Wissen, was auf dem Teller landet: Wer bei Aldi - egal ob Süd, Nord oder Suisse - Fisch oder Meeresfrüchte kauft, erfährt auf der Verpackung, wann der Fisch geangelt wurde, ob er aus dem Meer oder einer Aquakultur stammt, wie das Schiff hieß, das den Fisch gefangen hat und in welchem Hafen es geankert hat. "An einer umfassenden Deklaration der Nachhaltigkeitsangaben beziehungsweise Informationen zur Rückverfolgbarkeit arbeitet Aldi Süd seit 2010", sagt Kirsten Geß, Leiterin der Kommunikation bei Aldi Süd gegenüber WirtschaftsWoche Online. Seitdem würden sukzessive detaillierte Angaben ergänzt.
Auch bei den Fleischprodukten hat der Discounter einen Packungscode eingeführt, der über das Schlacht-, das Zerlege- und Verpackungsdatum, sowie den Ort der Herstellung und die Herkunft der Tiere Auskunft gibt. "Die Verbraucher scannen dazu mit dem Smartphone den Code ein und über die "fTrace-Verbraucher-Informations-App" wird eine Verbindung zur Datenbank des Lieferanten hergestellt", erklärt Geß. Bei Aldi Suisse arbeitet man ebenfalls an QR-Codes auf den Produkten, die der Kunde mit dem Smartphone abscannen und sich dann über die komplette Wertschöpfungskette - vom Feld bis ins Regal - informieren kann.
Lebensmittelkontrollen via Gentest
Der Discounter will somit verhindern, dass beispielsweise Tiere aus illegalem Fischfang im Tiefkühlregal landen. Bei Feinkostsalaten mit Thunfisch und anderen Thunfisch-Produkten setzt das Unternehmen sogar stichprobenartig DNA-Analysen ein, um zu prüfen, ob auch wirklich der Fisch drin ist, der auf der Packung drauf steht. Dieses in der Regel teure und aufwendige Verfahren setzt die EU derzeit ein, um falsch deklariertes Pferdefleisch in Tiefkühl- und Fertigprodukten ausfindig zu machen.
Auch der Tiefkühlhersteller Frosta setzt auf die Rückverfolgbarkeit seiner TK-Fische. Auch wenn das, wie Bettina Seul, Bereichsleiterin Forschung & Konzepte am Institut für Handelsforschung an der Universität Köln (IFH) erzählt, ein für den Hersteller sehr aufwändiges Verfahren ist.
Verbraucherportale boomen
Die Transparenz, die Aldi seinen Kunden schon seit rund drei Jahren bietet, würde auch anderen Händlern gut stehen. Der Verbraucher will schließlich nicht erst seit der Aufregung um vermeintliche Bio-Eier oder besagtem Skandal um falsch etikettiertes Pferdefleisch wissen, was er kauft.
Dieses Bedürfnis, besser über Qualität und Herkunft der Produkte informiert zu werden, hat in den letzten Jahren zu einen regelrechten Boom an Aufklärungsportalen geführt: Bei Lebensmittelklarheit.de beispielsweise können sich Verbrauchen über Werbeversprechen beschweren, die mit der Realität wenig bis nichts zu tun haben. So heißt es auf der Homepage:
"Auf der Pizza nur ein paar Alibi-Blätter Rucola, die "Gemüse-Käsekruste" des Fischfilets besteht nur aus ein paar Käsekrümeln oder das große TK-Fischfilet entpuppt sich als ein paar schon leicht schmierige Stücke: Immer wieder ärgern sich Verbraucher, wenn appetitliche Bilder auf der Verpackung Genuss versprechen und Geschmacksassoziationen wecken, der Inhalt aber ausgesprochen mager oder gar unappetitlich daherkommt."
Allein im letzten Jahr gingen rund 9000 Hinweise auf Verbrauchertäuschungen auf der Seite ein.
Warnung vor Glassplittern in Sauerkirschen
Bei lebensmittelwarnung.de geht es schon handfester zur Sache: Hier warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) konkret vor Nahrungsmitteln, die wegen Verunreinigungen bedenklich für die Gesundheit sind. So erfährt der Verbraucher beispielsweise von Kunststoffpartikeln in der Dosensuppe, Nagerkot in Leinsaat, Metallteilen in Mikrowellen-Currywurst, Giftpilzen in der Pilzmischung oder Glassplittern in Schattenmorellen. Doch die Verbraucher wollen eben nicht nur im Nachhinein erfahren, welche Wurst sie mal lieber nicht gegessen hätten, sie wollen schon beim Kauf wissen, was in den Einkaufswagen kommt.
In diesen Branchen wollen Verbraucher Transparenz
Vor allem im Bereich Lebensmittel hat Transparenz bezüglich Produkten und Angeboten mit 91 Prozent einen enormen Stellenwert.
84 Prozent der Umfrageteilnehmer sagten, ihnen sei Transparenz bei Pharmaprodukten und Energieversorgern sehr wichtig. In diesen Branchen geht es jedoch vordergründig um die Transparenz der Preisgestaltung.
Immerhin 80 Prozent legen Wert auf Transparenz bei Banken.
Bei der Versicherungs- und der Chemiebranche ist Transparenz für 75 Prozent der Verbraucher wichtig, wenn sie ein Produkt beziehungsweise ein Angebot kaufen.
Auch in den Branchen Textil beziehungsweise Bekleidung kann die Relevanz des Trends als durchaus bedeutend bezeichnet werden. Dabei geht es nicht nur darum, aus welchen Stoffen das besteht, was der Kunde später auf der Haut trägt, sondern auch, unter welchen Bedingungen ein Kleidungsstück gefertigt wurde. 72 Prozent der Umfrageteilnehmer halten Transparenz in der Textilbranche darum für sehr wichtig.
Nicht nur im Lebensmittelhandel, auch beim Handel allgemein wollen 71 Prozent der Verbraucher genau wissen: Woher stammt das Produkt, wie ist es entstanden und wie setzt sich der Preis zusammen? Und auch bei der Automobilbranche sehen 71 Prozent genau hin.
Selbst in der Telekommunikationsbranche legen mehr als 60 Prozent, konkret 66 Prozent der Verbraucher, großen Wert auf Transparenz.
Auch in einem anderen Bereich der Logistik, nämlich in der Transport- und Verkehrsbranche wollen 64 Prozent der Verbraucher wissen, was hinter der Dienstleistung steckt, die sie in Anspruch nehmen.
Die geringsten Anforderungen an die Durchsichtigkeit von Unternehmen und deren Produkte stellen Konsumenten an die IT-Branche. Doch auch hier wollen immerhin 55 Prozent wissen, was sie kaufen.
Bereits im Jahr 2011 gaben satte 91 Prozent der Teilnehmer einer Studie an, dass ihnen Transparenz bei Lebensmitteln sehr wichtig sei. Am liebsten würde der Verbraucher den Weg eines Produktes vom Feld bis ins Supermarktregal genau nachvollziehen können.
Denn das Informationsbedürfnis der Kunden hat sich verändert: Er möchte sich vor Betreten des Geschäfts über ein Produkt informieren können. Bei Unterhaltungselektronik, Autos oder Smartphones ist die umfassende Information über sämtliche Produktdetails in der Regel auch kein Problem. Nur bei Lebensmitteln steht der Kunde oft noch vor dem Käseregal wie der Ochs vorm Berge.
Händler sollten auf QR-Codes setzen
Dabei kommt das Transparenzthema aus dem Lebensmittelbereich, wie Handelsforscherin Bettina Seul vom IFH sagt. "Je näher ein Produkt der eigenen Gesundheit oder dem Körper ist, desto sensibler reagieren die Kunden." Bei allem, was der Verbraucher isst, trinkt oder anzieht, ist es ihm besonders wichtig zu wissen, was er seinem Körper da antut.
Verwirrende Etiketten
Den Kunden die Möglichkeit zu geben, sich umfassend zu informieren, sei deshalb ein ganz klarer Wettbewerbsvorteil. Und das Thema werde - nicht nur bei Lebensmitteln - immer wichtiger. Wenn ein Skandal auftrete, sei die Empörung zwar immer groß, das Verhalten der Verbraucher ändere sich jedoch langfristig kaum. Aber jeder weitere Skandal schärfe die Sinne des Verbrauchers. Oder wie Seul sagt: "Steter Tropfen höhlt den Stein." Deshalb müssten Händler vor allem darauf vorbereitet sein, gefragt zu werden, wo ein Produkt herkommt und wie es entstanden ist. Denn eine reine Etikettierung der Produkte reiche nicht aus, sagt Seul. Gerade da es einen Wust verschiedener Etiketten und Siegel gebe, in dem sich der Verbraucher gar nicht mehr zurechtfindet.
So hielten viele Verbraucher Produkte mit dem Siegel "aus der Region" automatisch für nachhaltig, erzählt Seul. Das muss aber nicht so sein. "Etwas kann aus meiner Region stammen und trotzdem aus Massentierhaltung sein.", sagt sie. Deshalb seien auch QR-Codes, wie Frosta oder Aldi sie verwenden, sehr sinnvoll, auch wenn sie derzeit noch von wenigen Kunden genutzt werden. "Kein Kunde hat die Zeit oder die Lust, jedes gekaufte Produkt komplett zu durchleuchten, aber er möchte die Möglichkeit dazu haben", ist sich Seul sicher. "Das Gefühl, jederzeit weiterführende Produktinformationen selbst abrufen zu können, wird sehr geschätzt."
Und schließlich habe sich am Anfang auch niemand vorstellen können, mit Smartphones einzukaufen. Dementsprechend müsse man auch den QR-Codes beziehungsweise den Verbrauchern Zeit geben, die neuen Möglichkeiten kennen zu lernen und entsprechend zu nutzen.
Dienstleistung, die Vertrauen schafft
Für Händler wäre ein QR-Code auf Produkten ein guter Weg, das Transparenzbedürfnis der Verbraucher zu befriedigen. Da mehr als 30 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone besitzen - Tendenz steigend - könnte so ein großer Teil der Kunden erreicht werden. Bei vielen Produkten ist es schließlich jetzt schon möglich, über Barcode-Apps Preise zu vergleichen und weitere Informationen einzuholen.
Ein positives Beispiel dafür ist die Schweizer Einzelhandelskette Coop: Seit 2010 prangt auf Gemüse und Obst der Bio-Eigenmarke Naturaplan eine drei- bis sechsstellige ID, die die Kunden auf der Coop-Webseite oder via App eingeben und den kompletten Lebenslauf des Apfels oder des Salats einsehen können. Auch auf den Produkten mit dem Schweizer Fairtrade-Gütesiegel "Max Havelaar" prangt ein Code, der, auf der Internetseite eingegeben, sämtliche Informationen zum Produkt ausspuckt.
Diese Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel sei ein wichtiger Schritt gewesen, sagt Denise Stadler, Leiterin der Medienstelle bei Coop. Allein 2012 haben knapp 10.000 Kunden die Naturaplan-Rückverfolgungs-Seite besucht und überprüft, wo die Bio-Möhre oder der Apfel herkommen. "Für uns hat aber die effektive Besucherzahl hier nicht oberste Priorität. Vielmehr ist es aus unserer Sicht eine Dienstleistung an den Kunden, die Vertrauen schafft", so Stadler.
Auch bei anderen Lebensmitteln wie Fleisch und Eiern habe man eine hohe Transparenz - wenn auch für den Kunden unsichtbar. "Intern können wir sowohl beim Fleisch, bei den Eiern und beim Gemüse alles bis zum Produzenten zurückverfolgen. Beim Fleisch sogar bis zum einzelnen Tier", so Stadler. Die verkauften Produkte stammten alle aus der Schweiz von zertifizierten Biobetrieben. Eine solch offene Kommunikation nutzt nicht nur dem Kunden, der sich sicher sein kann, keine Eier aus Legebatterien oder Erdbeeren aus Übersee zu kaufen. Auch der Handel profitiert davon.