Denn einerseits sind die geistigen Überflieger ehrgeizig und erfolgreich. Andererseits gilt: Egal, wie klug jemand ist, Geld hat die Eigenschaft, den Charakter zu verderben – das hat der renommierte US-Psychologe Dacher Keltner von der Universität von Kalifornien in Berkeley in Dutzenden von Studien belegt. Sein Fazit: Personen aus der Oberschicht neigen in Verhandlungen und Gewinnspielen häufiger zum Lügen und Betrügen als andere Bevölkerungsgruppen. „Gier ist alles andere als gut“, sagt Keltner, „denn sie untergräbt moralisches Verhalten.“
Ein Spiel, das Susan Dreyer nicht mehr mitmachen wollte und ausstieg – auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Damals, im Februar 2008, wird die DWS-Managerin für die Verwaltung des besten Fonds mit deutschen Aktien gekürt. Doch anstatt sich über die Auszeichnung zu freuen, fühlt sich Dreyer, die damals ein Vermögen von 1,7 Milliarden Euro verwaltete, als wäre sie in ein Loch gefallen. „Ich spürte weder Leidenschaft noch intellektuelle Herausforderung“, erinnert sich Dreyer. „Da war nur noch eine große Leere, ich sah keinen Sinn mehr in meinem Tun.“
Am Tag nach der Preisverleihung zieht Dreyer die Notbremse und kündigt. Sie, die mit 34 Jahren scheinbar alles erreicht hatte – große Wohnung, schickes Auto, hohes Gehalt. Und doch keine Antwort wusste auf die Frage: Was mache ich eigentlich mit meinem Leben?
In die Schule
Erst einmal einen Schnitt: Dreyer trennt sich von einem Großteil ihres Vermögens und Besitzes. Zieht nach Berlin, unterrichtet erst die 8. und 9. Klasse einer Gesamtschule in Mathematik, schreibt dann ein viel beachtetes Buch über die Finanzbranche. Und fängt 2010 als Managerin beim Carbon Disclosure Project an, einer Non-Profit-Organisation, die transparent macht, wie umweltfreundlich Unternehmen agieren.
Das heißt: 85 Prozent weniger Gehalt, dafür mit einer 70-Stunden-Woche längere Arbeitszeiten als in der Finanzbranche. Und das unbezahlbare Gefühl, „endlich für eine gute Sache unterwegs zu sein“, statt dem nächsten Bonus und der Beförderung hinterherzujagen. So wie ihre Ex-Kollegen, mit denen Dreyer immer mal wieder telefoniert. Um dann zu hören, wie nervenaufreibend und mühsam deren Engagement an den Märkten gerade ist. „Das“, sagt Dreyer, „will ich mir nicht mehr antun.“
Imbissbude statt Computerbildschirme
Gedanken, die auch Thomas Brauße durch den Kopf schießen, wenn er im Vorzelt seiner Imbissbude auf einer Bierbank sitzt und mit den Anzugträgern plauscht, die bis vor einigen Jahren noch seine Arbeitskollegen hätten sein können. Zurück zu flackernden Computerbildschirmen und Begriffen wie Risk Management und Cash-Flows? Auf keinen Fall.
Gut erinnert sich der Ex-Banker noch an diesen Moment im Dezember 2008, als er Besuch von seinem Personalchef bekam und dieser einen Rechtsanwalt im Schlepptau hatte. Braußes erster Gedanke: „Die machen hier jetzt die Lichter aus.“ Kurz darauf war sein Computerbildschirm aus und die Telefonleitung stumm.