Tim Cook hatte die Lacher auf seiner Seite, als ihn auf einer Konferenz vor zwei Jahren ein Reporter löcherte, warum iPhones nicht besser mit Android zusammenarbeiten würden. Er könnte seiner Mutter, die ein Android-Phone nutzt, zum Beispiel bestimmte Videos nicht von seinem iPhone schicken. „Kaufen Sie ihrer Mutter ein iPhone“, entgegnete Cook. War das nur flapsig oder ehrlich?
Auf alle Fälle war es unvorsichtig. Die Antwort von Cook ist nun ein zentrales Beweisstück in der am Donnerstag angekündigten Antimonopolklage der US-Regierung gegen den zweitwertvollsten Konzern der Welt. Der, so behauptet US-Justizminister Merrick Garland, missbrauche seit Jahren seine Macht, um Wettbewerber im Smartphone-Geschäft auszubremsen. Auch solche mit finanziell richtig tiefen Taschen wie Amazon und Microsoft, die das Offerieren eigener Smartphones aufgegeben haben.
Für Cook könnte die Klage zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Gerade hat sein Konzern eine 1,95 Milliarden-Dollar-Strafe von der EU kassiert, wegen seiner Wettbewerbspraktiken beim Streaming von Musik. In China machen sich, angefeuert von Lokalpatriotismus, chinesische Smartphone-Wettbewerber breit. Bei generativer KI – dem Hype Thema schlechthin – ist Apples Position anscheinend so schwach, dass es auf den Erzkonkurrenten Google angewiesen ist.
Nach Standard Oil (Rockefeller) 1911, AT&T im Jahr 1982, Microsoft im Jahr 2000, Google sowie Meta 2020 und Amazon 2023 könnte Apple nun ein weiterer Meilenstein im bereits 1890 verabschiedeten Sherman-Act sein, der die Monopolisierung von Märkten durch wettbewerbsfeindliches Verhalten verhindern soll. Für Apple wird es gefährlich, wenn es sein Geschäftsmodell rund um sein iPhone ändern muss, vor allem wenn es um das enge Verknüpfen seines Bestsellers mit eigenen Dienstleistungen geht.
Noch immer ist das iPhone das zentrale Fundament von Apples Erfolg. Im jüngsten Quartal wurden 58 Prozent des Umsatzes damit erzielt. Mehr noch: Cook hat Apples Geschäftsstrategie ganz auf die Dominanz des iPhones ausgerichtet. Im Gegensatz zu früher, wo der Konzern vor allem deshalb wuchs, weil seine Kunden sich alle paar Jahre ein neues iPhone zulegten, ist es nun für Apple auch okay, wenn diese sich länger mit einem Upgrade Zeit lassen.
Denn mehr und mehr macht Apple seine Profite über seine Service-Sparte – also der Nutzung von Apple-Produkten wie iPhones – über den Kauf von Apps, Musik, Videos, Nachrichten, Spiele oder Speicherplatz. Sie sind auch der Schlüssel für Apples wirtschaftlichen Erfolg. Die Bruttomarge der Dienstleistungen lag im letzten Geschäftsjahr von Apple bei 71 Prozent, verglichen mit 37 Prozent für das Hardwaresegment. „Die Dienstleistungssparte ist eine Goldmine für Apple“, meint Apple-Kenner Gene Munster von Deepwater Asset Management.
Noch scheinen sich Apple-Aktionäre keine großen Sorgen zu machen. Die Apple-Aktie ist seit Jahresbeginn zwar um rund acht Prozent gefallen, ist bei der Börsenkapitalisierung von 2,66 Billionen Dollar allerdings immer noch die Nummer zwei hinter Microsoft mit knapp 3,2 Billionen Dollar.
Nvidia, die Nummer drei, schiebt sich jedoch mit 2,35 Billionen Dollar immer dichter an Apple heran. Nach Interpretation des Sherman Acts, die sich in den 1980er-Jahren durchsetzte, müssen die staatlichen Ankläger nun beweisen, dass Apple mit seinen Taktiken die Preise für seine Endkunden künstlich hochgetrieben hat. Nicht nur bei seinen iPhones, sondern auch der Apple Watch, dem App Store und dem Apple Wallet (einer digitalen Geldbörse).
All das hat sich das Justizministerium in seiner 88-seitigen Anklageschrift vorgenommen.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Jahrelang hat Apple auf Wettbewerbsbedrohungen mit einer Reihe von Holzhammer-Methoden reagiert, die es Apple ermöglicht haben, höhere Preise von den Verbrauchern zu verlangen, Entwicklern und Urhebern höhere Gebühren aufzuerlegen und wettbewerbsfähige Alternativen von konkurrierenden Technologien zu verhindern“, behauptet Jonathan Kanter, der die Antitrust-Abteilung des US-Justizministeriums führt. Das Technologieunternehmen kontrolliere wegen seiner Methoden mehr als 70 Prozent des US-Smartphone-Marktes.