Die Zahlen aus Hamburg sind tiefrot: Für die ersten neun Monate dieses Jahres vermeldet die Traditionsreederei Rickmers um 15 Prozent rückläufige Umsätze und ein operatives Ergebnis, was sogar um fast ein Drittel auf 136,8 Millionen Euro geschrumpft ist. Zudem wird das Konzernergebnis durch außerordentliche Abschreibungen auf einen Teil der Flotte belastet. Insgesamt ergibt sich, wie die Reederei mitteilte, ein "Fehlbetrag von 198,7 Millionen Euro". Zum Vergleich: im Vorjahr lag das Minus nur bei 94,2 Millionen Euro.
Für Anleger sind das keine guten Nachrichten. Sie haben der Reederei über eine Mittelstandsanleihe insgesamt 275 Millionen Euro geliehen, die 2018 fällig wird. Die nächsten Zinsen sollen Anleger im kommenden Juni erhalten. Der Anleihekurs signalisiert allerdings wenig Euphorie, die Papiere werden nur noch zu einem Fünftel ihres eigentlichen Werts gehandelt.
Die Reederei leidet unter der jahrelangen Schifffahrtskrise. Auf den Weltmeeren gibt es zu viele Schiffe für zu wenig Waren. Acht Jahre hält die Krise nun schon an, eine schlimmere Flaute hat die Branche nie erlebt. Und Rickmers dürfte die Krise besonders hart treffen. Die Hamburger vermieten ihre Schiffe, oft inklusive Crew, an andere Reeder. Doch die wollen zuerst ihre eigenen Schiffe füllen. Wenn sie noch Schiffe mieten, dann nur zu Tiefstpreisen. Hinzu kommt, dass Rickmers vor allem kleine Schiffe mit einer Kapazität von bis zu 4500 Containern zu seiner Flotte zählt. Diese Frachter bringen häufig nur noch 5000 US-Dollar Miete am Tag ein, das deckt kaum die Betriebskosten.
Marktanteile der größten 10 Container-Reedereien
Die United Arab Shipping Company (UASC) zählt mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent zu den zehn größten Reedereien der Welt.
Quelle: Statista, Stand: 14. März 2017
Die Hongkonger Reederei Orient Overseas Container Line (OOCL) kommt auf einen Marktanteil von 2,8 Prozent.
Auf Platz acht landet die Hamburg Süd Group, die ebenfalls auf einen Marktanteil von (gerundet) 2,8 Prozent kommt.
Auch das chinesische Transportunternehmen - Yang Ming Marine Transport Corporation - gehört zu den größten Container-Reedereien der Welt. Aufgerundet liegt der Marktanteil ebenfalls bei gerundet 2,8 Prozent.
Ein weiteres deutsches Transport- und Logistikunternehmen ist durch die Hapag-Lloyd AG mit Sitz in Hamburg in den Top 10 vertreten. Mit einem Marktanteil von 4,8 Prozent ist Hapag-Lloyd die sechstgrößte Container-Reederei der Welt.
Die Liniendienste der Reederei Evergreen Marine landen mit einem Marktanteil von (gerundet) 4,8 Prozent auf Rang fünf.
Bei einem Marktanteil von rund 8 Prozent ist die chinesische Reederei COSCO die viertgrößte der Welt.
Der Marktanteil des französischen Schifffahrts- und Logistikunternehmens CMA CGM Group liegt bei stolzen 10,3 Prozent.
Noch etwas besser ist es um die Mediterranean Shipping Company (MSC) bestellt, die in Genf sitzt. Bei einem Marktanteil von 14,3 Prozent ist sie zurzeit die zweitgrößte Reederei der Welt.
Die dänischen Containerschiffsreederei A. P. Moller-Maersk landet auf der Spitzenposition. Ihr Marktanteil ist bei 15,9 Prozent unübertroffen.
In Singapur mussten Anleihegläubiger bereits über einen umfangreichen Schuldenschnitt entscheiden. Die Rickmers-Tochter Rickmers Maritime hatte sich über eine Anleihe umgerechnet rund 65 Millionen Euro bei Anlegern geliehen, kann die Schulden aber nicht zurückzahlen. Die Mehrheit der Anleger stimmte nun für den Verzicht und eine Umwandlung der Papiere in Wandelanleihen. Am Mittwoch dieser Woche sollten die Gläubiger dem Restrukturierungsplan endgültig zustimmen, es erschienen aber nicht genug Anleger zur Abstimmung.
Rickmers selber hat bereits Vorkehrungen getroffen, damit die Geschehnisse in Singapur die Ergebnisse der Hamburger Holding nicht zusätzlich belasten. Die Reedereigruppe verkaufte ihre Anteile an einer Gesellschaft namens Rickmers Trust Management, die als geschäftsführendes Vehikel der Rickmers Maritime diente. Die Ergebnisse von Rickmers Maritime fließen deshalb nicht mehr in die Zahlen der Hamburger Rickmers Gruppe ein, obwohl Rickmers weiterhin rund 34 Prozent an Rickmers Maritime hält.
Rickmers größtes Problem
Der Verkauf ist brisant. Denn Käufer ist laut Medienberichten die Brick Holding International. Und die gehört Bertram Rickmers, dem Eigentümer der Rickmers Reederei. Der Hamburger Reeder hat sich seine kriselnde Tochterfirma damit selbst abgekauft. "Solche Verkäufe innerhalb des eigenen Unternehmens sind in der Regel ein schlechtes Zeichen", sagt ein Restrukturierer. Bertram Rickmers nimmt ein Verlustgeschäft in Kauf, um die Bilanz seines Hauptunternehmens stabiler wirken zu lassen.
Die Allianzen der Reedereien
Der Name der Allianz "CKYHE" setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Mitglieder zusammen: Das ist die Cosco Shipping Line aus China, die japanische K-Line, Yang Ming aus Taiwan, die koreanische Hanjin und die taiwanische Reederei Evergreen, fünftgrößte Reederei der Welt.
In der Allianz "2M" haben sich die beiden größten Reedereien der Welt zusammengeschlossen, die dänische Maersk Line und die Schweizer MSC. Damit hat 2M nicht nur die meisten Marktanteile, sondern auch die größten Schiffe. Die Allianz verfügt alleine über 25 Mega-Containerschiffe mit einer Kapazität von mehr als 18.000 Standardcontainern.
Eigentlich wollten die beiden Reedereien gemeinsam mit der drittgrößten Reederei, der französischen CMA CGM, die Mega-Allianz "P3" gründen. Doch die chinesischen Kartellbehörden legten ihr Veto gegen dieses Bündnis ein.
Einer der Partner der Allianz G6 ist Hapag-Lloyd, die größte deutsche Reederei. Sie kooperiert mit den japanischen Reedereien MOL und NYK, der Orient Overseas Container Line (OOCL) aus HongKong, der Hyundai Merchant Marine (HMM) mit Sitz in Südkorea und der singapurischen NOL. Ein Mitglied wird das Netzwerk aber wahrscheinlich bald verlieren: NOL soll vom französischen Konkurrenten CMA CGM übernommen werden. Aus G6 wird dann vielleicht G5.
Nach dem die geplante Mega-Allianz P3 am Widerstand der Chinesen platzte, schuf sich CMA CGM ein neues Netzwerk: Die Franzosen, drittgrößte Reederei der Welt, kooperiert mit China Shipping (CSCL) und der arabischen Reederei United Arab Shipping Agency Company (UASC). Gemeinsam besitzen die Reedereien aktuell sieben Mega-Schiffe, sieben weitere sind geordert. Auch die Schiffe der singapurischen NOL will CMA CGM nach der Übernahme in die Allianz integrieren.
Und das ist nicht die einzige Maßnahme: Mit einem Maßnahmenpaket wollen die Hamburger nun ihre Schulden neu sortieren und die Liquidität stärken. Dazu gehört auch, dass die Hamburger ihre Charterverträge neu verhandeln. Beispielsweise sei mit einem Charterer eine sogenannte "Less-for-Longer"-Verabredung getroffen worden, heißt es in der Mitteilung. Dadurch verdient Rickmers weniger Geld mit den betreffenden Schiffen. Allerdings gewinnt die Reederei dadurch etwas Planungssicherheit, weil die Mieter sich verpflichten, die Schiffe länger zu betreiben. Gleichzeitig gibt es eine neue Leasingvereinbarung mit einem chinesischen Institut.
Doch Rickmers größtes Problem sind nicht die Schiffsverträge, sondern die schon bald fälligen Bankkredite. Die Geldinstitute haben der Reederei über 1,4 Milliarden Euro geliehen, 545 Millionen Euro davon müsste Rickmers binnen eines Jahres zurückzahlen, falls die Banken der Reederei keinen Aufschub gewähren. Nun heißt es, die Gruppe habe Anträge an die Kernhausbanken gestellt, "um unter anderem ein auf die Schifffahrtskrise angepasstes Tilgungsprofil (...) zu vereinbaren".
Rickmers ist also auf das Wohlwollen der Banken angewiesen. Ob das allerdings klappt ist fraglich, schließlich leiden Schiffsbanken wie die HSH Nordbank selber stark unter der Krise.