Den Reibach machen vor allem internationale Unterhaltungskonzerne. Denn längst hat das Mittelalter alle Bereiche des Entertainments erobert: Kino, Fernsehen, Bücher, Online-Spiele und Musik.
„Inzwischen gehört der Mittelalterrock zu den Stützen der Musikindustrie“, sagt Thorsten Steer vom Fachmagazin „Musikmarkt“. Bands wie Schandmaul, Subway to Sally oder In Extremo, die zu Gitarren und Schlagzeug gern Instrumente wie Schalmei, Drehleier oder Marktsackpfeife kombinieren, dürften insgesamt geschätzt eine halbe Million Musikfans auf sich vereinen. Ihre Alben verkaufen sich 100.000-fach.
Erst kürzlich wechselte Schandmaul – die sechsköpfige Band reüssiert mit Texten über Könige, Narren, Trinkgelage sowie Trauergesängen („Euch zum Geleit“) – vom kleinen Label F.A.M.E. Artist Recordings zu Universal Music. Subway to Sally und In Extremo stehen dort bereits unter Vertrag.
Für die Musikkonzerne sind die Mittelalterbands ein Glücksgriff: Die Anhänger der Düsterlinge geben mehr und ausdauernder Geld aus als etwa die Fans der Rock- und Popkultur. Hohe Marketingausgaben können sich die Konzerne bei einer so treuen Kundschaft sparen. Der typische Mittelalterfan gönnt sich auch mal eine teure CD statt billiger Downloads, sagt Branchenexperte Steer.
Auch einer anderen bedrohten Branche hilft das Mittelalter ein wenig aus der Bredouille: dem Buchhandel. Mittelalterromane, gerne auch angereichert mit Fantasy-Elementen („Herr der Ringe“, „Das Lied von Eis und Feuer“), zählen zu den Wachstumssegmenten der Branche. Die Reihe der Bestseller ist lang, von der „Pestmagd“ bis zur „Wanderhure“-Reihe. Hinzu kommen Klassiker wie „Die Säulen der Erde“ des Briten Ken Follett über den Bau einer mittelalterlichen Kathedrale, der in Deutschland 3,8 Millionen Exemplare verkaufte.
Der verstorbene Münchner Filmmogul Bernd Eichinger verfilmte bereits 1986 „Der Name der Rose“ nach dem Roman von Umberto Eco. Das Kloster-Epos spielte 77 Millionen Dollar ein, bei geschätzten Produktionskosten von 17 Millionen Dollar. 20 Jahre später gelang Eichinger ein ähnlicher Coup mit „Das Parfüm“ nach dem Roman von Patrick Süskind.
Inzwischen hat sich der Potsdamer Filmproduzent Nico Hofmann, Chef der Bertelsmann-Tochter Ufa Fiction, zum Marktführer für verfilmte Mittelalter-Epen aufgeschwungen: Hofmann verantwortete die Kinoversion des „Medicus“, die Ende 2013 lief (100 Millionen Euro Einnahmen, geschätzte Kosten 26 Millionen Euro), brachte Anfang des Jahres „Die Pilgerin“ ins ZDF und will im Spätherbst dieses Jahres mit „Götz von Berlichingen“ bei RTL punkten.
Längst hat jeder Sender sein Mittelalterdrama im Programm: ProSiebenSat.1 strahlte im Frühjahr die Wikinger-Saga „Vikings“ aus. Auf Sky läuft seit Juni die vierte Staffel von „Game of Thrones“. Die Serie wurde bereits in mehr als 80 Länder auf allen fünf Kontinenten verkauft.
Im Frühjahr 2016 soll „World of Warcraft“ in die Kinos kommen, basierend auf dem gleichnamigen Online-Spiel von 2005. Zu seinen besten Zeiten sorgte das mittelalterliche Rollenspiel des kalifornischen Entwicklers Blizzard mit weltweit zwölf Millionen Spielern für Jahresumsätze von mehr als einer Milliarde Dollar. Heute spielen noch 7,6 Millionen mit.
Stattdessen läuft jetzt „Clash of Clans“ auf den Bildschirmen. Die Spieler verteidigen eine Festung oder attackieren sie – als feindliche Truppen oder Barbaren. Wie bei anderen Rollenspielen, etwa „Baldur’s Gate“ oder „Gothic“, tauchen neben Kriegern mit Schild und Schwert auch Fabelwesen wie Drachen, Zwerge, Elfen oder Trolle auf – inspiriert von Tolkiens „Herr der Ringe“ oder Rollenspiel-Urvater „Dungeons and Dragons“ aus den Siebzigerjahren.
Mit „Clash of Clans“ verdient der finnische Hersteller Supercell mehr als zwei Millionen Dollar – pro Tag. Ende 2013 stieg der japanische Medienriese Softbank beim skandinavischen Shootingstar ein – zum Preis von 1,5 Milliarden Dollar für 51 Prozent. Und das, obwohl die Finnen neben den Clankämpfen bislang nur ein weiteres Spiel veröffentlicht haben. Der Clou: „Clash of Clans“ läuft auf dem Smartphone und ist bald auf 100 Millionen mobilen Endgeräten installiert – für echte Mittelalterfans, die sich in der fernen Epoche ihre Auszeit von der digitalen Welt nehmen, in etwa so authentisch wie ein Palio-Reiter mit Googles Datenbrille.