NS-Vergangenheit der Quandts "Man fühlt sich grauenvoll und schämt sich"

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Wie sehr die Familie von der Zwangsarbeit profitierte ist unklar

Merkwürdigerweise beantwortet die Studie ausgerechnet die wichtige Frage, wie sehr die Familie Quandt unterm Strich von der NS-Zeit profitiert hat, nicht.

Gabriele Quandt: Wir hätten das natürlich gerne gewusst. Es ist einfach unmöglich zu rechnen.

Stefan Quandt: Das ist in der Tat unbefriedigend. Fest steht, dass Günther Quandt schon in der Weimarer Zeit eines der größten Firmenvermögen aufgebaut hatte. Professor Scholtyseck kommt zwar zu dem Schluss, dass das Vermögen von diesem Ausgangsniveau während der NS-Zeit kontinuierlich weiter vermehrt werden konnte. Dieser Vermögenszuwachs ist aber bei einer Gegenrechnung mit den Kriegsverlusten nicht mit wissenschaftlichem Anspruch zu klären.

Sie haben sich bisher als Unternehmer der vierten Generation definiert. Führt die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit nun zu einem Bruch mit der Quandtschen Tradition?

Stefan Quandt: Es hat jedenfalls keinen Bruch in der Familie gegeben. Wir haben durch die Befassung mit der Vergangenheit wieder stärker zueinander gefunden.

Gabriele Quandt: Wir sehen uns jetzt wieder viel öfter und haben auch untereinander in den verschiedenen Generationen die Vergangenheit der Familie intensiv diskutiert.

Stefan Quandt: Die gemeinsame bedauernswerte Vergangenheit ist heute in umgekehrter Weise ein Identifikationspunkt. So wie unsere Vorfahren möchten wir bei der Verwaltung und Gestaltung eines großen Vermögens mit unserer Verantwortung nicht umgehen.

Wir sitzen hier im Günther-Quandt-Haus, im Foyer steht seine Porträtbüste. Werden Sie den Namen streichen?

Stefan Quandt: Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass wir das nicht tun sollten. Wir können und wollen Günther Quandt nicht aus unserer Geschichte löschen, sondern werden uns an ihn mit seinen hellen und dunklen Seiten erinnern. Alles andere ist zu einfach.

Soll es auch weiterhin einen Medienpreis geben, der nach Herbert Quandt benannt ist?

Stefan Quandt: Wenn man sein Lebenswerk sieht, denke ich nach wie vor, dass man zu einem Gesamtbild kommt, das es rechtfertigt, einen Herbert Quandt Medien-Preis zu verleihen.

Ist es nicht sonderbar, einen Medienpreis nach einem Mann zu benennen, der nie ein Interview gegeben hat und die Öffentlichkeit scheute?

Stefan Quandt: Nein, denn was wir auszeichnen, sind Beiträge, die Unternehmertum und marktwirtschaftliches Verständnis befördern und einer breiten Öffentlichkeit nahebringen wollen. Das war ein großes Anliegen meines Vaters.

Aber braucht eine Gesellschaft nicht auch Leitfiguren aus der Wirtschaft? Und damit auch Personalisierungen und Unternehmerinterviews?

Stefan Quandt: Sicherlich. Wenn Sie dabei aber an mich denken: Ich persönlich möchte auch in den nächsten Jahren keinen größeren Schritt in die Öffentlichkeit machen.

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