Astronomische Umsätze - doch unterm Strich bleiben nur Verluste: Im ersten Quartal ist Amazon wieder in die roten Zahlen gerutscht. Ein sattes Minus von 57 Millionen Dollar folgt auf einen Gewinn von 108 Millionen Dollar noch vor einem Jahr. Der Online-Riese kann aber auch punkten: Das Geschäft mit den Cloud-Diensten läuft rund, der Umsatz schoss um nahezu die Hälfte nach oben auf 1,57 Milliarden Dollar. Und: hier lässt sich sogar Geld verdienen. Amazon vermeldet einen Gewinn von 265 Millionen Dollar.
Wieviel Amazon mit seinem Internet-Infrastruktur Service Amazon Web Services (AWS) umsetzt, war bislang eines der am besten gehüteten Geheimnisse. Branchenkenner raunten von traumhaften Margen. Nur so ließ sich erklären, warum Amazon regelmäßig die Preise für seine Dienste heruntersetzen konnte. Über den Online-Speicher-Service können Kunden, zu denen etwa auch der bekannte Cloud-Dienst Dropbox zählt, Kapazität in Amazons Rechenzentren mieten.
Amazon in Zahlen
Der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 22,7 Milliarden Dollar. Dazu führten laut Amazon höhere Umsätze in Nordamerika (dem größten Markt) und die schnell wachsende Cloud-Sparte Amazon Web Services zurück.
Amazon ist im ersten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand ein Verlust von 57 Millionen Dollar.
Für das laufende Quartal rechnet Amazon mit einem Wachstum des Nettoumsatzes um sieben bis 18 Prozent auf 20,6 Milliarden bis 22,8 Milliarden Dollar. Operativ könnte ein Verlust von 500 Millionen Dollar bis zu einem Gewinn von 50 Millionen Dollar anfallen.
JP Scandalios, der den Technologiefonds von Franklin Templeton verwaltet und sehr früh in Amazon investierte, verweist gern auf den sagenumwobenen Webservice als Hauptgrund für die astronomische Bewertung des Online-Händlers. Die beträgt momentan 181 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Deutschlands größter Autobauer Volkswagen wird von der Börse mit rund 118 Milliarden Dollar bewertet.
Neun Jahre nach dem Start von AWS hat Amazon am Donnerstagabend bei der Veröffentlichung der aktuellen Ergebnisse erstmals Umsatz und Gewinn des geheimnisumwitterten Geschäftssegments offengelegt. Und damit Analysten von Citibank und Goldman Sachs überrascht. Die gingen bislang davon aus, dass Amazon mit der Sparte Verlust macht oder im besten Fall eine schwarze Null schreibt. Das hätte zum Stil von Amazon-Gründer Jeff Bezos gepasst, der Gewinne lieber reinvestiert.
Doch die Finanzmarktexperten haben falsch spekuliert, die Aktie ging nachbörslich gleich um rund zwei Prozent nach oben. AWS ist profitabel - und das schon seit mindestens zwei Jahren. Mehr noch: Umsätze und Margen sind eindrucksvoll. Das Kerngeschäft von Amazon, der Handel mit Elektronik und digitalen Medien, wirkt im Vergleich nur noch wie ein teures Hobby. Auch die Expansion diverser Geschäftszweige geht ins Geld. Schon in der Vergangenheit haben die hohen Investitionen Amazon immer wieder rote Zahlen eingebracht.
Zwar macht der Milliarden-Umsatz des Online-Mietservices nur etwa sieben Prozent des gesamten Quartalsumsatzes aus. Doch die 265 Millionen Dollar Gewinn der Sparte entsprechen immerhin einer Umsatzrendite von rund 17 Prozent.
Amazon glänzt mit der Cloud
Mit Waren und digitalen Medien, die neunzig Prozent von Amazons Umsatz beisteuern, verdiente der Konzern im gleichen Zeitraum nur 441 Millionen Dollar - eine Umsatzrendite von etwa zwei Prozent. Die des Konkurrenten Walmart, seines Zeichens größter Einzelhändler der USA, ist mit 5,6 Prozent mehr als doppelt so hoch.
Im vergangenen Jahr hat Amazon mit AWS 4,6 Milliarden Dollar umgesetzt. 2013 waren es 3,1 Milliarden Dollar. In diesem Jahr wird wahrscheinlich die Umsatzmarke von sechs Milliarden Dollar locker durchbrochen.
Gewinne stagnieren bereits
Microsoft rechnet für seine Cloud-Dienste in diesem Jahr mit einem Umsatz von 6,3 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal lief es gut an: Das Geschäftsvolumen konnte laut Microsoft-Chef Satya Nadella verdoppelt werden. Doch nur ein Bruchteil ist Microsofts Dienst Azure, der mit Amazons Dienst konkurriert. Der Löwenanteil sind Cloud Apps wie Office 365.
Vor- und Nachteile von Cloud Computing
Wer all seine Informationen in einer Cloud speichert, ist vom Anbieter abhängig. Sollte der sich möglicherweise nur unzureichend um seine Kunden kümmern, ist ein Wechsel zu einem anderen Anbieter meist schwierig, da die Datenmengen groß sind. Ein weiteres Problem: Für den Fall, das ein Anbieter pleite geht, gibt es keine klaren Regelungen. Erst wenn es Standards gibt, die einen Anbieterwechsel ermöglichen, sinkt die Abhängigkeit.
Dienstleister, die Clouds anbieten, beschäftigen sich in der Regel intensiv mit dem Thema Datenschutz. Allerdings sind große Datenmengen auch immer ein attraktives Ziel für Hacker. Die Auslagerung der eigenen Daten in eine Cloud bedeutet somit auch immer einen Kontrollverlust.
Die Menge des Speicherplatzes im Netz kann flexibel angepasst werden. Benötigt man mehr Speicherplatz, kann man einfach die angemieteten Kapazitäten erhöhen, anstatt sich teure Hardware kaufen zu müssen.
Der Administrationsaufwand sinkt, wenn man eine Cloud benutzt. Da die Installation auf dem eigenen Computer entfällt und auch Updates von den Cloud-Anbietern durchgeführt werden, kommt es hier zu einer großen Zeitersparnis.
Wer mit einer Cloud arbeitet, kann flexibel auf Daten zugreifen. Dabei spiel der Ort keine Rolle. Sowohl von Smartphones, als auch von Tablets und Computern aus können die Informationen abgerufen werden.
Ganz ähnlich das Bild bei IBM. Big Blue erwartet dieses Jahr knapp acht Milliarden Dollar mit Cloud-Diensten, aber nur die Hälfte davon stammt aus der Vermietung von Rechenkapazität. Google peilt ebenfalls die acht Milliarden Dollar an, doch darin sind wie bei Microsoft die Cloud Apps enthalten.
Amazon ist beim Vermieten von Rechenleistung und Speicher also momentan unangefochtener Marktführer. Die Stunde der Stärke ist wahrscheinlich der Grund, warum Bezos sich jetzt entschlossen hat, die Zahlen offenzulegen.
Denn die Gewinne mit AWS stagnieren bereits. Wegen des knallharten Wettbewerbs müssen nicht nur regelmäßig die Preise gesenkt werden, es fallen auch Investitionen in neue Datenzentren an. Verbuchte Amazons AWS-Sparte im Jahr 2013 noch einen Betriebsgewinn von 673 Millionen Dollar, schrumpfte dieser im vergangenen Jahr - bei steigenden Umsätzen - auf 660 Millionen Dollar.
“Wir sind bei AWS noch in der Stunde Eins”, stellte Amazons künftiger Finanzchef Bryan Olsavsky gegenüber Analysten klar. Amazon wird also weiter investieren. Olsavsky, der im Juni den langjährigen CFO Thomas Szkutak ablösen wird, beweist mit seiner Äußerung durchaus Humor. Schließlich feiert AWS im nächsten Jahr seinen zehnten Geburtstag. Ergo: Das Cloud-Geschäft könnte in ein paar Jahren der Online-Handelsphilosophie von Bezos folgen: riesige Umsätze und bestenfalls mickrige Gewinne.
Noch verdient Amazon prächtig am Vermieten seiner Rechenzentren. Das Brüsten mit den satten Margen hat jedoch einen Haken: Es legt nahe, dass besonders für größere Unternehmen der Aufbau von eigenen Datenzentren kostengünstiger ist, als deren Anmietung.