Für den stationären Handel geht es dabei in erster Linie um Waffengleichheit mit den Onlineangreifern. Während die großen Shoppingportale jeden ihrer Kunden genau kennen, wissen welches Buch er vor Jahren gekauft und welches Musikalbum er sich lange angeschaut hat, um beim reduzierten Preis zuzuschlagen, tappten die Geschäftsbetreiber lange im Dunkeln.
Im Kampf mit den großen Onlineportalen setzen immer mehr Händler auf neue Möglichkeiten, mit dem Kunden in Kontakt zu kommen und mehr über seine Vorlieben und Bedürfnisse zu erfahren. Gerade in den Shopping-Apps für das Smartphone schlummern noch große Potenziale, glauben Konsumforscher.
Shopkick passt daher gut in die Mehrkanal-Strategie der teilnehmenden Händler – insbesondere, weil sie selbst wenig dafür machen, und der App-Betreiber die Steuerung übernimmt. Unisono loben sie den Ansatz der App, obwohl sie die Auswirkungen in ihren Läden – abgesehen von ein paar positiven Rückmeldungen bislang nicht an harten Zahlen messen können.
Shopkick sei "ein richtiger Schritt in die Zukunft", lässt sich die Douglas-Chefin Claudia Reinery zitieren. Die Supermarktkette macht aus der Überzeugung mit, "dass in Zukunft derartige Digitalangebote mit der weiter zunehmenden Alltagsnutzung von Smartphones weiter an Bedeutung gewinnen." Mediamarkt und Saturn wollen in Zukunft gar ihre eigenen Smartphone-Apps mit Shopkick-Funktionen ausstatten.
Was bedeutet überhaupt Multi-Channel?
Kaum ein Begriff wird in der Handelsbranche derzeit so intensiv diskutiert, wie das Multi-Channel-Retailing (Mehrkanalhandel). In der Diskussion, wie auch in den Medien, werden unter dem Oberbegriff dabei verschiedene Ausprägungen synonym verstanden. Ein kurzer Überblick.
Quelle der Begriffsdefinitionen: HandelsMonitor 2014. (R)Evolution des Mehrkanalhandels, dfv Mediengruppe
„Beim Multi-Channel-Retailing setzen Handelsunternehmen parallel mehrere Kanäle zur Distribution ein, die einheitlich markiert sind und einen wesentlichen Sortimentszusammenhang aufweisen. Die Kunden können somit zwischen den alternativen Absatzwegen eines Handelsunternehmens wählen.“
Beispiel: Der Kunde kann ein Produkt sowohl online als auch im laden kaufen.
„Das Cross-Channel-Retailing geht durch die integrative Verknüpfung der einzelnen Kanäle zur Schaffung eines nahtlosen Einkaufserlebnisses über alle Kanäle hinweg einen Schritt weiter als das Multi-Channel-Retailing. Hierdurch wird den Kunden proaktiv ein Kanalwechsel zu jeder Zeit des Kaufprozesses und über alle Touchpoints hinweg ermöglicht.“
Beispiel: Der Kunde bestellt ein Produkt online und holt es im Laden ab.
„Omni-Channel-Retailing bezeichnet die vollständige Integration aller Kanäle über alle Prozesse hinweg. Den Kunden wird die parallele Nutzung von Kanälen durch die ganzheitliche Verknüpfung in jeder Kaufphase ermöglicht.“
Beispiel: Der Kunde scannt im Geschäft mit der Shopping-App des Händlers auf seinem Smartphone des Barcode eines Produktes, und erhält so zusätzliche Informationen und Online-Kundenbewertungen.
Handelsexperten sind sich einig, dass der Verknüpfung der Kanäle in Zukunft eine hohe Bedeutung zukommen wird und dass sie stationären Händlern eine Chance im Wettbewerb mit reinen Online-Anbietern gibt.
Branchenkenner überrascht diese Entwicklung kaum. "In Zukunft wird es für die Händler noch viel mehr darum gehen, ihre Multichannelstrategie auszubauen", sagt vor dem Esche. "Wenn die Kundendaten aus dem Onlinegeschäft und dem stationären Handel synchronisiert werden können, ist das ein echter Mehrwert für den Handel."
Big Data wird immer wichtiger
Der Kunde wird heute stärker vermessen als je zuvor. Weil Menschen Gewohnheitstiere sind, erlauben die Datensammlungen auch eine immer genauere Prognose über künftige Ausgaben.
Dass die Entwicklung durch die Digitalisierung an Fahrt aufnimmt, ist unbestritten. In Deutschland laufen bereits Pilotprojekte mit elektronischen Preisschildern, deren Werte sich durch einen Mausklick ändern – oder ganz automatisch. Ein Gedankenspiel: Jeder Kunde bekommt in Zukunft seinen eigenen Preis, zugeschnitten auf Konsumverhalten und die Dicke der Geldbörse.
"Profilbildung führt zu Kaufanreizen, die sehr genau auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten sind", erklärt Gollner. "Diesen können sich die Betroffenen mitunter nur schlecht entziehen. Das Ergebnis können ungewollte Mehrausgaben sein." Doch der Verbraucherschützer befürchtet auch eine "nachteilige Preisdifferenzierung, die unter anderem anhand des Einkaufsverhaltens und des vermuteten Einkommens der Nutzer vorgenommen werden kann." Preise könnten sich dann weniger am Markt als am Ausgabeverhalten des einzelnen Verbrauchers orientieren.
Dass Verbraucher bei Rabattsystemen mit ihren Daten zahlen, ist nicht neu. Die Frage ist, was uns die immer genauere Vermessung unseres Selbst wert ist. Überraschend wenig. Daran hat sich auch im Smartphone-Zeitalter wenig getan. "Die Höhe des Bonus fällt bei Shopkick, wie bei anderen Programmen, meist nur sehr gering aus", sagt Verbraucherschützer Gollner.
Wie gering, zeigt ein Blick auf die eigene Shopkick-App. 55 Kicks habe ich während meiner zwei Einkäufe gesammelt. Einen Einkaufsgutschein über fünf Euro erhalte ich aber erst ab 1250 Kicks. Umgerechnet bedeutet das: 14 Cent gab es, weil ich den Saturn aufgesucht habe – und acht für das Scannen der Cola.