Innerhalb des kommenden Jahres wird Steve Ballmer auf eigenen Wunsch seinen Posten als Microsoft-Chef aufgeben. Das verkündigte der Windows-Konzern am Freitag auf der eigenen Homepage. "Es gibt nie den perfekten Zeitpunkt für einen Wechsel dieser Art, aber jetzt ist die richtige Zeit", kommentierte Ballmer seinen Rücktritt. Wäre er länger geblieben, wären seine Ruhestandspläne mit dem sowieso schon riskanten Wandel Microsofts zu einer Geräte- und Service-Firma kollidiert.
Aus Microsoft soll ein "Microservice" werden. Da mit Windows 8 nun ein einheitliches Betriebssystem bereitsteht, das von Smartphones über Tablets, Notebook und Desktop-Computern alle möglichen Geräte antreiben kann, möchte Ballmer im nächsten Schritt stärker Einfluss auf die Hardware nehmen. "Wir brauchen einen Chef, der länger bleibt", sagte Ballmer.
In einer Mail an seine Mitarbeiter wies Ballmer darauf hin, welche rasante Entwicklung Microsoft genommen hat, seit er im Juni 1980 dem Ruf seines Freundes Bill Gates folgte und Angestellter Nr. 30 bei Microsoft wurde: „Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Unser Umsatz ist von 7,5 Millionen Dollar auf fast 78 Milliarden Dollar angestiegen, seit ich bei Microsoft angefangen habe, und wir sind von gerade einmal 30 Mitarbeitern auf fast 100 000 gewachsen.“
Ballmer hatte die Führung von Microsoft im Jahr 2000 von Konzerngründer Bill Gates übernommen, als der sich zurückzog, um sich um seine Stiftung zu kümmern. Während der Suche nach einem Nachfolger wird der 57-Jährige den Angaben zufolge das Unternehmen weiter lenken.
Die Börse nahm die Ankündigung positiv auf. Die Microsoft-Aktie stieg nach der Ankündigung im vorbörslichen Handel in New York um acht Prozent auf 35,02 Dollar.
Ballmer stand wegen des holprigen Starts des neuen Betriebssystems Windows 8 schon länger in der Kritik. Dabei wollte der Konzern-Chef gerade damit das Unternehmen in eine neue Ära führen. Microsoft hat massiv unter dem neuen Trend weg von PCs und Laptops hin zu Tablets und Smartphones gelitten. Das neue Betriebssystem soll den Spagat zwischen stationärem und mobilem Internet schaffen.
Doch Ballmers Enthusiasmus übertrug sich nicht auf die Kunden. Bereits mitten im Vorweihnachtsgeschäft 2012 zeigte sich, dass die Verkäufe von Windows 8-Notebooks im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig waren. Auch der PC-Verkauf insgesamt stieg nicht an, wie es sonst nach der Markteinführung eines neuen Microsoft-Betriebssystems immer der Fall gewesen war.
Inzwischen hat Microsoft reagiert. Im Oktober wird das Update Windows 8.1 erscheinen. Um den Anschluss nicht zu verlieren, muss Microsoft im mobilen Geschäft aufholen - einer der Gründe, warum Ballmer verstärkt auf Hardware aus dem eigenen Haus setzt. Doch der einstige Hoffnungsträger, das Microsoft-Tablet Surface, zeigt sich bisher als Ladenhüter. Dennoch soll eine neue Variante mit Windows 8.1 auf den Markt kommen.
Auf der Suche nach dem richtigen Nachfolger
Auch bei der Einführung der neuen Xbox One holpert es. Pläne für eine Online-Pflicht, eine nicht abschaltbare Kamera für die Bewegungssteuerung Kinect sowie Restriktionen bei der Nutzung gebrauchter Spiele brachten Microsoft viel Kritik ein. Schließlich ruderte der Konzern zurück. Auf der Spielemesse Gamescom in Köln musste Microsoft dann einräumen, dass er es in acht europäischen Ländern nicht schafft, die neue Konsole rechtzeitig vor Weihnachten in die Läden zu bringen.
Die Manager des Erzrivalen Sony konnten sich daher einige Spitzen nicht verkneifen. „Wir sind froh, diesmal nicht der Prügelknabe zu sein“, sagte Uwe Bassendowski, Deutschlandchef von Sonys Spielesparte. In den vergangenen Jahren hatte die Playstation durch eine riesige Datenpanne Nutzer verärgert. Im Wettstreit der neuen Konsolengeneration scheint Sony dagegen die Nase vorn zu haben. Die Japaner können ihr Gerät 100 Euro billiger anbieten und hoffen dadurch, vor allem in der Xbox-Bastion USA wieder verlorenen Boden gut zu machen.
In der Branche wird unter diesen Umständen mit Respekt zur Kenntnis genommen, dass Steve Ballmer in dieser schwierigen Umbruchphase den Weg für einen Neuanfang freimacht. Allerdings wird die Suche nach einem Nachfolger nicht einfach werden. Die Riege der Stars aus der zweiten Reihe bei Microsoft hat sich gelichtet: Chef-Softwarearchitekt Ray Ozzie verließ 2010 frustriert das Unternehmen, Windows-Chef Steve Sinofsky warf im vergangenen November das Handtuch.
Unter den Microsoft-Auguren ist derzeit Microsoft-Manager Tony Bates der Favorit für die Ballmer-Nachfolge. Der ehemalige Chef des Online-Telefondienstes Skype ist inzwischen auch für die mächtige Business-Abteilung bei Microsoft zuständig und ist ein ausgewiesener Internetexperte.
Der Microsoft-Verwaltungsrat hat derweil einen Sonderausschuss für die Suche nach einem Nachfolger ein eingesetzt. Microsoft-Gründer Bill Gates kündigte bereits an, dass er bei der Suche nach einem neuen Konzernlenker helfen werde.
Steve Ballmer wird sich um seine Zukunft keine Sorgen machen müssen. Sein Privatvermögen beläuft sich laut Forbes auf 15,2 Milliarden Dollar.