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Parteien sind auch nur Marken

In ihrem Markenauftritt sind die großen Parteien überraschend unprofessionell. Sie verstoßen gegen die Grundregeln des Marketings. Und wundern sich über Politikverdruss und unentschlossene Wähler.

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Die Parteien wirken in ihrer Positionierung hilflos, kaum eine beherrscht die Grundlagen des

Ein Aufschrei geht durch die Republik. Empörung macht sich breit. Immer wieder sorgen Hinterbänkler ebenso wie Führungskräfte der Parteien im Bundestag für Aufregung, weil sie quasi aus dem Nichts heraus Forderungen stellen, die sich als Unfug erweisen, gar als schädlich für die Parteilinie - und deshalb umgehend vom Parteichef zurückgepfiffen werden (müssen).

So geschehen, als vergangene Woche ein CDU-MdB namens Wanderwitz eine Strafabgabe für Kinderlose ins Gespräch brachte, die Chefin Merkel sofort kassierte. So geschehen, als die CDU-„Spitze“ sich öffentlich gegen eine Kandidatur von Joachim Gauck als Bundespräsident aussprach - und Merkel ihn nur wenige Stunden später zum Kandidaten kürte. An Peinlichkeit schwer zu übertreffen war am Dienstag die Meldung, dass ein CSU-Politiker namens Geis es für nötig hielt, Gauck zu raten, seine persönlichen Lebensverhältnisse zu ordnen und Frau Schadt zu ehelichen. Chefin einer christlichen Partei möchte man da nicht sein.

Bei allem Verständnis dafür, dass jeder der 620 Mitglieder des Bundestags wenigstens einmal im Leben in die Schlagzeilen geraten möchte, fragt sich der Beobachter dennoch, wie das passieren kann.

Jede Partei hat ein Programm, mit dessen Hilfe sie sich klar gegen jede andere Partei abzugrenzen versucht. Im Marketing sprechen wir dabei von Positionierung. Jede Partei wirbt um das Vertrauen der Wähler - wie jede Marke um Käufer wirbt. Jede Partei kämpft um die Macht im Bundestag, ebenso wie jede Marke tagtäglich um ihren Marktanteil im Regal kämpft. Markentechnik und Markenführung lassen sich eins zu eins auf Parteien übertragen.

Die "Markenversprechen" der Parteien

Was aber genau ist eine Marke? Wodurch zeichnet sie sich aus? Sie ist im Idealfall einzigartig und unterscheidet sich von allen anderen Marken.

Die Hilflosigkeit der Parteien in ihrer Positionierung (oder auch „Markenversprechen“) erkennt man spätestens an ihren Claims, also jener kurzen Phrase, die beschreibende oder emotionale Informationen über die Marke transportieren und die Wiedererkennung der Marke unterstützen soll.

CDU: „Gemeinsam für unser Land“

SPD: „Sozial und Demokratisch“

FDP: „Arbeit muss sich wieder lohnen“

Nichtssagende Slogans

Betrachtet man die Slogans der Parteien, heißt es bei der SPD „Anpacken. Für unser Land“, bei der CDU „Die Mitte“, FDP „Die Mitte stärken“, und bei Bündnis90/Grünen „Aus der Krise hilft nur Grün“. Gemeinsam ist diesen Aussagen nur eins: Dass sie absolut nichts über Position und Profil der Partei verraten.

Auch wenn die Positionen immer mehr verwässern (ist „Mitte“ für die CDU ausreichend eigenständig und klar?) und es im Marketing als Kardinalfehler gilt, seiner Marke keine profilierte Positionierung zu verschaffen, gibt es bei den Parteien sehr wohl Generalsekretäre, die dafür zu sorgen haben, dass ihre Vertreter die Linie halten - und öffentlich stärken. Damit sind sie so etwas die Marketingchefs der Parteien.

Das Scheitern der "Marketingchefs"

Sie versagen regelmäßig. Auch wenn es zu einer wichtigen Stütze der Demokratie gehört, dass jeder Parteienvertreter nur seinem Gewissen verantwortlich ist, tragen die Generalsekretäre und Parteichefs die Verantwortung dafür, dass - wie bei jeder Marke - nach außen stets und überall die gleichbleibende, wieder erkennbare Qualität erhältlich ist. Sonst verliert man Wähler, die nach einer klaren Positionierung suchen. Und Loyalität zudem.

Angela Merkel braucht einen Hermann Gröhe, der sich als Vordenker und Marketing-Chef versteht. Siegmar Gabriel braucht eine Andrea Nahles, die nicht von ihm selbst entmachtet wird. Philipp Rösler braucht einen Patrick Döring, der nicht gegen die eigene Parteispitze wettert. Und Claudia Roth täte gut daran, überhaupt einen Generalsekretär zu installieren.

Die Parteien müssen lernen, sich wie Marken zu verhalten. Sie brauchen dringend Marken-Berater an ihrer Seite - und das nicht nur für ihre Wahlkampagnen. Ohne professionelles Marketing werden sie immer mehr an Profilierung verlieren. Und immer mehr Wähler.

 

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