„Vielen fehlt die kritische Masse. Kunden verlangen heute schon mal, dass eine Beratung rasch weltweit 100 Experten für ein großes Projekt bereitstellt“, sagt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Solche Großaufträge sind lukrativ. Fink schätzt, dass sie bereits etwa 20 Prozent des Geschäfts der Berater ausmachen. Der Rest ist jedoch Kleinkram. Da geht es um Abläufe in der Produktion, sparsameren Einkauf oder die Zusammenlegung verschiedener IT-Systeme.
Hier tummeln sich viele, und es werden immer mehr. PwC und die anderen großen Wirtschaftsprüfer drängen in das Terrain der Berater. Spezialisten wie Simon-Kucher und AlixPartners besetzen Nischen wie Preisgestaltung und Restrukturierung. Selbst aus Schwellenländern drängen Wettbewerber wie die indische Tata Consultancy auf den Weltmarkt. Viele Konzerne haben zudem interne Beratungen aufgebaut, für die sie Consultants abgeworben haben. Bei einzelnen Projekten sind sie ernsthafte Konkurrenz.
Der Markt bleibt attraktiv: Der Branchenumsatz wuchs 2014 um 6,4 Prozent auf rund 25 Milliarden Euro, so Zahlen des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater. Für McKinsey zählt Deutschland zu den wichtigsten Märkten, 163 von weltweit 1350 Partnern arbeiten hier, 27 der 30 Dax-Konzerne sind Kunden. Umsatzzahlen aus einzelnen Ländern meldet die Beratung nicht. Doch der Plan, in diesem Jahr 250 neue Berater einzustellen, gibt ein Indiz dafür, wie es läuft. Es läuft ziemlich gut.
McKinsey-berater sind Nerds, die Autos verkaufen können
Kaum ein Unternehmen betreibt einen vergleichbaren Aufwand bei der Mitarbeitersuche, kaum eines ist so abhängig davon, für die Klügsten und Ehrgeizigsten attraktiv zu sein. Die Personalabteilung beschäftigt 30 Leute, sie bearbeitet jährlich 15.000 Bewerbungen, 1200 Kandidaten dürfen vorsprechen. Fünf Berater entscheiden nach fünf Gesprächen über Zu- oder Absage. Ist einer dagegen, bleibt der Bewerber draußen.
„Gute akademische Leistungen, Praktika, Engagement, analytische Stärke, gutes Zahlenverständnis“, nennt Personalchef Thomas Fritz das formale Profil für Neueinsteiger, die direkt von der Uni kommen. Außerdem sollten Kandidaten „die Mitarbeiter eines Klienten von der Notwendigkeit des Wandels überzeugen“ können. Der typische McKinsey-Berater ist ein Nerd, der Gebrauchtwagen verkaufen kann.
Dabei durfte bei der Beratung früher niemand anfangen, der schon anderswo gearbeitet hatte. Heute sucht McKinsey auch Experten mit fünf bis acht Jahren Berufserfahrung. Sie können Risikomanager sein, Fachleute für Automation in der Industrie, Programmierer. Ihre Kompetenz soll die vorhandene Analysestärke ergänzen. In diesem Jahr sollen 40 Prozent der Neueinsteiger ein berufliches Vorleben haben.
Manager zweifeln an McKinseys neuem Weg
So wie Katja Börtschök. Sieben Jahre hatte sie als Managerin im Marketing für Kosmetik gearbeitet, zuletzt zwei Jahre in China. Doch das reichte ihr nicht. „Ich stand an einer Gabelung meiner Karriere“, sagt die Betriebswirtin. „An der Beratung reizte mich die Arbeitsweise – projektbezogen, problemlösungsorientiert und mit Einblicken in immer neue Themen.“
Bisher hat sie den Schritt nicht bereut. Sie schwärmt von den motivierten Kollegen. Von der intensiven Zusammenarbeit. Von der steilen Lernkurve. Und meint, dass auch die Beratung von ihren Erfahrungen profitiert: „Ich weiß, wie ein Konzern von innen funktioniert, wie man eine Präsentation für den Vorstand vorbereitet, und habe auch schon ein Programm zur Kostensenkung operativ umgesetzt“, sagt Börtschök.
Es ist Expertise, die die Kunden heute nachfragen. Es ist aber auch eine Abkehr von sorgsam gehüteten Glaubenssätzen. So galt bei McKinsey die Devise, dass ein unverstellter Blick Probleme besser erkennt und kreativer löst, dass Intelligenz wichtiger ist als Erfahrung. Puristen bezweifeln denn auch den Erfolg des neuen Wegs. „Experten, die von außen dazukommen, haben schon Abteilungen geleitet und müssen sich nun in Teams integrieren. Wie soll das gehen?“, fragt ein langjähriger McKinsey-Manager.