Werbesprech

Die Werbung wird automatisiert - und schafft sich ab

Seite 2/2

Die größte Geldvernichtung aller Zeiten

Die Mediaagenturen forcieren das Thema aber nicht nur, weil sie eine höhere Effizienz für ihre Werbekunden verspricht. Sie verdienen sehr viel mehr daran als mit herkömmlicher Werbung. Der weltweit führende Auditor und Marketing-Analyse-Spezialist Ebiquity, der 80 der größten Werbungtreibenden berät, legte jüngst eine Studie vor, die zeigt, dass 60 Prozent aller programmatischen Werbeinvestitionen verschwendet werden. Sie verschwinden im Nebel der sogenannten „Wertschöpfungskette“, der Agenturvergütungen und zahlreicher Zwischenhändler. Das heißt aber, dass maximal 40 Prozent der Werbegelder bei den Medien ankommen - und damit überhaupt die Chance haben, bei den Verbrauchern Wirkung zu erzeugen. Das ist ein empfindlicher Dolchstoß in das gebetsmühlenartig vorgetragene Effizienz-Argument der Agenturen.

Diese Motive treiben den Mittelstand bei der Digitalisierung an

Ein Armageddon, das Agenturen überflüssig macht

Auf Branchenkongressen und in Blogs kursieren allerdings noch ganz andere Zahlen. Ein Fachjournalist rechnete vor, dass nach seiner Meinung 72 Prozent der Spendings in der Wertschöpfungskette versanden. Der US-Werber und Autor Bob Hoffman kam bei seiner Rechnung sogar auf astronomische 97 Prozent, da er zusätzlich die Sichtbarkeit der digitalen Anzeigen, Bot-Traffic und Online-Betrug einrechnete. Hier noch von Effizienz zu sprechen, ist geradezu sarkastisch. Und dass die Mediaagenturen sich obendrein überflüssig machen, wenn Rechner und Algorithmen ihre Arbeit als Mediaplaner und Einkäufer gänzlich übernehmen, scheinen sie nicht einmal zu antizipieren.

Doch damit nicht genug des Digitalisierungswahns. Der nächste Schritt heißt Programmatic Creative. Eine Software entscheidet dabei, welche Werbemittel ausgeliefert werden. Entweder einen zweiten Banner, weil sie erkennt, dass wir den ersten bereits gesehen haben. Oder den Banner, der zuvor am häufigsten angeklickt wurde.

Programmatic Creativity bedeutet aber auch, mit einer nie dagewesenen Vielzahl von Werbemitteln zu arbeiten, die individuell an die Zielgruppe ausgeliefert werden. Dass die programmatische Software auch die Kreation selbst entwickelt, ist keine Science Fiction, sondern längst Realität. Nach den Mediaplanern werden damit auch die Grafiker in den Agenturen obsolet. Den Agenturen steht ein wahres Armageddon bevor. 

Money follows robots

Nun fehlen nur noch die Texter. Sie werden künftig von Ad Copy Robots ersetzt, einer Roboter-Software, die Texte besser, schneller, fehlerfreier und erfolgreicher textet als jeder Mensch dazu fähig wäre. „People Based Marketing“, schreibt Mark Buffy bei Digiday, „will very soon be executed.“ Die Werber werden schlichtweg hingerichtet - von Maschinen, die ihre Arbeit besser können. Und das lange bevor Artificial Intelligence (AI) überhaupt zu greifen beginnt.

Auf das Ergebnis darf man gespannt sein. Schon heute liegt im Internet der Anteil des non-human-traffic, also Website-Besuche und Klicks, die nicht von Menschen sondern von Bots stammen, bei über 50 Prozent. Wenn die Werbung künftig vollständig aus dem Computer stammt, muss man wohl davon ausgehen, dass sie dann auch nur noch von Robotern gesehen wird. Das wäre zumindest logisch.

Diese Jobs sind durch die Digitalisierung entstanden

„All Programmatic“ macht die Ansprache der Zielpersonen schablonenhaft und läutet das endgültige Ende der Aufmerksamkeit ein. Dann gehören die „eyeballs“, die die Werbung stets händeringend suchte, am Ende Maschinen. Dann heißt es „money follows robots“. Die Werber hätten es nicht besser verdient.

Konfuzius hatte wohl recht, als er vor 2.500 Jahren erkannte: „Wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein Maschinenherz.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%