Als Aldi Anfang September verlauten ließ, dass es demnächst eine von Aldi Süd und Aldi Nord gemeinsam geplante Werbekampagne geben wird, war an einigen Stellen zu lesen, dass das besonders überraschend sei – denn Aldi hätte bis dato ja noch keine Fernsehwerbung gemacht, und auch sonst waren die Werbeaktivitäten eher eingeschränkt.
Schon richtig, aber aus Kundensicht scheint das keine sonderlich große Rolle gespielt zu haben. Der YouGov-Markenmonitor BrandIndex zeigt: In den vergangenen drei Jahren haben stets mehr als 40 Prozent der Kenner der Marke Aldi angegeben, kürzlich Werbung für den Discounter wahrgenommen zu haben, was wohl hauptsächlich an den Prospekten „Aldi aktuell“ beziehungsweise „Aldi informiert“ gelegen hat. Aldi hat damit werbetechnisch mehr Verbraucher erreicht als zum Beispiel Rewe.
Aldi Nord hat es nötig
Trotz der hohen Werbewahrnehmung schaltet Aldi jetzt also Fernseh-, Kino- und Radiowerbung - und das auch noch in beiden Aldi-Regionen. Aldi muss in die Offensive gehen, denn der Markt ist inzwischen stärker umkämpft, vor allem die Konkurrenten Edeka und Rewe erhöhen den Druck. Eine gemeinsame Werbekampagne von Aldi Nord und Aldi Süd ist zwar neu, aber erscheint sinnvoll. Schließlich unterscheiden sich die beiden nicht so sehr, als dass nicht eine gemeinsame Markenbotschaft (in diesem Fall: „Einfach ist mehr“) kommuniziert werden könnte.
Dennoch ist es angebracht, die beiden regionalen Unternehmenteile von Aldi im Einzelnen zu betrachten. Denn dann wird schnell klar: Aldi Nord hat die neue Werbekampagne nötiger als Aldi Süd.
Da wäre zum Beispiel die Kundenzufriedenheit. Aldi Süd - betrachten wir im BrandIndex nur Bewertungen im Verkaufsgebiet Süd - sticht heraus und lässt den zweitplatzierten Lidl mit deutlichen neun Punkten Abstand hinter sich (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkte). Im Norden ist das anders: Die Lidl- und Edeka-Kunden geben hier eine höhere Zufriedenheit an als bei Aldi Nord. Bei der Weiterempfehlungsbereitschaft und beim Preis-Leistungs-Verhältnis zeigt sich ähnliches - auch hier schneidet die Süd-Variante von Aldi deutlich besser ab als die nördliche.
Junge Verbraucher entscheiden sich für Aldi Süd
Auffällig ist auch der Unterschied bei der Frage nach der konkreten Auswahl des Lebensmittelhändlers, wenn die Verbraucher wählen müssten. Aldi Nord liegt hier hinter Edeka, Lidl, Kaufland und Rewe. Aldi Süd dagegen führt das Ranking an.
Chronologie: Der Aufstieg von Aldi
Der Bäcker Karl Albrecht startet am 10. April 1913 den Verkauf von Backwaren im heutigen Essener Stadtteil Schonnebeck.
Quelle: dpa
Karl Albrecht und seine Frau Anna eröffnen im Essener Stadtteil Schonnebeck ein „Kaufhaus für Lebensmittel“.
Nachdem Eltern das Geschäft um weitere Filialen erweitert haben, übernehmen die Söhne Karl und Theo Albrecht 1945 den Betrieb.
Die Brüder entwickeln das Geschäftsmodell weiter. Das Stammgeschäft in Essen-Schonnebeck wird zum Selbstbedienungsladen. Die Kette wächst zudem weiter. 1960 hat das Unternehmen mehr als 300 Filialen.
Das Unternehmen hat mehr als 300 Filialen.
Die Brüder teilen das Filialnetz auf. Karl konzentriert sich auf den südlichen Teil (Aldi Süd) und Theo auf den nördlichen, Aldi Nord. Sie arbeiten aber weiter eng zusammen.
Die erste Aldi-Filiale im Discount-Prinzip wird eröffnet.
1967 folgt der erste Schritt ins Ausland. Aldi Süd übernimmt das österreichische Handelsunternehmen Hofer. 1976 startet Aldi Süd in den USA. Wenige Jahre später steigt auch Aldi Nord mit der Übernahme von Trader Joe's in den US-Markt ein.
Einführung der Aktionstage. Aldi Süd führt Kühltheken für den Verkauf von Frischprodukten ein.
Aldi Süd nimmt u.a. Tiefkühlprodukte ins Sortiment auf.
Aldi Süd beginnt mit der Aufstellung von Backstationen.
Aldi-Mitbegründer Theo Albrecht (Aldi Nord) stirbt im Alter von 88 Jahren.
Aldi Nord führt ein neues Laden-Konzept mit Backstationen ein. Beginn der europaweiten Modernisierung des Filialnetzes.
Aldi-Mitbegründer Karl Albrecht stirbt mit 94 Jahren.
Mit ihrem Discount-Prinzip haben die Gebrüder Albrecht den Lebensmittehandel revolutioniert und ihre Unternehmen einen enormen Erfolg beschert. Das Forschungsinstitut EHI schätzt den Nettoumsatz von Aldi Süd im Jahr 2013 auf 13, 8 Milliarden Euro, den von Aldi Nord auf 10 Milliarden. Aldi Süd verfügt allein in Deutschland über rund 1830 Filialen, Aldi Nord über mehr als 2400. Weltweit kommen Aldi Nord und Aldi Süd zusammen auf insgesamt über 10.000 Filialen und rund 66,8 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Noch deutlicher, dass Aldi Nord eine Werbe- und Imagekampagne gebrauchen kann, macht die Frage nach der konkreten Verbraucherentscheidung aufgeschlüsselt nach Alter. In Süddeutschland würden sich die Verbraucher bis 30 Jahre noch eher für Aldi entscheiden als die Gesamtgruppe. Bei Aldi Nord ist es genau umgekehrt: Die jüngeren Verbraucher haben weniger Interesse an Aldi Nord als die Gesamtgruppe. Kurzum: Aldi Süd kann zurzeit entspannter in die Zukunft blicken als der Norden.
Mit der neuen Werbekampagne schafft es Aldi, wahrgenommen zu werden. Mehr Verbraucher geben heute an, Werbung von sowohl Aldi Süd als auch Aldi Nord wahrzunehmen. Die Werbewahrnehmung ist seit dem 9. September um mindestens fünf Punkte gestiegen. Wäre bei dem Werbedruck auch seltsam, wenn nicht.
Warum genau es die Trennung zwischen Nord und Süd bei Aldi gibt, ist Familiengeheimnis. Eine Vision für die Zukunft wäre aber: Aldi Nord macht einfach alles so wie Aldi Süd. Und Aldi heißt dann nur noch Aldi, ohne Nord und Süd dahinter. Auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung des Online-Lebensmittelhandels scheinen regionale Gebietsaufteilungen eher hinderlich als förderlich zu sein. Vielleicht ist die erste gemeinsame Kampagne ja auch ein Fingerzeig für die Zukunft.