigen Insolvenzkanzleiapparat“ vorhalten.

Die führenden Insolvenzverwalter 2014

Andere Kanzleivorsteher loten Zusammenschlüsse mit Konkurrenten aus oder setzen stärker auf das Beratungsgeschäft. Frank Kebekus, Sprecher des Gravenbrucher Kreises, der wichtigsten Vereinigung von überregional tätigen Verwaltern, sieht den Markt vor einer regelrechten „Konsolidierungswelle“.

Den Auftakt machte im Januar das Frankfurter Verwalterurgestein Ottmar Hermann, der einst etwa den Baukonzern Holzmann und die Kaufhauskette Woolworth betreute. Seine Kanzlei fusionierte mit der Berliner Wirtschaftssozietät hww.

In dem neuen Verbund arbeiten nun rund 400 Mitarbeiter in 24 deutschen Städten. Im Verwalter-Ranking würden Hermann und hww zusammen auf Platz vier rangieren. Hww-Partner Rüdiger Wienberg geht davon aus, dass der Fusion weitere folgen. Am Ende der Entwicklung könnten „fünf oder sechs große Player“ das Geschäft dominieren und die wichtigen Verfahren bearbeiten, erwartet Wienberg.

Für den großen Rest könnte es im Verwalter-Slang dann schnell heißen: Fortführungsprognose negativ.

Auf den nachfolgenden Seiten finden Sie die Übersicht der besten Insolvenzkanzleien und -verwalter in Tabellen:

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