Henkel gehört zu den deutschen Industrieikonen: 1876 in Düsseldorf gegründet, gehören die Erzeugnisse des Konsumgüterproduzenten zu den bekanntesten Marken im Land. Die weltweit knapp 50.000 Mitarbeiter erzielten mit Wasch- und Reinigungsmitteln wie Persil oder Pril, Haar- und Hautpflegeprodukten wie Schwarzkopf und Fa sowie Klebstoffen für Endverbraucher (Pritt und Pattex) und Industrie (Loctite) 2014 fast 16,5 Milliarden Euro Umsatz.
In vielen Bereichen ist das Unternehmen Marktführer oder gehört zu den weltweit größten Anbietern. Doch diese starke Position muss verteidigt werden – durch kontinuierliche Forschung und Entwicklung, die permanent neue Produktideen fabriziert und gleichzeitig daran arbeitet, bestehende Produkte zu verbessern oder deren Fertigung so zu optimieren, dass die Stückkosten sinken und die Effizienz im Gesamtunternehmen steigt.
Welche Rolle(n) Berater heute spielen
In vielen Unternehmen ist das Branchen-Know-how und Erfahrungswissen vorhanden, um neue Lösungen zu finden. Es muss nur aus den Mitarbeitern herausgekitzelt werden. Als Moderator bereitet der Berater die wesentlichen Arbeitsschritte und Methoden hierfür vor, sorgt für eine strukturierte Diskussion, fördert neue Ansichten, gibt kollektivem Denken eine Struktur und entwickelt gemeinsam mit Management und Mitarbeitern neue Strategien, Organisationsmodelle und Prozesse. Ein guter Moderator ist Organisator, Didaktiker, Trainer, Coach und Sparringspartner des Topmanagements zugleich.
Bei der klassischen Form der Beratung kaufen Unternehmen Fach- und Erfahrungswissen ein, das im Unternehmen selbst nicht vorhanden ist. Seit den Anfängen der Strategieberatung á la McKinsey prägt die Expertenrolle das öffentliche Bild der Beraterbranche. Und so bieten noch heute praktisch alle Beratungsunternehmen diese Rolle an, sehr ausgeprägt auch bei Spezialistenboutiquen zu finden, die sich auf ein Fachgebiet (z.B. Einkauf oder Controlling) oder eine Branche (z.B. Finanzdienstleistung) fokussiert haben. Die Beratungsprojekte, in denen Experten gefragt sind, zeichnen sich durch längere Analyse- und Konzeptionsphasen aus. Denn hier kann der Experte mit seinem Fachwissen am meisten bewirken.
Bei besonders kniffligen und komplexen Fragestellungen erwarten die Kunden von Beratern wahre Starqualitäten. Der Vordenker muss entweder überragende intellektuelle Fähigkeiten mitbringen oder über langjährige Industrieerfahrung verfügen. In der Praxis wird zwischen so genannten Brain- und Grey-Hair-Projekten unterschieden. Bei Brain-Projekten ist die zu lösende Aufgabe neu und von großer Komplexität. Der Berater muss vor allem mit Kreativität, Innovation und Pionierleistungen bei neuen Ansätzen, Konzepten und Techniken aufwarten können. Bei Grey-Hair-Projekten sind dagegen kundenindividuelle Lösungen gefragt, die Aufgabenstellung ist jedoch meist im Grundsatz bekannt und Lösungsansätze können durchaus aus anderen Projekten übertragen werden. Die Kunden erwarten von Grey-Hair-Vordenkern nutzbare Erfahrungen und Vorwissen aus früheren Projekten sowie Urteilsvermögen. Bei Brain- wie bei Grey-Hair-Projekten sind Standardlösungen unakzeptabel. Hier zählt vor allem Seniorität und Spezialwissen.
Bei umfangreicheren Beratungsprojekten, die zum Beispiel in mehreren Ländern gleichzeitig stattfinden, übertragen Unternehmen die Projektkoordination und -steuerung gerne Beratungsdienstleistern. Der Projektmanager stellt sicher, dass die einzelnen Maßnahmen und Projektschritte termingerecht umgesetzt werden. Diese Rolle erfordert Organisationstalent und Methoden-Know-how.
"Umbauarbeiten" gehören heute in Unternehmen zum Tagesgeschäft. Beim Gros der Beratungsprojekte handelt es sich um sogenannte "Procedure-Projekte" – das heißt, dem Unternehmen ist das zu bearbeitende Problem gut bekannt, es hat aber selbst nicht genug Leute und häufig auch nicht das Know-how, um diese Umbauarbeiten aus eigener Kraft heraus zu stemmen. Bei IT- oder Transformationsprojekten liefern Berater wie z.B. Accenture, Capgemini, IBM oder BearingPoint Lösungen, die sie anschließend gemeinsam mit dem Kunden auch umsetzen.
Nach dem Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip schulen praxiserfahrene Spezialisten die Mitarbeiter des Kunden in Methoden- oder Fachtrainings, damit diese Aufgabenstellungen selber lösen und umsetzen können. Die Idee: Wenn die eigenen Mitarbeiter befähigt werden, Projekte umzusetzen, muss das Unternehmen künftig nicht mehr so viel Geld für Beratung ausgeben. Um anderen etwas beizubringen, braucht es Fachwissen, Empathie und didaktisches Geschick.
Der Berater stellt dem Unternehmen bereits entwickelte und in der Praxis getestete Methoden und Prozesslösungen – wie zum Beispiel Lean Management oder Six Sigma - zur Verfügung.
Diese Rolle beinhaltet hauptsächlich das Design und die Steuerung von Transformations- und Veränderungsprojekten. Der Berater bietet (verhältnismäßig) kleinen fachlich-inhaltlichen Input, er ist mehr Begleiter, Treiber, Controller, Anreger und Coach. Deshalb haben darauf spezialisierte Berater häufig auch keine explizite Branchen- oder fachliche Spezialisierung.
Der Berater verabschiedet sich von seiner Rolle als Berater und übernimmt als Senior Projektmanager selbst weitgehend die Führungs- und Umsetzungsfunktion. Interims-Manager sind bei der Überbrückung von Engpässen oder Umbruchsituationen gefragt. Diese Rolle übernehmen meist nur Berater, die vorher eigene Linienverantwortung in der Industrie gesammelt haben oder Ex-Linienmanager ohne explizite Beratungserfahrung.
Beim Management von Unternehmen werden datenanalytische Fähigkeiten immer wichtiger. Einige Beratungsunternehmen haben dazu eigene Teams im Angebot, die nur darauf spezialisiert sind, Daten zu erheben, zu analysieren und zu interpretieren, etwa um den Vertrieb zu verbessern und Kunden besser kennen lernen zu können.
Kunden fragen auch Beratung nach, um Entscheidungen oder Vorhaben zu legitimieren. Die Bestätigung der eigenen Meinung mittels einer neutralen Sichtweise kann der (fachlichen) Absicherung, der Entscheidungssicherheit, aber auch der Kommunikation dienen. Für die Legitimationsfunktion werden häufig die bekannten Brands herangezogen, aber auch externe Gutachter mit Spezialwissen können diese Rolle übernehmen.
Der ebenfalls in Düsseldorf ansässige Spezialchemiehersteller Cognis war früher mal Teil von Henkel, wurde dann an Finanzinvestoren verkauft und ist inzwischen Teil des größten europäischen Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen. Bei jedem Eigentümerwechsel mussten auch die strategischen Ziele neu definiert werden.
Henkel und Cognis – zwei Unternehmen mit ganz unterschiedlicher Ausrichtung stehen vor ähnlichen Herausforderungen: „Innovation ist ein Dauerthema für sämtliche Hierarchiestufen“, sagt Stephan Friedrich von den Eichen, Professor für Innovation an der Universität Bremen und Managing Partner der Unternehmensberatung Innovative Management Partner (IMP). IMP hat sich auf innovative Geschäftslogiken und disruptive Innovationsprojekte spezialisiert. Zu den Kunden gehören Dax-Konzerne wie Adidas, BASF, Linde und SAP, aber auch große Mittelständler wie Sick oder Würth.
Da stellt sich die Frage: Warum heuern weltweit bekannte Milliarden-Konzerne eine rund 40 Mann kleine Berater Boutique an, warum suchen sie nicht Rat bei McKinsey, Boston Consulting, Roland Berger oder Bain? Was hat IMP, was den Großen fehlt, was können die kleinen Spezialisten besser und warum sind sie heute vielfach erfolgreicher als die großen Traditionsberater mit ihren starken Marken?
Für Friedrich von den Eichen ist Innovation Tagesgeschäft und das schon seit 22 Jahren: Der IMP-Partner kennt die großen Beratungshäuser aus eigener Erfahrung, ist mit deren Arbeitsweise und Selbstverständnis vertraut und weiß um die jeweiligen Stärken und Schwächen. Er sieht mehrere Gründe für die Entwicklung: „Steigender Wettbewerbsdruck, gepaart mit einem Geschäftsmodell, das nur bei Wachstum funktioniert, haben bei den großen Beratungen dazu geführt, dass Profil und Tiefgang gelitten haben", sagt Friedrich von den Eichen. „Zeitweise fehlte die Kraft, in die eigenen Kompetenzfelder zu investieren. Andernorts fehlte die Bereitschaft, inhaltlich Kante zu zeigen. Für alle Kundensegmente möglichst alle Leistungen anbieten, das war die Devise."
Die Entwicklung hat auch mit dem Selbstverständnis der Berater zu tun. Jahrzehntelang zeichneten die Spitzenkräfte sich vor allem durch Branchenexpertise aus. „Das hat seine Berechtigung, wo es darum geht, Prozesse zu optimieren und Benchmarks zu setzen“, sagt Friedrich von den Eichen. Wachstum und insbesondere Innovation brauchten aber etwas Anderes. „Branchenexpertise führt zu guten, am Ende aber branchentypischen Lösungen. Und je typischer eine Lösung, umso durchschnittlicher die Rendite“, sagt der IMP-Partner. „Innovative Geschäftsmodelle leben von den Impulsen vieler, das dafür notwendige Wissen findet sich nicht zwangsläufig in der eigenen Branche.“
Statt dessen ist Vernetzung gefragt. Vernetzung innerhalb der eigenen Organisation, zwischen Unternehmen und schließlich über Industriegrenzen hinweg. „Das können Universalgenies und Industrieexperten nicht mehr leisten. Was es braucht ist das Verzahnen unternehmensinterner Kompetenz mit externem Wissen auf Basis einer robusten Methodik und flankiert durch einschlägige Erfahrung", sagt Friedrich von den Eichen.