VW nach dem Dieselgate Müller sieht nur die Fehler der anderen

Konzernchef Matthias Müller bescheinigt VW beim Kulturwandel Fortschritte. Im Dieselskandal sieht er das Unternehmen eher als Opfer. Für die Zukunft setzt er darauf, dass sich Uber und Tesla nicht durchsetzen werden.

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ARCHIV - Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, steht am 22.04.2016 bei einer Pressekonferenz im Volkswagen Werk in Wolfsburg (Niedersachsen). Foto: Julian Stratenschulte/dpa (zu dpa «Müller: Bald Klarheit über möglichen Jobabbau bei Volkswagen» vom 30.08.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Es dauert nur wenige Minuten, da ist Volkswagen-Chef Matthias Müller bei einem seiner Lieblingsthemen: dem Kulturwandel. Der, so sagt Müller, sei dringend notwendig – und auf den Weg gebracht. „Mir ist klar, dass manche denken: Der Müller geht auch wieder vorüber.“ Aber nein: Der Wandel komme ganz bestimmt –auch wenn es dauere. „Als Chef von Porsche habe ich drei Jahre für eine neue Kultur bei 30.000 Mitarbeitern gebraucht. Warum sollte es mit 600.000 Mitarbeitern schneller gehen?“

Müller stellte sich am Montagabend den Fragen von Journalisten und Firmensprechern im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten - und nutzte die Gelegenheit, um ein Zwischenfazit seiner ersten elf Monate als Konzernchef zu ziehen. Keine einfache Zeit: Volkswagen ist in der Dauerkrise, seitdem herauskam, dass im Konzern absichtlich Software eingesetzt wurde, um bei Schadstofftests mit Diesel-Fahrzeugen wesentlich besser abzuschneiden. Kurz gesagt: Kunden und Behörden wurden hinters Licht geführt.

Konzernchef Martin Winterkorn ging, Müller kam. Das war vor elf Monaten. „Dieser Konzern hat eine Kultur gehabt, die sich seit 20, 30 Jahren festgesetzt hat“, sagt Müller heute. Soll heißen: hierarchisch, selbstbezogen. Schlanker soll Volkswagen jetzt werden – ohne betriebsbedingte Kündigungen – und unternehmerischer.

An diesem Abend jedoch sieht er Volkswagen offenbar eher in der Opferrolle. „Wir sprechen über 15 Milliarden Dollar Strafe – ein gutes Ende wird das sowieso nicht. Das ist schweineteuer“, empört er sich. Empfindsam reagiert er auf die Frage, wie er einschätzt, dass Renault ebenfalls betrogen haben soll. „Das ärgert mich, weil andere mit dem Finger auf uns gezeigt haben.“ Und: „Es schmerzt, weil wir die ganze Wucht abbekommen haben und der gemeine Bürger denkt, bei den anderen sei alles okay.“ Doch der Diesel sei auch bei VW nicht tot, beteuert Müller – in zehn Jahren allerdings könnten die Luftreinhalte-Vorschriften so streng sein, dass sich die Abgasreinigung beim Diesel gegenüber einem Elektrofahrzeug nicht mehr lohne.

Überhaupt: Elektrofahrzeuge. Müller kommt gerade aus dem Hamburger Rathaus, wo er eine Partnerschaft mit den Behörden geschlossen hat. Hamburg soll zur globalen Teststadt für e-Mobilität, Vernetzung und autonomes Fahren aus dem VW-Konzern werden. Wo Google, Amazon, Tesla und Uber das Silicon Valley auf eigene Faust zum Testlabor machen, holt sich Volkswagen die Unterschrift des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz (SPD). Und wo die US-Konzerne vom autonomen Fahren schwärmen, hält Müller gerade einmal einen „Kreuzungs-Assistenten bei unübersichtlichen Kreuzungen“ für wirklich wahrscheinlich.

Den Visionen aus den USA für einen nachhaltigen Umbruch in der ganzen Branche setzt er einen Beschluss entgegen: In fünf Schritten werde sich das Autonome Fahren nach und nach entwickeln, so habe es der Deutsche Automobilverband VDA festgelegt. Nebenbei kassiert er gleich mal – nur wenige Minuten nachdem er den Wert der neuen Meinungsvielfaltskultur im Konzern gepriesen hat – die Interviewaussage eines seiner neuen Digital-Vordenker, die nächste Generation werde keinen Führerschein mehr brauchen. Müllers kürzlich geborener Enkel Felix jedenfalls werde sicherlich einen Führerschein machen, sagt der Großvater voraus.

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