Capri Sonne wurde vergangene Woche von Foodwatch ausgezeichnet: Mit dem "Goldenen Windbeutel" für die dreisteste Werbemasche für ein Kinderprodukt. Auf Platz zwei "schaffte" es Dr. Oetkers Kuhflecken-Pudding Paula. Alljährlich lässt die Verbraucherschutz-Organisation "Foodwatch" Endverbraucher über die dreistesten Werbelügen abstimmen. Diesmal nahmen an der Internet-Abstimmung 120.000 Verbraucher teil.
Am gleichen Tag zeichnete der ADC (Art Directors Club für Deutschland) ironischerweise die besten Werbekampagnen des Jahres aus. Mit einem kleinen Unterschied: Beim ADC entscheiden die Kreativen selbst, welche Kampagne eine der begehrten Trophäen erhält. Hier, ebenso wie beim weltweit größten und bedeutendsten Werbefestival, das im Juni in Cannes stattfindet, bleibt die Meinung der Konsumenten außen vor.
Der Kunde erhebt seine Stimme
Doch die Meinung der Endverbraucher wird für die Werbungtreibenden und ihre Kreativagenturen immer wichtiger, ihre Stimme immer lauter. Als in Bangladesch mehr als tausend Näherinnen unter den Trümmern eines Fabrikgebäudes starben, richteten sich in Deutschland alle Augen auf die Textil-Discounter. Und wieder befand sich auch Kik unter den Herstellern, die dort nähen ließen. In einem lesenswerten Beitrag berichtet die Unternehmerin und Autorin Claudia Langer, dass der Tengelmann- und Kik-Eigentümer Karl Erivan Haub viel von Verantwortung und Nachhaltigkeit sprach, als sie ihn erst vor zwei Jahren interviewte. Nun kam dennoch es zur Katastrophe.
Es ist schlichtweg eine Werbelüge, dass man in Deutschland T-Shirts für 1,99 Euro anbieten kann, ohne Angestellte auszubeuten, Menschenrechte zu verletzen oder Kinderarbeit zuzulassen. Die Lüge erscheint noch dreister, wenn es stimmt, dass angeblich die Hälfte dieser 1,99 Euro in die Taschen der deutschen Textil-Discounter wandert.
Wenn die Eigentümer von KiK, Aldi, Lidl, Tchibo und C&A, die allesamt nach der Katastrophe von Bangladesch reumütig der Clean Clothes Campaign beitraten, die für stärkere Sicherheitsauflagen und Brandschutz sorgen soll, ihre T-Shirts und Billig-Jeans nicht deutlich verteuern (und auch den Grund hierfür kommunizieren), dann hat sich nichts geändert. Spätestens dann werden mehr Kunden diese Anbieter großflächig boykottieren. Wir alle tragen eine Mitverantwortung und nur die öffentliche Meinung kann offenbar die Hersteller in ihre Schranken verweisen.
Inzwischen nimmt der Umfang der Werbelügen immer weiter zu. Dem Verbraucher Pferde- für Rindfleisch vorzumachen, ist nichts weiter als eine infame Werbelüge. In diesem Fall sogar Betrug am Konsumenten.
Auch das Geschäftsmodell von Amazon erweist sich als lügenanfällig. Kostenloser und Über-Nacht-Versand sind offenbar nicht möglich, ohne die eigenen Mitarbeiter auszubeuten. Der durch die jüngste ARD-Dokumentation ausgelöste Imageschaden führte dann auch zu signifikanten Umsatzeinbußen.
Mogel, Lug und Betrug
Jede Mogelpackung ist nichts weiter als eine Werbelüge, die an Dreistigkeit nicht zu überbieten ist. Denn hier sorgt oftmals eine hohe Investition in neue Verpackungen erst dafür, dass der Konsument nicht gleich erkennt, wie viel weniger er für sein Geld erhält. Hier wird der Käufer ganz bewusst getäuscht. Es gilt nur deshalb nicht als kriminell, weil der Hersteller sich damit herausreden kann, dass die (veränderte) Inhaltsangabe irgendwo kleingedruckt auf der Packung zu finden ist.
Die Stiftung Warentest dokumentiert regelmäßig alle Mogel-Funde und prangert sie öffentlich an, doch das alleine scheint die Marketingverantwortlichen nicht abzuhalten. Auf die lange Liste der Täuscher kommen so prominente Namen wie Aldi (Nord), Biotherm, Beiersdorf, Milka und Schwarzkopf. In der ARD-Mediathek finden sich unzählige, weitere Beispiele für Unternehmen, die die Konsumenten bewusst zu täuschen versuchen. Oftmals mit Erfolg, denn die Bemühungen der Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest laufen vielfach ins Leere. Da der Verbraucher diesen Täuschungsversuchen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert und der Gesetzgeber meist machtlos ist, verleitet es immer mehr Hersteller zu Lug und Betrug.
Die Verbraucher wehren sich
Das passt nicht ins Zeitalter von Transparenz, Social Media und Dialog. So nimmt denn auch die Zahl der "Shitstorms" konstant zu. Immer mehr Verbraucher wehren sich via Facebook und Twitter gegen die vermeintlichen Verfehlungen der Industrie. Nach einer aktuellen Untersuchung der digitalen Empörungswellen wehren sich die Verbraucher inzwischen täglich im Social Web.
Spätestens jetzt ist das Marketing gefragt. Jedes einzelne Unternehmen in Deutschland muss sich die Frage stellen, welche Bedeutung die Tugenden Transparenz, Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit und Respekt vor Mitarbeitern und Kunden für die Markenführung besitzen.
Derweil prescht - wieder einmal - Coca Cola nach vorn, nimmt sich in die Pflicht und verordnet sich eine Werbe-Diät. Ein neuer Vier-Punkte-Plan sieht u.a. vor, Werbung nicht mehr an unter 12-jährige Kinder zu richten und Schulen als werbefreie Zone zu respektieren. Diese Maßnahme wird Capri Sonne über kurz oder lang mehr Marktanteile kosten als jede werbliche Dreistigkeit ihn zu steigern vermag. Und das ist gut so.