Hat unsere moderne Kommunikation Luxus also verändert?
Luxus tut heute etwas, was vor vierzig Jahren noch absolut tabu war: Luxus spricht über sich selbst. Luxus hat früher nie über sich selbst erzählt, wie großartig er ist. Luxus ließ über sich sprechen – ein wesentlicher Unterschied. Aber der Druck der Konzerne, die zum Luxussegment zählen, ist inzwischen dermaßen hoch, dass man begonnen hat, Luxusprodukte durch massiven Werbedruck in die Märkte zu pressen. Vor einiger Zeit noch unvorstellbar.
Hinzu kommt, wer wachsen will, muss höhere Stückzahlen absetzen. Ein Dilemma, denn was Luxus ausmacht, ist ja die Beschränkung und nicht die unendliche Verfügbarkeit. Alles, was unendlich verfügbar ist, wird nicht mehr als Luxus wahrgenommen.
Wie sich unser Verständnis von Luxus verändert
Nur wenige Begriffe werden so inflationär und so unterschiedlich verwendet, wie der Luxus-Begriff. Die Vorstellung von Luxus ist nicht nur individuell unterschiedlich, sie unterliegt auch einem gesellschaftlichen Wandel. In einem idealtypischen Modell beschriebt das Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut vier Phasen, die den Wandel des nachvollziehbar machen. Das Modell beschreibt einen Reifeprozess, der sich an den Lebensphasen orientiert;
Quelle: Gottlieb-Duttweiler-Institut. „Der nächste Luxus. Was uns in Zukunft lieb und teuer wird.“
Die erste Phase der Luxusentwicklung ist geprägt durch einen großen Konsumhunger, der mit dem was angeboten wird, befriedigt wird. Das vorherrschende Prinzip: „Mehr ist Mehr“. Dies ist vor allem auf aufstrebenden Märkten zu beobachten. Hier herrschen Nachholbedarf und das Verlangen aufzusteigen. Gleichzeitig gibt es ein Defizit.
Sie setzt Solvenz voraus, wird aber dominiert von einem verstärkten Wettbewerbsdruck. Der Traum von einem weiterem Aufstieg weicht der Angst vor einem Abstieg. Nun wird das „Mehr“ zum „Muss“. Güter mit Signalwirkung gewinnen an Bedeutung: Mein Haus, mein Auto, mein Diamantring.
Eine erste Luxusmüdigkeit setzt ein. Die Phase ist geprägt vom abnehmenden Grenznutzen. Die Erkenntnis, dass das Glücksfühl beim Erwerb eines Produkts abnimmt, je öfter und hindernisloser dieser möglich ist, stellt sich ein. Der Luxuskonsum verschiebt sich von der Produkt- auf die Erlebnisebene.
Die Ästhetik des neuen Luxus lässt sich für die Forscher des GDI auf den Begriff der Verschlichterung bringen. Luxuskonsumenten demonstrieren bewusst den Verzicht. Die Fähigkeiten, dass Reduzierte und Essentielle leben, aber lesen zu können rückt in den Vordergrund. Nur wer über materiellen Besitz verfügt, wird sich die Fähigkeiten aneignen können, um die Codes des neuen Luxus zu entziffern.
Also ruiniert sich Luxus selbst, wenn man der hohen Nachfrage nachkommt.
Auf jeden Fall. Der Inbegriff von Luxus ist etwas sehr Wertvolles, das nicht für jeden zu haben ist. Der Deutsche Kaiser im Mittelalter etwa wurde auf seinen Reisen durch das Land an seinen Insignien erkannt. Wären diese Insignien beispielsweise aus Holz gewesen, so hätte sie jeder leicht kopieren können. Sie mussten also aus Materialien bestehen, die schwer zu bekommen sind und diese Materialien mussten zusätzlich so bearbeitet werden, dass nur ganz wenige handwerklich dazu im Stande waren. Es geht also immer um Beschränkung und wenn das nicht gegeben ist, fällt der entscheidende Aspekt für Luxus weg. Es gibt keinen Luxus für die Massen. Das ist ein Widerspruch in sich und funktioniert so nicht.
Zeichnet sich da also ein Wandel der Dinge ab, die für uns Luxus sind?
Im deutschsprachigen Raum ist Luxus privater geworden, unsichtbarer. In Deutschland schmückt man sich öffentlich nicht mehr damit reich zu sein und somit findet das vielfach im Stilleren statt. Insider sehen, dass ein Stoff, eine Verarbeitung oder die Ausstattung besonders wertvoll ist. Man erkennt sich also weiterhin untereinander, aber häufig ist es von außen nicht mehr so leicht wahrzunehmen. Protzige Luxusobjekte scheinen generell an Bedeutung zu verlieren.
Sind etwa exklusive Erlebnisse dann der neue, besser funktionierende Luxus?
Nehmen wir einmal eine Lodge in Kenia, die an einer besonders geschützten Wasserstelle liegt, wo bestimmte Tierherden für eine Woche einmal im Jahr vorbeiziehen, dann bietet diese Woche eine ganz besondere Exklusivität. Das ist entscheidend. Denn man kann heute bereits fast alles kopieren oder gar fälschen. Uhren, Design, Autos… Aber dieses Erlebnis, eine Woche in Afrika, einmal im Jahr, das kann niemand fälschen und diese Einzigartigkeit, zu der nur eine sehr kleine Gruppe überhaupt je Zugang hat, das macht Luxus ja letztendlich aus – und heute mehr denn je.
Was sind heute für Sie dann die unersetzbaren Insignien des Königs?
Das kann eine einsame Insel sein, die kein Mensch betreten darf, oder ein Club, in dem einem nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen der Zugang gewährt wird. Sobald wir etwas unbedingt möchten, dass nur schwer zugänglich oder nur in einer kleinen Stückzahl vorhanden ist, wird es zu Luxus. So kann unberührte Natur zum Luxus werden. Also etwa ein Gebiet im Regenwald zu besuchen, wo noch nie zuvor ein Mensch war. Solche Dinge nehmen einen Stellenwert ein, den wir bislang kaum darin gesehen haben, aber der mehr und mehr unserem Gefühl von Luxus entspricht.