Und es bleibt nicht bei der finanziellen Stärke. Der Konzern ist längst eine feste Größe unter den vier großen Konzernen, die laut US-Technologieexperten und Marketingprofessor Scott Galloway den „Alltag von Milliarden Menschen beeinflussen und zunehmend kontrollieren“ – Facebook, Apple, Google und Amazon. Keiner ist verschwiegener und mysteriöser als Apple, der allen Mitarbeitern strikte Geheimhaltungsklauseln aufdrückt und stets nur das Minimum an Informationen preisgibt.
Wie das iPhone-Imperium Heimlichtuerei zum Geschäftsmodell erhebt und welch diabolische Seiten sich dabei auftun, analysiert die WirtschaftsWoche in ihrer aktuellen Titelgeschichte. Sie zeigt die Widersprüche in den öffentlichen Bekundungen von Apple und seinem tatsächlichen Geschäftsgebaren. Beispielsweise als vermeintlichen Kämpfer zum Schutz der Privatsphäre seiner Kunden und dem gleichzeitigen Kotau vor dem Zensur- und Überwachungswahn der chinesischen Regierung. Aber Apples fantastischer Aufstieg und die parallelen Abstiege von Konkurrenten wie Nokia und Sony beweisen auch, wie schnell sich das Schicksal innerhalb kurzer Zeit drehen kann. Das iPhone X ist kein sicherer Selbstläufer.
Der Markt für hochwertige Smartphones wächst kaum noch. Es geht eigentlich nur noch um Verteilungskämpfe mit Samsung und neuen Herausfordern wie Huawei oder neuerdings Google, das sich Know-how über den Smartphone-Produzenten HTC zugekauft hat. Nach zehn Jahren mit ständigen Verbesserungen an Design und Ausstattung der Smartphones fällt es zudem immer schwerer, sich mit wirklich sinnvollen Neuerungen abzusetzen.
iPhone X beunruhigt Datenschützer
Das grundlegend Neue am iPhone X ist sein dominantes Display, was bei kompakten Abmessungen mehr Platz beim Betrachten von Fotos oder Surfen gestattet. Sowie die Identifikation des Nutzers via Gesichtserkennung über eine Infrarotkamera statt eines Fingerabdruckscanners. Das reicht, um Datenschützer in Sorge zu versetzen. Aber ist es genug, Käufer zu begeistern?
Steve Wozniak jedenfalls nicht. Ausgerechnet den Apple-Mitgründer stört die perfekte Choreographie empfindlich. „Das iPhone X wird das erste iPhone sein, zu dem ich nicht am ersten Tag upgrade“, stänkert der Jobs Weggefährte. Denn er habe gerade erst im September das iPhone 8 gekauft, das für ihn im Grunde „das Gleiche wie das iPhone 7 ist, das wiederum für mich genau wie das iPhone 6 ist.“ Mit anderen Worten: Es langweilt. Großzügig schob „Woz“ – wie der bärige Unternehmer liebevoll von seinen Fans genannt wird – nach, dass seine Frau sich das iPhone X kaufen werden. Aber der Schaden ließ sich nicht mehr beheben. Ausgerechnet Wozniak, der sich bei Wind und Wetter in die Schlange vor den Apple Stores einreihte, immer darauf bedacht, nur nicht besonders behandelt zu werden.
Auch Apple-Topanalyst Toni Sacconaghi schlägt vorsorglich warnende Töne an. Er sorgt sich, dass Kunden, die im Weihnachtsgeschäft leer ausgehen, „zu Modellen von Hauptwettbewerber Samsung greifen“.
Wie schnell sich das iPhone X verkauft und ob seine Käufer dessen saftigen Preis ohne weiteres schlucken, ist derzeit Spekulation. „Die meisten Kunden bezahlen den Preis nicht auf einen Schlag“, wiegelt Cook ab. Er baut darauf, möglichst viele Kunden für einen Leasingvertrag gewinnen, bei dem nach zwölf Monaten ein neues Gerät angeschafft werden kann. iPhone auf Abo, mit garantiert wiederkehrenden Umsätzen, ein Traum für Apple-Aktionäre. Klar ist jedoch, dass Apple auf seinen Bestseller mangels Alternativen so stark angewiesen ist wie Google auf seine Suchmaschine. Denn das Erbgut von Jobs steckt weit tiefer in Apple, als Cook es je eingestehen würde.