Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann Der große Schlussverkauf startet

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Wie kam es zu dem Gezerre?

Wie kam es überhaupt zu dem Gezerre?

Vor zwei Jahren kündigte Haub an, dass Marktführer Edeka seine Supermärkte komplett übernehmen wird. Wenig später stoppte jedoch das Bundeskartellamt die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann. Dann machte Bundeswirtschaftsminister Gabriel den Weg mit einer Ausnahmegenehmigung wieder frei – der Ministererlaubnis. Er wurde ein paar Monate jedoch vom  vom Oberlandesgericht Düsseldorf ausgebremst zu werden, das auf Antrag von Rewe und Markant die Ministererlaubnis vorläufig außer Kraft setzte. Auch Norma klagt gegen die Sondergenehmigung. Eine juristische Klärung dieses Durcheinanders könnte Jahre dauern, weshalb Haub die Reißleine zog, nachdem Bemühungen für eine Kompromisslösung zwischen Edeka, Rewe, Tengelmann, Norma und Markant zuletzt scheiterten.

Wer ist schuld an dem Drama?

Über die Schuldfrage ist eine regelrechte Schlammschlacht entbrannt. In Interviews machen sich Rewe-Chef Caparros und Tengelmann-Inhaber  Haub gegenseitig verantwortlich für das Scheitern der Rettungsgespräche. Klar ist: ohne die Klagen von Rewe, Norma und Markant gegen die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hätte Edeka die Supermarktkette komplett übernehmen können.

Klar ist aber auch, dass man Wettbewerbern in einem so umkämpften Markt wie dem deutschen Lebensmittelhandel kaum vorwerfen kann, ihre eigenen Interessen zu wahren und ihre rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Verantwortung für die Lage tragen ohnehin nicht nur die Kläger: Tengelmann-Chef Haub und seine Manager haben es über Jahre versäumt, die Läden zu sanieren. Stück für Stück wurde das Filialnetz geschrumpft  – damit verlor das Unternehmen an der notwendigen Größe. Zu den strategischen Fehlern Haubs gehört auch seine frühe Festlegung auf Edeka als Käufer. Damit waren massive wettbewerbsrechtliche Probleme absehbar. Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist für die Misere mitverantwortlich. Erst durch seine Ministererlaubnis konnte das Verfahren so lange weiterlaufen. Ohne die Sondergenehmigung, wäre der Übernahmeprozess schon längst gestoppt worden und die Kaiser’s-Tengelmann-Standorte hätten zu einem Zeitpunkt verkauft werden können, zu dem sie noch nicht völlig abgewirtschaftet waren.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Besteht noch Hoffnung auf eine Einigung der Kontrahenten in letzter Minute?

Theoretisch gibt es eine Chance, dass sich die Parteien noch zusammenraufen.

Solange keine Kaiser's-Tengelmann-Filiale verkauft wird, besteht die Ministererlaubnis weiter. Die Beteiligten könnten in Verhandlungen noch einen Kompromiss erzielen – und die Kläger ihre Klagen zurückziehen. Vor diesem Hintergrund drängt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine Lösung. Die beteiligten Unternehmen sollten nichts unversucht lassen, doch noch eine einvernehmliche Einigung herbeizuführen im Interesse der betroffenen Menschen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Darin seien sich die Kanzlerin und Wirtschaftsminister Gabriel „vollkommen einig“.

Allerdings ist die Atmosphäre – auch nach diversen Interviews – derart vergiftet, dass eine Lösung weit entfernt ist. Gabriel hat daher bereits einen Mediator ins Spiel gebracht, worauf Rewe-Chef Caparros direkt den Wirtschaftsminister als Schlichter nominiert hat. Ob sich Haub auf weitere Gespräche einlässt, ist allerdings unklar.

Wenn es nach Kaiser's-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub geht, soll Edeka als Bieter bei den Filialverkäufen Vorrang haben. In der kommenden Woche werden die Standorte einzeln verkauft.

Wie reagieren die Mitarbeiter?

Die Belegschaft sei „am Boden zerstört“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Kette in Nordrhein-Westfalen, Rainer Schroers, bereits am vergangenen Freitag. „Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Das ist ein Horrorszenario.“ Auch der Chef des Kaiser's-Tengelmann-Betriebsrats in Bayern, Manfred Schick, reagierte enttäuscht. „Man hat nicht alles versucht in den Verhandlungen an diesem sogenannten runden Tisch, um eine für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze gute Lösung zu finden“, sagte er. Verdi wollte das Ringen um die Rettung von Kaiser's Tengelmann noch nicht verloren geben. Die Gewerkschaft werde „auch jetzt noch alles daran setzen“, die Zerschlagung zu verhindern, erklärte Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Welche Folgen hat die Zerschlagung von Tengelmann für die Kunden?

Die Kunden werden zunächst keine Änderungen spüren. Erst wenn der Verkauf des Filialnetzes abgeschlossen ist und wird klar sein, welche Läden geschlossen werden. In all jenen Märkten die verkauft werden, müssen sich die Kunden an neue Anbieter gewöhnen. Der Name Kaiser’s Tengelmann wird in jedem Fall vom Markt verschwinden. Zugleich dürften die Preise in den Märkten deutlich sinken. Laut einer exklusiven Untersuchung des Berliner Preisspezialisten GKL Marketing-Marktforschung für die WirtschaftsWoche gehört Kaiser’s Tengelmann zu den teuersten Anbietern im deutschen Lebensmittelhandel. Laut GKL-Analyse kosten Markenartikel in Kaiser’s-Läden derzeit rund fünf Prozent mehr als bei Edeka und rund 4,6 Prozent mehr als bei Rewe. Verglichen mit den Discountern Aldi und Lidl, verkauft Kaiser’s Tengelmann identische Produkte demnach sogar 18 bis 21 Prozent teurer – im Durchschnitt. Wer auch immer die Filialen übernimmt, die Preise werden sinken.

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