Kartellamt will mehr Wettbewerb im Netz Taskforce gegen Amazon, Booking und Co

Das Bundeskartellamt nimmt sich den Wettbewerb im Netz vor: Die Behörde will kleine Onlinehändler vor Giganten wie Amazon, Zalando und Booking.com schützen - zum Beispiel, in dem sie gegen Bestpreisklauseln vorgeht.

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Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, will mit für mehr Wettbewerb im Internet kämpfen. Quelle: dpa

Andreas Mundt ist keiner, der Herausforderungen scheut. Für das kommende Jahr hat sich der Präsident des Bundeskartellamts eine besonders schwierige Aufgabe gestellt: Die Bonner Behörde soll für mehr Chancengleichheit im Netz sorgen. „Wir müssen den Markt offenhalten und dafür sorgen, dass auch kleinere Händler im Netz gefunden werden“, sagte Mundt in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Eine eigene Taskforce Digital soll sich mit dem Thema beschäftigen und Rechtsänderungen anstoßen, wenn nötig.

Das Kartellamt sieht es mit Sorge, dass Online-Giganten wie Google, das Online-Kaufhaus Amazon oder Buchungsplattformen wie Booking.com ihre Marktanteile - und auch ihre Marktmacht - rapide steigern. „Die Vertriebsbedingungen einiger Hersteller benachteiligen die kleinen Händler, indem sie ihnen Angebote über wichtiger Suchportale im Netz untersagen“, erklärte Mundt.

Die größten Kartelle

Die großen Internetportale müssen das als Kampfansage deuten. In diesem Jahr nahm das Amt deshalb bereits den Sportschuhhersteller Asics ins Visier. Der hatte es seinen Händlern verboten, Asics-Schuhe über Kanäle wie Ebay oder Amazon zu verkaufen oder sich bei Preisvergleichsportalen einzutragen. Nach der Entscheidung des Kartellamts änderte Asics seine Vertriebsbedingungen.

Das Kartellamt kämpft außerdem gegen sogenannte Bestpreisklauseln von Internetportalen, sagte Mundt. So habe die Behörde dem Hotelbuchungsportal HRS Auflagen für seine Teilnehmer untersagt, nach denen die Zimmer nirgendwo - auch nicht an der Rezeption - günstiger angeboten werden dürfen als über das Portal. Ein ähnliches Verfahren gegen den HRS-Konkurrenten Booking.com laufe noch. Außerdem sei das Kartellamt gegen Bestpreis-Auflagen bei Amazon vorgegangen. Auch andere europäische Kartellbehörden haben die Unternehmen bereits wegen ihrer Preisklauseln abgemahnt.

Insgesamt hat die Behörde 2015 nach Mundts Worten in elf Kartellfällen Bußgelder von rund 190 Millionen Euro gegen 37 Unternehmen und 24 Privatpersonen - meist Firmenmanager - verhängt. Das ist allerdings wesentlich weniger als im vergangenen Jahr: Mehr als eine Milliarde Bußgelder hatte die Behörde im Rekordjahr 2014 verhängt. Mehr als 300 Millionen Euro mussten die beteiligten Unternehmen des Zucker-, Bier- und Wurst-Kartells zahlen. In diesem Jahr lag das Rekordbußgeld hingegen nur bei 75 Millionen Euro. Verhängt hatte das Kartellamt die Strafe gegen fünf Autozulieferer, die Preisabsprachen bei Fußmatten und Motorraumschalldämpfungen getroffen hatten.

Nach diesem Rekordjahr sei das Amt nun wieder bei der Normalität angekommen, sagte Mundt. Mit den Bußgeldern will das Kartellamt unerlaubte Preisabsprachen zu Lasten der Verbraucher verhindern. Nach wissenschaftlichen Studien führen Kartelle zu Preisaufschlägen von im Schnitt 10 bis 15 Prozent und damit zu einem hohen Milliardenschaden.

Unternehmen tricksen bei den Bußgeldern

Die seit einigen Jahren verschärfte Kartellverfolgung mit Kronzeugenregelung und seit 2012 auch anonymen Hinweisgebern zeige Wirkung, sagte Mundt. „Am Anfang gab es viel Unverständnis, jetzt gibt es bereits gute Compliance-Programme bei vielen Firmen.“ Trotzdem sei natürlich auch 2016 mit neuen Verfahren zu rechnen. Im ablaufenden Jahr hatte das Kartellamt wegen Verdachtsfällen 88 Unternehmen durchsuchen lassen. Im Fokus standen dabei unter anderem Hersteller von Metallverpackungen, Edelstahlproduzenten und Fernsehstudios. Für solche Durchsuchungen lägen die Schwellen hoch, versicherte Mundt: „Ein einzelner anonymer Hinweis reicht da sicher nicht.“

Fusionen wurden wie in den Vorjahren vom Kartellamt meist genehmigt: Bei rund 1100 angemeldeten Zusammenschlüssen gab es nur ein Verbot sowie eine Erlaubnis mit Auflagen. Der Verbotsfall ist die Fusion von Edeka und Kaisers Tengelmann (KT). Die Übernahme der rund 450 KT-Filialen durch den Handelsriesen Edeka hatte die Behörde im Frühjahr 2015 verboten, dagegen haben die Unternehmen eine Ministererlaubnis beantragt.
Falls die Fusion dadurch letztlich doch genehmigt werden sollte, sei das keineswegs eine „Ohrfeige für das Bundeskartellamt“, sagte Mundt. Der Wirtschaftsminister prüfe nach völlig anderen Kriterien als die Kartellbehörde und berücksichtige dabei beispielsweise verstärkt gesamtwirtschaftliche Interessen und den Arbeitsplatzerhalt. Die Entscheidung wird 2016 erwartet.
Im neuen Jahr hofft Mundt auch auf eine Gesetzesänderung, um Bußgeld-Tricksereien von großen Unternehmen so schnell wie möglich einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben. „Wir sind auf einem guten Weg, ich rechne damit, dass wir die Gesetzesnovelle im nächsten Jahr bekommen“, sagte er. Konzerne können sich nach deutschem Recht bislang so geschickt umstrukturieren, dass ein bestraftes Unternehmen nur noch als leere Hülle übrig bleibt und sich so um die Zahlung drücken kann.

„Wir wünschen uns eine Lösung, die nah am europäischen Recht liegt“, sagte Mundt. Dann böten Umstrukturierungen keine Schlupflöcher mehr. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinkommen. Teilweise geht es um hohe Bußgelder.“ In der Vergangenheit waren der Behörde nach früheren Angaben schon Bußgelder von mehr als 80 Millionen Euro verloren gegangen. Ohne eine gesetzliche Neuregelung fürchtet die Behörde, mehrere Hundert Millionen Euro an verhängten Strafen nicht vollstrecken zu können.

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