SinnLeffers, Wöhrl und Steilmann Billigheimer bringen Modehausketten ums Geschäft

Lidl, Aldi, Primark & Co. mischen den deutschen Bekleidungshandel auf. Der aggressive Preiskampf und die rasante Expansion der Billigheimer haben mit Wöhrl, SinnLeffers und Steilmann schon prominente Opfer gefordert. Was ist los in der Branche? 

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Vier Tage  - vier Meldungen. 

Dienstag, 6. September: Die traditionsreiche Modehauskette Wöhrl aus Nürnberg flüchtet sich unter ein Schutzschirmverfahren  – einer Vorstufe der Insolvenz – und muss voraussichtlich bis zu zehn ihrer 34 Modehäuser schließen.

Mittwoch, 7. September: Der irische Moderiese Primark verkündet, dass er in Kürze in Mannheim seine 21. Filiale eröffnen wird. 

Donnerstag, 8. September: Lidl, ja der allseits bekannte Lebensmitteldiscounter Lidl, eröffnet einen temporären Modeladen in Hamburg am Neuen Wall, der edelsten Einkaufsstraße der Hansestadt, um die Aufmerksamkeit auf seine Modelinie Esmara zu richten. In unmittelbarer Nähe: Bulgari, Jil Sander, Prada und Gucci.

Montag, 12. September: Im Sog der Wöhrl-Probleme muss auch die traditionsreiche Textilkette SinnLeffers den Gang zum Insolvenzrichter antreten.

 

Die vergangene Woche zeigt: In der deutschen Modebranche liegen Freud und Leid kaum eine Kragenbreite entfernt. Internetanbieter wie Zalando und Amazon, Textil-Discounter wie Kik und  Takko, eigentlich branchenfremde Riesen wie Aldi und Lidl mit eigenen Modelabels- und Star-Designern und internationale Ketten wie Zara, H&M oder Primark wirbeln die Branche wild durcheinander.

Die Leidtragenden sind die sogenannten Multilabel-Anbieter, Modehäuser wie Wöhrl, Peek & Cloppenburg, SinnLeffers oder Breuninger. Sie bieten ihren Kunden hunderte von Marken auf großer Fläche unter einem Dach. „Zwischen Zara und Zalando ist nur noch verdammt wenig Platz“, kommentiert Daniel Terberger, der Vorstandsvorsitzende des Bielefelder Modedienstleisters Katag. Seine Prognose: „In den kommenden Jahren könnten noch so einige große und mittelgroße Händler aus dem Markt verschwinden, genauso wie entsprechende Industrieunternehmen.“

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Viele mittelständisch geprägte Textilhändler können den großen Ketten und Online-Anbietern nichts mehr entgegensetzen. Es fehlen die innovativen Konzepte. Viele Läden sehen heute noch fast so aus wie vor zehn, fünfzehn Jahren. Doch der Markt hat sich seither dramatisch verändert. Genauso wie der Kunde.  Den zieht es immer seltener in die Innenstädte und Fußgängerzonen. Laut einer Umfrage des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) jammern schon zwei Drittel der hiesigen Modehändler über Frequenzverluste. Gekauft wird stattdessen bequem von daheim aus im Online-Shop. Um fast ein Fünftel auf mittlerweile mehr als zehn Milliarden Euro stiegen die Internet-Umsätze mit Bekleidung im vergangenen Jahr, meldet der E-Commerce-Verband bevh.

Wie Wöhrl und SinnLeffers in die Krise rutschten

Bei Wöhrl sind die Probleme teilweise hausgemacht: So gab es in den vergangenen Jahren häufige Personalwechsel in der Führung, das Sortiment wirkte angestaubt, in die Filialen wurde kaum noch investiert, stattdessen wurde die Modekette Sinn-Leffers geschluckt. Das heutzutage überaus wichtige Online-Geschäft hatten die Franken bisher überhaupt nicht auf der Agenda. Jetzt wird es eng. Ein neuer Investor muss her, knapp ein Drittel der Geschäfte werden zusperren müssen.  Wöhrl beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter und erlöst rund 300 Millionen Euro Umsatz. Die meisten Filialen sind in Bayern, Wöhrl betreibt aber auch Häuser in Berlin, Baden-Württemberg und Ostdeutschland.

Das Nürnberger Modeunternehmen gehörte seit 1970 den beiden Söhnen von Rudolf Wöhrl, Gerhard und Hans Rudolf Wöhrl. Letzterer schied aber 2002 aus dem Management aus und hat seit 2011 nichts mehr mit dem Unternehmen zu tun. Seitdem ist es komplett im Besitz von Gerhard Wöhrl und seiner Familie. Hans Rudolf Wöhrl ist Hobby-Pilot und hatte einst in Fluggesellschaften wie Deutsche BA und LTU investiert. Er heiratete die CSU-Politiker Dagmar Wöhrl. Die Juristin und ehemalige Miss Germany war unter anderem parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und früher ebenfalls für die Wöhrl-Gruppe tätig.

Bei Wöhrl ziehen die Probleme weitere Kreise. Der Familie Wöhrl gehört seit drei Jahren auch die Modekette Sinn-Leffers mit 22 Filialen – die nun auch seit Montag zahlungsunfähig ist. SinnLeffers habe einen Insolvenzantrag gestellt, teilte Wöhrl mit. Der Antrag habe „keinen Einfluss auf die operativen Geschäfte und die laufende Sanierung der Rudolf Wöhrl AG“. Weder Standorte noch Mitarbeiter oder Geschäftsbeziehungen von Wöhrl seien davon berührt.

Sinn Leffers war 1997 durch die Fusion aus den zwei kleineren Traditions-Modehäusern Sinn und Leffers entstanden. Von 2001 bis 2005 gehörte das Unternehmen zum Essener Karstadt Quelle-Konzern, bis es von der Deutschen Industrie Holding (DIH) übernommen wurde. Aktuell gibt es 22 Sinn Leffers-Filialen in Deutschland, darunter in Bonn, Bielefeld und Münster. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen 1400 Mitarbeiter. Die Ursprünge des Modehauses gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück.

Primarks Erfolg

Probleme und sinkende Umsätze dürften für die Trend-Kette Primark so weit weg sein, wie Darmstadt 98 vom Meistertitel in der Fußball-Bundesliga. Die Iren schwimmen mit ihrer billigen Mode auf einer Erfolgswelle – obwohl, oder weil, sie sich nicht um den E-Commerce scheren. Begründet wird das wie folgt: „Wir haben die Preisführerschaft. Wenn wir aber den Versand und all die Retouren bezahlen müssen, rechnet sich das nicht. Wir bleiben dabei: kein Online-Shop“, begründet Primark-Chefin Breege  O’Donoghu.

Der gnadenlose Wettbewerb im Handel

Primark, eine Tochtergesellschaft der Associated British Foods plc (ABF), betreibt derzeit 310 Läden in elf Ländern und beschäftigt mehr als 62 000 Mitarbeiter. Im September 2015 eröffneten die Iren ihren ersten Laden in den USA und im April 2016 den ersten Store in Italien. In Deutschland gibt es Primark Stores in Bremen, Frankfurt (2), Gelsenkirchen, Dortmund, Hannover, Saarbrücken, Essen, Berlin (2), Karlsruhe, Düsseldorf, Köln, Stuttgart, Krefeld, Dresden, Kaiserslautern, Braunschweig, Weiterstadt, Leipzig und demnächst in Mannheim. 

Primark & Co. haben einen gnadenlosen Wettbewerb im Handel mit Textilien entfacht. Die traditionsreichen deutschen Händler bekommen es mit extrem aggressiven europäischen Konkurrenten zu tun. Dazu zählen Inditex (Zara, Massimo Dutti) aus Spanien, der schwedische H&M-Konzern und die irische Primark-Gruppe. Inditex ist inzwischen in jeder größeren deutschen  Stadt mit mindestens einer seiner Mode-Ketten vertreten. 

Die Erfolgsmasche ist bei dem Trio nahezu identisch: modische Klamotten zu extrem günstigen Preisen. Die Unternehmen reagieren sehr schnell auf neue Trends und bringen fast wöchentlich neue Teile oder Kollektionen auf den Kleiderhaken. Sie produzieren aufgrund ihrer rasanten Expansion gigantische Volumen in Asien, Osteuropa oder Nordafrika. Das macht jeden einzelnen Rock, jedes T-Shirt, jede Hose, sehr preiswert. Die drei Moderiesen haben die gesamte Wertschöpfungskette im Griff. Von der Fertigung der Stoffe bis hin zur Präsentation in den eigenen Läden. Primark hat das Prinzip noch einmal in Richtung Discount zugespitzt, mit Angeboten wie drei T-Shirts für zehn Euro – da ist nicht nur das altehrwürdige Textilkaufhaus Wöhrl schlicht und einfach chancenlos. 

Das sind Europas größte Modekonzerne
Platz 10: CalzedoniaDie Fachzeitschrift „TextilWirtschaft“ untersucht jedes Jahr die Umsätze der größten europäischen Bekleidungshersteller. Die Analyse zeigt: Der Markt steht vor großen Herausforderungen. Zwar konnten die meisten Konzerne wie zum Beispiel Calzedonia wachsen, doch die Krise in Russland und der Ukraine dürfte sich früher oder später in den Bilanzen niederschlagen.Umsatz 2013: 1,60 Milliarden EuroUmsatz 2014: 1,85 Milliarden EuroVeränderung: + 15,4 Prozent Quelle: imago images
Platz 9: Georgio Armani1975 gründete Georgio Armani das Modelabel Armani. Mittlerweile gehört der Konzern zu den Größten der Modebranche. Für Armani arbeiten rund 6500 Menschen. Neben Kleidungsstücken vertreibt Armani außerdem Home-Artikel und Parfüms. Seit 2002 verkauft der Konzern auch Konfiserie-Artikel sowie verschiedene Honig- und Marmeladensorten. Acht Jahre später entstand im Burj Khalifa in Dubai das erste Hotel im Armani-Stil.Umsatz 2013: 1,75 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,00 Milliarden EuroVeränderung: + 14,2 Prozent Quelle: REUTERS
Platz 8: EspritEhemals etablierte Marken sind zu teuren Restrukturierungen gezwungen. So muss sich Esprit auf die Ansprüche der Kunden im digitalen Zeitalter einstellen, heißt es in der Studie von „TextilWirtschaft“. Auch Gerry Weber ist davon betroffen. Darüber hinaus leiden die Modekonzerne auch unter dem starken Dollar, der die Beschaffung verteuert. Esprit trifft es besonders hart. Bei keinem anderen Modekonzern in den Top-20 ist der Umsatz derart stark geschmolzen.Umsatz 2013: 2,35 Milliarden Euro *Umsatz 2014: 2,10 Milliarden Euro**Veränderung: - 10,7 Prozent*Geschäftsjahr 2013/14**Geschäftsjahr 2014/2015 Quelle: REUTERS
Platz 7: KeringDas französisch-italienische Modeunternehmen Kering dürften nur den Wenigsten bekannt sein. Doch mit Labels wie Puma oder Gucci erreicht der Konzern ansehnlich Umsätze. 2014 konnte Kering seinen Umsatz um knapp zwölf Prozent erhöhen.Umsatz 2013: 2,13 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,38 Milliarden EuroVeränderung: + 11,6 Prozent Quelle: REUTERS
Platz 6: Hugo BossDie Edelmarke Hugo Boss ist das zweitgrößte Modeunternehmen Deutschlands. Gegründet wurde es 1924 in Metzingen durch Hugo Ferdinand Boss. Ursprünglich stellte Hugo Boss Berufskleidung her. Unrühmlich ist die Vergangenheit des Konzerns. Im Zweiten Weltkrieg stellte der Konzern die Uniformen für SA, SS und die Wehrmacht her. Dafür wurden unter anderem Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa eingesetzt. Erst nach dem Krieg und dem Tod des Gründers 1948 wurde Hugo Boss zum Modekonzern. Unter der Leitung von Hugo Ferdinand Boss' Schwiegersohn Eugen Holy begann das Unternehmen damit, Herrenanzüge herzustellen.Umsatz 2013: 2,43 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,57 Milliarden EuroVeränderung: + 5,8 Prozent Quelle: dpa
Platz 5: Tommy HilfigerModedesigner Tommy Hilfiger rief 1984 in New York sein eigenes Modelabel ins Leben. Dass der Konzern im Ranking europäischer Modekonzerne gelistet ist, hat er seinem Firmensitz zu verdanken. Tommy Hilfiger sitzt seit 1997 in Amsterdam. 13 Jahre später wurde das Unternehmen durch den US-Konzern Phillips-Van Heusen übernommen.Umsatz 2013: 2,56 Milliarden Euro*Umsatz 2014: 2,70 Milliarden Euro*Veränderung: + 5,3 Prozent*Geschäftsjahr 2013/14**Geschäftsjahr 2014/15 Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 4: Christian DiorDirekt nach dem Krieg gegründet, trug Christian Dior maßgeblich dazu bei, dass sich Paris als Modehauptstadt der Welt etablieren konnte. Insgesamt beschäftigt das Unternehmenskonglomerat über 100.000 Mitarbeiter. Für die Modesparte von Dior arbeiten knapp 3600 Menschen.Umsatz 2013: 2,26 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,70 Milliarden EuroVeränderung: + 19,6 Prozent Quelle: dpa

Auch beim Branchenprimus Peek & Cloppenburg brummt es schon lange nicht mehr in den gut 90 deutschen Modetempeln, die die Düsseldorfer meist in den besten Lagen der Innenstädte gesetzt haben. Die Umsätze stagnieren, bestenfalls. Die Rendite bröckelt seit Jahren. Hinzu kommt: P&C ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Wechsel auf die Nachfolgegeneration holpert. Seitdem Junior Patrick Cloppenburg das Kommando übernommen hat, haben scharenweise Top-Leute das Unternehmen verlassen. Eine große Lücke riss beispielsweise der Weggang von Christian Meermann, der 2013 von Zalando gekommen war für die Düsseldorfer das E-Commerce-Geschäft aufbauen sollte. 

Die besten Überlebenschancen trauen Branchenkenner kleineren Anbietern zu, die vor Ort verankert sind und ihre Kundschaft und den Bedarf kennen. In der Branche gelten zum Beispiel Engelhorn aus Mannheim, Konen aus München und L+T aus Osnabrück als positive Beispiele.

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