Kaufverhalten Warum wir kaufen, wenn es gut riecht

Gerüche dringen ins Unterbewusstsein und beeinflussen unser Kaufverhalten. Von Neuwagen etwa kennen wir das schon. Neuerdings duften auch Telefonleitungen und IT-Unternehmen.

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Synästhesie:

Die Farbe Magenta riecht nach Bergamotte und rosa Pfeffer, nach Holznoten und einem Hauch von Kaschmir. Warm, edel und einladend soll der Geruch wirken – und beim Einatmen die Assoziation mit einem tiefen Pink-Ton auslösen, dem Pink-Ton der Deutschen Telekom.

Der Berliner Parfümeur Geza Schön, der Stars wie Madonna und Lionel Messi zu seinen Kunden zählt und auch schon mal ein Parfüm kreiert, das nach Büchern duftet, hat die bekannte Werbefarbe olfaktorisch umgesetzt. „Wir machen die Marke über ein weiteres Sinnesorgan erlebbar“, sagt Markenchef Hans-Christian Schwingen.

Den Geruch nach Telekom kann sich bald jeder nach Hause holen. In seinen Läden wird der Kommunikationskonzern in ganz Deutschland die magentafarbenen Duftspender vertreiben. Die Glasflakons, aus denen fünf Stäbchen ragen, sollen direkt an den Kassen platziert werden. Bei der Deutschen Telekom ist man überzeugt, dass der Duft ankommen wird. In Österreich und Mazedonien strömt er schon durch die Läden, Albanien soll in diesem Jahr folgen.

Welchen Marken die Deutschen am meisten vertrauen

Seit einschlägige Studien erwiesen haben, dass Kunden ihr Geld lieber ausgeben, wenn es in einem Laden angenehm riecht, greifen Mode- und Kosmetikmarken gern zu Düften. So sorgt auch ein Edelhändler wie Manufactum dafür, dass sich ein natürliches Aroma in seinen Läden ausbreitet. Geschäftsführer Christopher Heinemann beobachtet: „Wenn der Geruch von frisch gebackenem Brot durch den Laden zieht, profitieren alle Sortimentsbereiche davon.“

Jenseits der Lifestylebranchen galt Duft in den Führungsetagen von Industrie und Dienstleistern lange als etwas Esoterisches. Diese Haltung ändert sich gerade. „Ich kenne keine Branche, die sich nicht mit dem Thema beschäftigt“, sagt Robert Müller-Grünow, der mit seinem Unternehmen Scentcommunications seit 2002 den passenden Duft zur Marke entwickelt, etwa für Samsung und Adidas: „Alle großen Unternehmen mit starker Marke denken darüber nach, einen eigenen Duft zu schaffen.“

„Technisch“, „sportlich“, „innovativ“, „leistungsorientiert“ – wohlklingende Attribute, mit denen Marketingexperten schon lang hantieren, verwandeln Parfümeure im Auftrag von Müller-Grünow in Gerüche. Er fungiert als Dolmetscher zwischen der Unternehmenswelt und den Duftkünstlern. Der Trend zum Duftmarketing ist angekommen: Heute setzen auf der Hannover Messe Maschinenbauer an ihren Ständen Düfte genauso ein wie die Telekom auf der Internationalen Funkausstellung. Aber nur sehr aufmerksame Kunde nehmen sie bewusst wahr.

Umso wirkungsvoller sind Düfte als strategischer Faktor in der Kommunikation, handelt es sich bei der Nase doch um unser empfindlichstes Sinnesorgan, das eine „direkte Standleitung zu Emotionen und Erinnerungen“ hat, wie es der Geruchsforscher Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum formuliert. Denn Gerüche gelangen direkt ins limbische System, zuständig für Emotionen, und in den Hippocampus, zuständig für Erinnerung.

„Nichts in der Welt macht Vergangenes so lebendig wie der Geruch“, wusste der irische Schriftsteller Oscar Wilde. Im Laufe eines Lebens sammeln wir eine Vielzahl olfaktorischer Anhaltspunkte. Schon der Embryo nimmt im Mutterleib Gerüche wahr, von der 26. Schwangerschaftswoche an ist der Geruchssinn komplett ausgebildet.

Genie in den Nüstern

Seit die Menschen das Feuer entdeckten, schufen sie Gerüche. Als älteste Methode gilt die Verbrennung von Pflanzenteilen – aus dem lateinischen „per fumum“, durch den Rauch, entstand der Begriff Parfüm. Waren derlei Verbrennungen in der frühen Antike auf religiöse Zeremonien beschränkt, so dienten im alten Rom wohlriechende Öle als Mittel, um persönlichen Reichtum zur Schau zu stellen: Von Kaiser Nero ist überliefert, dass er sich und die Seinen einparfümieren ließ. Parfüms auf Alkoholbasis entstanden erst im 16. Jahrhundert, vor allem in der südfranzösischen Stadt Grasse, bis heute eine Hochburg der Parfümeure.

„Mein Genie ist in meinen Nüstern“

Der Alltag der meisten Stadtbewohner war noch vor 250 Jahren von heute unvorstellbaren hygienischen Bedingungen geprägt. „Es stanken die Flüsse, es stanken die Plätze, es stanken die Kirchen“, schreibt Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfum“ über das damalige Paris. Kein Wunder, dass der Geruch für den niedrigsten der menschlichen Sinne gehalten wurde. „Es lohnt nicht, ihn zu kultivieren oder wohl gar zu verfeinern, um zu genießen“, heißt es bei Kant, „denn es gibt mehr Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreichen Örtern), als der Annehmlichkeit, die er verschaffen kann.“ Erst Friedrich Nietzsche sorgte für die Rehabilitierung des Geruchs. „Mein Genie“, schrieb er, „ist in meinen Nüstern.“

Eben weil Düfte so tief in unser Unterbewusstsein vordringen, weil sie eine so geheimnisvolle Macht über unsere Stimmungen haben, steht Duftmarketing im Verdacht, Verbraucher perfide zu beeinflussen. Müller-Grünow weist das zurück: „Wir werden über Farben und Licht genauso manipuliert, der einzige Unterschied besteht darin, dass wir verlernt haben, bewusst zu riechen.“

Ein Produkt, bei dem die Deutschen allerdings besonders gern riechen, ist das Auto: Ein Neuwagen muss danach duften, dass er kurz zuvor vom Band gerollt ist. Der Verband der Automobilindustrie hat einen Standardtest entwickelt. Professionelle Nasen vergeben Noten von 1 bis 6 – und der einzige Geruch, der bei Premiumherstellern herausstechen darf, ist Leder.

Bei BMW sind sie schon weiter: Kunden können beim 7er-Modell aus vier Kategorien jeweils eine leichtere und eine komplexere Geruchsvariante wählen. Morgens kann der Wagen mithilfe der Blue Suite No. 2 nach Meeresbrandung riechen, mit Nuancen von Mandarinen und Grapefruit. Abends simuliert die Golden Suite No. 2 olfaktorisch das Abenddämmern einer flimmernden Wüste. „Nach einem anstrengenden Tag soll der Duft entspannen“, sagt Parfümeurin Annabelle Kanzow-Coffinet, die die Serie entworfen hat. Vor fünf Jahren hat die Französin mit dem Projekt bei BMW begonnen. Worauf sie besonders achtet? Dass die Düfte Männer wie Frauen ansprechen, in alle Jahreszeiten passen und die Ingredienzien luxuriös wirken.

Anders als Parfüms, die sich erst nach und nach entfalten, wenn die Herznote auf die Kopfnote folgt und schließlich die Basisnote durchdringt, haben die BMW-Düfte nur eine Phase, der volle Akkord ist sofort präsent – und kehrt in Intervallen wieder: Bei einem Dauereinsatz würden die Insassen nichts mehr riechen. Außerdem sind die Moleküle so leicht, dass sie nicht in der Kleidung hängen bleiben. Noch wissen die Münchner nicht, welcher Duft bei den Kunden am besten ankommt. Eines aber ist sicher. „Duft erhöht den Komfort“, sagt Kanzow-Coffinet.

Bei der Deutschen Bahn sind Marketingstrategen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Noch in diesem Jahr sollen die Toiletten in den ICE-Zügen endlich Duftspender bekommen. Über die genaue Zusammensetzung der Düfte schweigt sich die Bahn einstweilen aus, doch so viel, immerhin, will sie erreichen: dass ein Eindruck von Frische, Sauberkeit und Hochwertigkeit entsteht.

Wer genau hinriecht, merkt ohnehin, dass es duftfreie Plätze nicht gibt, jeder Raum hat seine eigene Charakteristik. Und dass Farben tatsächlich riechen können, merkt man auch, wenn sie falsch riechen, etwa beim Telefonanbieter Vodafone. In dessen Laden in Köln riecht es nach grünem Tee, was irgendwie nicht zum roten Schriftzug passt.

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