Lieferando, Lieferheld, Foodora Beißen Lieferdienste die Hand, die sie füttert?

Online-Essenslieferdienste erobern Deutschland. Noch profitieren viele Restaurants stark von dem Boom. Doch das könnte bald vorbei sein, wie erste Beispiele in der Gastronomie-Branche zeigen.

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Foodora, Deliveroo und Co. üben hohen Druck auf die Gastronomie aus. Quelle: dpa Picture-Alliance

Irgendwann wurde es Karl Maria Kinsky buchstäblich zu bunt. Irgendwann, erzählt der Berliner Gastronom, stand nicht nur ein Kurier eines Online-Lieferdienstes in seinem Restaurant „Black Cat“. Es waren gleichzeitig zwei, drei, gar vier bis fünf Fahrer der Anbieter Foodora und Deliveroo, die sich in seinem Lokal tummelten: Die einen gekleidet in knallig pinken T-Shirts, die anderen in mintgrüner Montur, auf dem Rücken jeweils klobige, pinke oder mintgrüne Rucksäcke.

Viele Restaurant-Besucher, erzählt Kinsky, empfanden die herumstrolchenden Fahrer als störend. „Die Gäste wollten ja in Ruhe essen.“ Der Berliner Gastronom musste etwas unternehmen.

Die Kuriere-Geschichte aus dem „Black Cat“ ist ein Symptom für das, was sich gerade in der ganzen Republik ereignet: Online-Lieferdienste rollen die deutsche Restaurant-Szene auf. Deliveroo und Foodora, indem sie die Speisen mit eigenen Fahrern ausliefern. Die beiden anderen Player, Lieferheld und Lieferando, indem sie Bestellungen im Netz an Restaurants vermitteln, die bereits eigene Kuriere beschäftigen.

So ungesund leben die Deutschen
Knapp zwei Drittel der Bundesbürger (63 Prozent) schätzen ihren Gesundheitszustand als gut oder sogar sehr gut ein. Aber nur wenige leben rundum gesund. Die meisten bewegen sich zu wenig, essen übermäßig und zu unausgewogen, rauchen und trinken immer noch zu viel oder können mit Stress nicht richtig umgehen. Die DKV Deutsche Krankenversicherung untersuchte für ihren DKV-Report 2016 diese Faktoren - Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden - zum vierten Mal seit 2010 und stellte fest, dass die Daten sogar noch schlechter geworden sind. Waren es 2010 noch 14 Prozent der Befragten, die in allen Bereichen gut abschnitten, sind es 2016 nur noch 11 Prozent. Quelle: Fotolia
Welche Faktoren haben sich seit 2010 verschlechtert?Die Deutschen haben in der Zeit durchaus gelernt, besser mit Stress umzugehen, und sie achten auch etwas mehr auf ausgewogene Ernährung. Wesentlicher Faktor für die Verschlechterung ist zu viel Sitzen und - im Umkehrschluss - zu wenig Bewegung. „Wer länger sitzt, hat ein höheres Risiko, früher zu sterben“, warnt Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln, der die Befragung leitete. Im Schnitt sitzen die Deutschen an Werktagen sieben Stunden am Tag, am häufigsten bei der Arbeit, aber auch vor Fernseher oder Computer. „Schreibtischarbeiter“ sitzen insgesamt sogar elf Stunden. Quelle: Fotolia
Was kann gegen zu viel Sitzen im Büro getan werden?Sitzen ist im Grunde eine Gewohnheitssache. Der Mensch neigt dazu, sich bei jeder Gelegenheit hinzusetzen. Man kann den Sitz- und Bewegungsalltag im Büro trotz Arbeitsbelastung und Zeitdruck durchaus unterbrechen: Treppen statt Aufzug, Stehpult, kurze Gehpausen, Meetings im Stehen. Möglichst dreimal pro Stunde sollte man aufstehen. Quelle: Fotolia
Gibt es soziale Unterschiede beim Gesundleben?Ja. Von den Menschen mit Hauptschulabschluss erreichen nur sieben Prozent eine gesundheitsförderliche Lebensweise, bei Mittlerer Reife und Abitur sind es 12 beziehungsweise 13 Prozent und bei Menschen mit Studium sind es 10. Hier wird dann aber auch deutlich: je höher der Bildungsabschluss ist, um so länger sitzen die Menschen. Interessant ist auch, dass bei den 18- bis 29-Jährigen nur 5 Prozent einen ausgeglichenen Lebenswandel pflegen. Bei den 30- bis 45-Jährigen sind es 10 Prozent, bei den 46- bis 65-Jährigen 12 Prozent und ab 66 sogar 14 Prozent. Mit zunehmendem Alter wird ein gesundheitsfördernder Lebensstil angestrebt. Übrigens: Hundebesitzer leben gesünder. 16 Prozent der Befragten besitzen einen Hund. 14 Prozent von ihnen leben rundum gesund. Vor allem, weil sie sich viel bewegen. Quelle: dpa
Gibt es Geschlechterunterschiede?Frauen sind das gesundheitsbewusstere Geschlecht. Sie liegen bei fast allen Gesundheitsfaktoren vorne. Aber: Männer (47 Prozent) bewegen sich etwas mehr als Frauen (44 Prozent). Quelle: gms
Wo lebt man in Deutschland am gesündesten?In Mecklenburg-Vorpommern gibt es den höchsten Anteil von Menschen, die rundum gesund leben. 19 Prozent von ihnen „bewegen sich ausreichend, essen ausgewogen, rauchen nicht, trinken wenig Alkohol und haben kein Problem mit Stress“. Weshalb Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren an der Spitze liegt, weiß man noch nicht so richtig - vielleicht ist es die Seeluft. Allerdings sind viele junge Menschen aus dem Bundesland weggezogen. Der Altersdurchschnitt ist relativ hoch. Ältere sorgen sich zwar mehr um ihre Gesundheit. Eine alternde Bevölkerung hat aber auch eine höhere Sterblichkeitsrate, erläutert Froböse. Bundesweit leben nach dieser Auswertung etwa 11 Prozent der Menschen in allen Bereichen gesund. Schlusslichter sind Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit jeweils 9 Prozent. In Baden-Württemberg senke vor allem eine unausgewogene Ernährung das Niveau. Und in Berlin gibt es im Verhältnis die meisten Raucher. Über den allgemeinen Gesundheitszustand oder Einzelfaktoren sagt dieser Vergleich aber nicht unbedingt viel aus. So gibt es andere Studien, die Mecklenburg-Vorpommern etwa beim Stress (Studie der Techniker Krankenkasse von 2013) ganz hinten sehen. Quelle: dpa
Könnten Fitnessarmbänder bei der Gesundheitsüberwachung helfen?Die DKV ist skeptisch. Der Vorstandsvorsitzende der privaten Krankenversicherung, Clemens Muth, erklärte, nach der Umfrage sähen die meisten Menschen keinen Nutzen der heutigen so genannten Wearables am Handgelenk zum Messen von Blutdruck, Herzfrequenz oder Bewegung. Sie seien auch noch zu ungenau, sagt Froböse. Quelle: AP

Mit Verve werfen sich die Unternehmen in den Straßenkampf. Der Markt für Online-Lieferdienst, er ist milliardenschwer – und alle Firmen wollen einen möglichst großen Happen davon abhaben. Zu den Unersättlichen zählt etwa Niklas Östberg, Chef der Foodora-Mutter Delivery Hero, der in der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche ankündigt, das Unternehmen bis Ende des Jahres profitabel machen zu wollen.

Am 30. September ging zudem die Muttergesellschaft von Lieferando an die Börse, die niederländische Takeaway-Gruppe. Sie will mit frischem Kapital ihren Expansionshunger stillen. Schon entbrennt in der Gastronomie eine Diskussion darüber, was beim großen Fressen der pinken und mintgrünen Invasoren eigentlich für die Restaurants übrigbleibt – und wie sich das Problem mit den wartenden Fahrern lösen lässt.

Einer, der eifrig mitdiskutiert, ist Black-Cat-Inhaber Kinsky. Mit seinem Restaurant ist der Österreicher mit Vollbart mittlerweile zum Szene-Gastronomen geworden, mitten im noch szenigeren Berliner Kiez Prenzlauer Berg. Kinsky serviert in seinem Lokal etwa Spareribs in selbst gemachter Barbecue-Marinade, Krautsalat mit veganer Mayonnaise und Hüfte vom irischen Weidevieh mit Meerrettich.

Die Gäste speisen neben mit Kunst verzierten Wänden, Kinsky hat etwa lebensgroße Engel aus einem ehemaligen besetzen Haus aufgehängt, sozusagen sein ganz eigenes Corporate Design, das durch die kreischend bunten Fahrer indes empfindlich gestört wurde.

Der Berliner Gastronom dachte eine Weile nach, bevor er eine Lösung für das Kurier-Problem fand: Er hat ihnen einen extra Warteraum geschaffen. Das klingt zunächst nach viel, vielleicht zu viel Aufwand für ein einziges Restaurant. Aber für Kinsky war es ein ganz logischer Schritt. Sein Restaurant läuft auch wegen der Kuriere so gut.

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