Aktienempfehlungen Die Prognosemärchen der Analysten

Aktienanalysen von Banken und Research-Häusern tun so, als wüssten sie, wohin sich ein Aktienkurs bewegt. Aber das können und wollen sie eigentlich gar nicht. Was Analystenprognosen wirklich taugen.

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Analysten beeindrucken mit klaren Aktienempfehlungen und erreichbaren Kurszielen. Leider liegen sie meist daneben. Quelle: dpa, Montage

Analystenschätzungen können durchaus Kurse bewegen – vor allem, wenn das Unternehmen, deren Aktien von Analysten unter die Lupe genommen werden, die Erwartungen übertrifft oder verfehlt. Für Commerzbank-Aktionäre waren die Fehleinschätzungen der Analysten zuletzt erfreulich: Als die Commerzbank am vergangenen Donnerstag ihre Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr präsentierte und nach langer Durststrecke endlich wieder einen Gewinn von 78 Millionen Euro ausweisen konnte, kletterte der Aktienkurs am gleichen Handelstag um mehr als vier Prozent. Angesichts der massiven Probleme und Herausforderungen, denen sich Banken im Allgemeinen und die zweitgrößte deutsche Privatbank im Besonderen gegenübersehen, hatte die Mehrheit der Analysten mit einem Verlust gerechnet.

Analysten-Berichte und -empfehlungen zu Aktien sind bei privaten wie institutionellen Anlegern sehr gefragt. Die Analysten beleuchten die Einflussfaktoren auf die Aktienkurse von allen Seiten, analysieren Geschäftszahlen, stellen die Planung des Managements auf den Prüfstand, sprechen mit den Vorständen und rechnen mit komplexen finanzmathematischen Modellen ihre eigene Geschäftsprognose, um am Ende zu einer Empfehlung zu gelangen: Kaufen, Halten oder Verkaufen? Ein guter Analyst knüpft dabei sein Urteil immer auch an ein Kursziel für die Aktie.

Empfehlungen sind meist Verkaufshilfe

Das Problem: die ausgegebenen Kursziele werden nur sehr selten von den Experten richtig prognostiziert. Können Anleger also auf Analystenempfehlungen setzen? Welchen Nutzen haben Anleger von Analystenprognosen – oder wem nutzen sie sonst? „Da viele Analysen bei Banken in den vergangenen Jahren als Marketing-Instrument eingesetzt wurden, sehen wir die meisten Studien kritisch“, sagt etwa Robert Bauer vom unabhängigen Vermögensverwalter Packenius Mademann + Partner. „Kursziel und Anlageempfehlungen betrachten wir eher als Verkaufshilfe in der Anlageberatung.“

Tatsächlich herrscht in der Finanzbranche weitgehend Einigkeit darüber, dass Analysten mit ihren Prognosen oft daneben liegen. „Etliche unabhängige Studien zu Analystenschätzungen bestätigen, dass konkrete Aktienanalysen eine äußerst geringe Treffsicherheit besitzen“, sagt Ingo Theismann von der Vermögensverwaltung Consulting Team. „So liegen die Gewinnschätzungen für analysierte Unternehmen auf Jahressicht im Schnitt um 30 Prozent sowohl positiv wie negativ daneben. Damit ist die eigentlich wichtigste Größe zur Beurteilung einer Aktie auf kurze Sicht schon fast eine Zufallsschätzung und damit wenig bis gar nicht brauchbar für eine konkrete Anlageentscheidung.“

"Jeder Investor sollte kritisch hinterfragen"

Sogar in der Analystenzunft selbst wird das so gesehen. Dirk Schilling, Finance-Professor aus Worms und Dozent beim Analystenausbilder CFA Society Germany, einem Ableger des „Chartered Financial Analyst Institute" aus den USA, hält die Analystenarbeit dennoch für sinnvoll, auch wenn Kurzziele oftmals nicht wie prognostiziert einträfen. „Aktienanalysen sind insgesamt für Investoren hilfreich, weil Analysten als Informationsintermediäre Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung eines Unternehmens liefern, die Vorzüge und Nachteile eines Investments herausarbeiten und umfangreiche Daten verdichten und aufbereiten“, sagt Schilling. „Jeder Anleger sollte sich mit den Analysen auseinandersetzen – aber sie auch kritisch hinterfragen.“

Nicht nur reiner Zahlensalat

Die zehn Horrorprognosen für 2014
1. EU-weite Einführung von Vermögensteuer läutet Rückkehr zu einer Wirtschaft im Sowjetstil einDeflation und mangelndes Wachstum versetzen die EU-Kommission in Panik, vermutet die Saxobank. Eine Vermögensteuer für Ersparnisse von über 100.000 Euro bzw. US-Dollar soll helfen. Dies soll Ungleichheit abbauen und Mittel für einen „Krisenpuffer" schaffen. Laut Saxobank wäre das der letzte Schritt in Richtung eines totalitären europäischen Staates und der Tiefpunkt für individuelle und Vermögensrechte. Dann hieße es: „Hard Assets" wie beispielsweise Immobilien kaufen und Finanzanlagen verkaufen.Quelle: Saxobank Quelle: dpa
2. Anti-europäische Allianz wird stärkste Fraktion im Europäischen ParlamentAus den Wahlen zum Europaparlament im Mai geht eine transnationale anti-europäische Allianz als stärkste Kraft und größte Fraktion im EU-Parlament hervor. Ein EU-skeptischer Präsidenten wird vom Parlament ernannt. Zugleich gelingt es den europäischen Staats- und Regierungschefs nicht, sich auf einen Präsidenten der Europäischen Kommission zu einigen. Damit verfällt Europa wieder in politisches und wirtschaftliches Chaos. Quelle: dapd
3. Die "Fat Five" des Technologiesektors erwachen 2014 mit einem üblen KaterWährend die Aktien des amerikanischen IT-Sektors derzeit um rund 15 Prozent unter der aktuellen Bewertung des S&P 500 notieren, wird eine Handvoll von Technologieaktien mit einem massiven Aufschlag von ca. 700 Prozent über der Marktbewertung gehandelt. Diese „Fat Five" - Amazon, Netflix, Twitter, Pandora Media und Yelp - stellen sozusagen eine neue Blase innerhalb der alten Blase dar. Zu verdanken ist das dem Run von Anlegern auf seltene Wachstumstitel im Nachgang zur Finanzkrise. Quelle: dpa
4. Nachdem der Dollar auf unter 80 JPY fällt, bucht Bank of Japan Staatstitel aus2014 erlahmt der globale Aufschwung. Die Kurse riskanter Assets purzeln, und Investoren sehen sich gezwungen, Yen zu kaufen. In der Folge fällt der USD/JPY-Wechselkurs unter 80. Daher greift die Bank of Japan zu einer verzweifelten Maßnahme und bucht ihre gesamten Staatstitelbestände aus ihrer Bilanz aus. Das ist ein ebenso simpler, wie unerprobter buchhalterischer Trick, der dem Land nervenaufreibende Ungewissheit und ein potenzielles Desaster mit ungeahnten Nebenwirkungen beschert. Quelle: dpa
5. US-Deflation: Bald auch in Ihrer Nähe!Zwar mögen einige Indikatoren darauf hindeuten, dass die US-Wirtschaft sich erholt hat, doch der Häusermarkt bleibt schwach und die Löhne stagnieren. Für Januar steht im Kongress der zweite Akt der Tragikomödie „Wie man die US-Wirtschaft am besten sabotiert" auf dem Programm. Die Leidtragenden sind Investitionen, Beschäftigung und Zuversicht der Verbraucher. Im Ergebnis würde die Inflation sinken, und Deflation stände wieder ganz oben auf der Tagesordnung des Offenmarktausschusses der Fed. Quelle: dpa
6. Quantitative Lockerung erfasst sogar HypothekenanleihenDurch die quantitative Lockerung in den USA sind die Zinskosten gesunken und die Preise für riskante Assets in die Höhe geschnellt. Dadurch ist der trügerische Eindruck entstanden, die Wirtschaft erhole sich. Es gibt immer noch massive Probleme, vor allem am Häusermarkt, der künstlich gestützt wird. Daher wird der Offenmarktausschuss der Fed die dritte Runde seiner quantitativen Lockerung 2014 auf den Hypothekenanleihemarkt ausweiten. Anstatt mit dem Tapering zu beginnen, wird die Fed ihr nunmehr völlig auf Mortgage Bonds ausgerichtetes Ankaufprogramm auf ein Volumen von über 100 Milliarden US-Dollar pro Monat hochschrauben. Quelle: dpa
7. Brent Crude fällt infolge von Ölschwemme auf 80 Dollar/BarrelDurch die zunehmende Ölförderung mit neuen Methoden und dem wachsenden Fördervolumen Saudi-Arabiens entsteht ein Überangebot am Markt. Erstmals seit vielen Jahren bauen Hedgefonds umfassende Short-Positionen auf. Im Ergebnis fällt der Preis für Brent Crude auf 80 Dollar pro Barrel. Sobald die Ölproduzenten ihren Output jedoch drosseln, wird der Ölpreis wieder in die Höhe schnellen. Letztlich wird die Branche realisieren müssen, dass hohe Preise durchaus nicht selbstverständlich sind. Quelle: dpa

Letztlich sollten Anleger zwar die ausgewiesenen Kursziele nicht für bare Münze nehmen, die Analysen haben es aber dennoch in sich – und viele Aktienempfehlungen weisen zumindest in die richtige Richtung. Ralf Frank, Geschäftsführer der deutschen Analystenvereinigung DVFA, betont, dass die Analysen neben langen Zahlenreihen sich auch mit vielen anderen Aspekten eines Unternehmens beschäftigen. „Ein Analysten-Report ist nicht nur reiner Zahlensalat, sondern speist sich auch aus weichen Faktoren wie etwa der Marktpositionierung im Vergleich zur Konkurrenz, dem Markenwert von Produkten oder nicht zuletzt aus direkten Gesprächen mit Vorständen und Wettbewerbern“, erklärt Frank. „Anleger, Händler und institutionelle Anleger schätzen an den Analystenberichten deren Fähigkeit, einen Markt zu bewerten, die Güte eines Unternehmens einzuschätzen und die wesentlichen Treiber eines Marktes zu benennen. Ein guter Analyst beantwortet diese Fragen.“

"Wichtig sind die Köpfe"

Profi-Investoren achten daher genau darauf, von wem eine Analyse stammt. „Es gibt sehr gute Analysten in den vielen Research-Abteilungen, die sich über lange Jahre eine hervorragende Expertise in Einzelbereichen herausgearbeitet haben, diese Analysen verfolgen wir aufmerksam“, bestätigt Vermögensverwalter Bauer. „Wichtig sind uns die Köpfe und nicht die Namen der Häuser. Noch wichtiger ist die Unabhängigkeit in der Analyse.“

DVFA-Geschäftsführer Frank bestätigt das: Trotz aller mühsam erworbenen finanzmathematischen Methoden, der Datennormierung und fachmännischen Risikokalkulation seien die Einschätzungen immer auch subjektiv gefärbt. „Da sich die Analysten einer Aktie grundsätzlich alle auf die gleichen Informationen berufen und diese verdichten, liegen die Einschätzungen und Empfehlungen meist nicht allzu weit auseinander“, so Frank. „Es gibt einige Analysten, die sich weiter weg vom Konsens wagen. Sie zeichnet eine gewisse intellektuelle Hartnäckigkeit aus. Ausbildung, Erfahrung und Unabhängigkeit spielen für das Urteil des einzelnen Analysten einen große Rolle.“ Das Unternehmen Starmine, eine Tochter des Börsendatenanbieters Thomson Reuters, nimmt deshalb einmal jährlich eine Bewertung der einzelnen Analysehäuser vor und nennt die treffsichersten Analysten. Aber auch das jährliche Ranking zeigt: Kaum einem Analysten gelingt es mehrfach, in dem Ranking weit oben zu landen. Regelmäßig gelingt dies nur drei Prozent von mehr als 1500 untersuchten Analysten.

Mauer zwischen Analysten und Aktien-Verkäufern

Um die Unabhängigkeit der Analysten ist es auch rein formell nicht allzu gut bestellt. Ein Analyst ist schließlich kein Verbraucherschützer oder gemeinnützig auf Staatskosten tätig wie die Stiftung Warentest. Selbst Verbandsgeschäftsführer Frank rät davon ab, sich bei diesem Thema Illusionen hinzugeben. „Analysten sitzen nicht im Elfenbeinturm und blicken auf den breiten Markt herab“, sagt Frank. „Bei der Arbeit eines Analysten zählt auch die Kommerzialität. Zwar ist er in seinem Urteil unabhängig, aber er covert natürlich vorzugsweise Aktien, die umsatzträchtig sind. Schließlich wird auch seine Tätigkeit von den Transaktionsgebühren bezahlt, die sein Arbeitgeber – etwa eine Investmentbank - einnimmt.“

Grundsätzlich ist es Analysten in den meisten Häusern verboten, sich intern mit den Kollegen aus dem Investmentbanking über einzelne Aktienbewertungen auszutauschen. Gerade ihre Compliance-Abteilungen haben die Banken in den vergangenen Jahren trotz schwerer Zeiten für die Branche nochmals aufgerüstet, um Marktmanipulation und Insidergeschäfte auszuschließen. Die sogenannten „Chinese Walls“, also die Abschottung der Research-Abteilungen der Analysten von der Verkaufsseite, dürfen nicht brüchig werden, zumal sonst harte Strafen und ein unermesslicher Reputationsschaden drohen. Im Allgemeinen scheint diese Abgrenzung auch ganz ordentlich zu funktionieren, heißt es in Analystenkreisen.

Unabhängigkeit ist wichtig

Was Experten für den Kapitalmarkt 2014 erwarten
Jeden Winter veröffentlichen die internationalen Banken ihren Kapitalmarktausblick für das kommende Jahr: Wie entwickeln sich einzelne Währungen, Staatsanleihen, die Inflation, das Wirtschaftswachstum einzelner Länder und Wirtschaftsregionen oder die Leitindizes. Als Rückversicherung geben viele Geldhäuser neben ihren Prognosen aber auch gleich noch mit an, dass natürlich alles ganz anders kommen kann. So gab beispielsweise der Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, Uwe Burkert, zum Abschluss seines Kapitalmarktausblickes zu, dass gleich ein ganzes Bündel möglicher Gefahren die Zuversicht der Investoren ins Wanken bringen und sämtliche Aktienprognosen über den Haufen werfen könnte. So könnte die Angst vor dem Platzen von Preisblasen an den Finanzmärkten für Verunsicherung sorgen. Im Folgenden also die Analystenprognosen - wie immer ohne Gewähr. Quelle: Fotolia
Aktienprognose von SchroedersDie Experten der britischen Vermögensverwaltung Schroeders gehen davon aus, dass europäische Aktien auch 2014 ein starkes Aufwärtspotenzial haben. "Ein verbessertes Ertrags-Momentum dürfte als nächster Impulsgeber für einen Aufschwung bei europäischen Aktien dienen", sagt Rory Bateman, Leiter britische und europäische Aktien bei Schroders. Für ihn ist im kommenden Jahr ein Stockpicking-Ansatz der Schlüssel zum Erfolg, um die Gewinner unter den europäischen Werten zu ermitteln. "Anleger sollten sich nun darauf konzentrieren, zwischen den verschiedenen Grautönen innerhalb des europäischen Marktes zu unterscheiden. Allgemeingültige Anlagestrategien für bestimmte Sektoren oder Ländern sind nämlich nicht mehr angebracht. 2014 wird für den europäischen Aktienmarkt ein Jahr der Einzeltitelauswahl", ist der europäische Aktienexperte überzeugt. Er rät beispielsweise zu Papieren von Unternehmen aus dem Lebensmittel- und Getränkesektor sowie zu Konsumgüterherstellern. Quelle: Screenshot
Schroeders zur Entwicklung bei den BankenMit Blick auf die viel befürchtete Bankenkrise in Europa kann Bateman beruhigen: „Das Risiko einer systemischen Bankenkrise in Europa ist praktisch nicht mehr vorhanden. Die Banken in der Region haben den Fremdkapitalanteil und die Risikopositionen in ihren Bilanzen abgebaut und geben Aktien aus. Der Sektor ist also auf dem richtigen Weg, um die in Basel III festgelegte Kernkapitalquote von zehn Prozent bis Ende 2013 umzusetzen – weit vor der gesetzlich vorgesehenen Frist.“ Außerdem werde die Europäische Zentralbank (EZB) 2014 die Vermögensqualität im Bankensektor prüfen. Und auch wenn einzelne Banken vermutlich zusätzliches Kapital benötigen werden, geht der europäische Aktienexperte davon aus, dass das Vertrauen damit nicht nur wiederhergestellt, sondern auch signalisiert werde, dass die europäischen Banken kein systemisches Risiko mehr darstellen. Während spanische Banken aufgrund von Immobilienkrediten mit Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, würden notleidende Kredite auch den italienischen Banken gewisse Unsicherheiten bescheren. Quelle: dpa
DAX-Prognose der TargobankDer Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang blickt optimistisch in das kommende Börsenjahr: „Wir sehen für den DAX ein Rückschlagpotenzial bis 8.300 Indexpunkte, erwarten ihn aber zum Jahresende 2014 bei rund 10.700 Zählern“, sagt er. Obwohl der deutsche Leitindex in den letzten zwei Jahren gut 30 Prozent zugelegt habe, sei er noch nicht überwertet. "Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt in der Nähe der langfristigen Durchschnitte", so Lang. Die große Skepsis der Vergangenheit, die sich in sehr niedrigen Bewertungen niederschlug, sei in hoffnungsvolle Erwartungen umgeschlagen. Quelle: obs
Rohstoffausblick der TargobankBei den Rohstoffmärkten werde sich auch 2014 nicht viel tun, so Lang. Jedenfalls lasse die Aufwärtsbewegung weiter auf sich warten. Quelle: dpa
Targobank zur Inflation und GeldpolitikChefvolkswirt Lang geht davon aus, dass die US-Notenbank FED unter neuer Führung eine Wende in der Geldpolitik einleiten, aber sehr, sehr viel Augenmaß walten lassen wird. "Die Notenbanken werden ihre Geldpolitik nur ändern, wenn die Konjunktur anzieht." Es sei dennoch möglich, dass die FED im Laufe des zweiten Quartals 2014 ihr Anleihen-Ankauf-Programm reduziere. Und weiter: "Je lockerer die europäische Geldpolitik wird, desto fester notiert der Euro." Der Glaube an mögliche Wunderwaffen der EZB und vor allem an den "Magier" Draghi erstaune, solle aber nicht beiseite gewischt werden. "Wir sind skeptisch, ob ein Zurückfahren der lockeren Geldpolitik, womit im ersten Halbjahr 2014 gerechnet werden sollte, in den USA wirklich einen stärkeren Dollar bedingt. Das gilt umso mehr, wenn Europa sich 2014 aus der Rezession befreien kann." Inflation spielt Lang zufolge 2014 keine Rolle. "Es ist sogar möglich, dass sich der Preisauftrieb für den gesamten Euroraum der Null-Linie nähert", prognostiziert er. "Das wird der EZB nicht gefallen." Auch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den europäischen Südländern dürfte sie beunruhigen. Quelle: REUTERS
Targobank zur Weltkonjunktur und den Anleihemärkten"Die Weltkonjunktur wird sich in den kommenden sechs Monaten nur langsam erholen", sagt Lang. "Belebungseffekte gehen von den USA aus, aber weiter nur sehr verhalten von den Emerging Markets." So werde die chinesische Wirtschaft erst in der zweiten Hälfte 2014 Fahrt aufnehmen. Europa könne sich zwar aus der Rezession befreien, doch ein konjunktureller Aufwärtstrend werde sich frühestens Mitte 2014 herausbilden. "Deutschland kann mit positiven Wachstumsraten rechnen", glaubt der Experte. An den Rentenmärkten haben "Südeuropäische Anleihen Kurspotenzial, weil es der Politik gelingen sollte, die Euro-Krise weiter einzudämmen", sagt Lang. "Die jüngsten, wenn auch nur marginalen Rating-Verbesserungen für Griechenland und Spanien, sind Vorboten einer Stabilisierung in der Eurokrise." Das Schwerpunktinvestment der Targobank blieben aber dennoch Unternehmensanleihen mit kürzeren Laufzeiten. Quelle: dpa

Es gibt darüber hinaus aber auch unabhängige Research-Häuser, die selbst keine Handelsabteilung oder Vermögensverwaltung betreiben und so Interessenkonflikte vermeiden. Deren Analysen werden entweder vom Investor bezahlt, oder sie werden direkt vom Wertpapieremittenten – also den Unternehmen – in Auftrag gegeben. „Gerade im letzteren Fall ist die Unabhängigkeit des Analysten besonders wichtig“, so Frank. Die Befürchtung, ein Unternehmen als Auftraggeber der Analyse im Ergebnis besser als gerechtfertigt abschneiden, steht dennoch immer im Raum.

Anleger müssen sich fragen, ob sich die Mühe lohnt, die teilweise sehr umfassenden und auch sperrig formulierten Analysten-Reports überhaupt zu lesen. Die Antwort auf die Frage lautet: ja, teilweise. Wenn sie wissen, was oder welche Teile aus den Analysen wirklich für eine Anlageentscheidung hilfreich ist.

Sinn und Unsinn von Analystenschätzungen

In den Analysten-Reports steckt ganz unabhängig von der abschließenden Aktienempfehlung nämlich eine Unmenge Know-how. CFA-Dozent Schilling betont, dass Analysten auf den Unternehmensdaten und -prognosen zwar aufsetzen, aber auch deutlich darüber hinausgehen. „Sie rechnen anhand von finanzmathematischen Modellen viel weiter in die Zukunft. So diskontieren sie die bis in die ferne Zukunft erwarteten Cashflows aus Sicht der Aktionäre mit deren erwarteter Renditeforderung auf den gegenwärtigen Bewertungsstichtag und nähern sich so dem sogenannten inneren Wert der Aktie an. Dabei handelt es sich um die sogenannte Discounted-Cash-Flow-Methode.“ Anders ausgedrückt: Analysten berechnen anhand von Modellen und Szenarien zur Geschäftsentwicklung, wieviel Gewinn ein Unternehmen noch machen kann und ermitteln damit den gegenwertigen Unternehmenswert. Würde die Börse den erkennen und fair bewerten, ergibt daraus ein gerechtfertigter Aktienkurs.

Dazu, so Schilling, seien umfangreiche Methodenkenntnisse, Annahmen und Rechenschritte unverzichtbar. Je nachdem, ob dieser innere Wert vom aktuellen Kurs einer Aktie nach oben oder unten abweicht, gibt der Analyst dann eine Verkaufs- oder Kaufempfehlung für das Papier ab. „Dahinter steht die Grundannahme, dass sich ein Aktienkurs mittel- bis langfristig immer wieder diesem inneren Wert annähert“, sagt der CFA-Experte. Das sei aber vor allem theoretisch so. „Wir beobachten immer wieder irrationale Marktbewegungen, etwa durch Spekulation, die letztlich zu Kursblasen führen kann. Aber wir gehen davon aus, dass Anleger letztlich rational sind und damit auch eine Erwartung über den inneren Wert einer Aktie entwickeln."

Analyse Stand heute

Schilling wirbt für Verständnis, dass eine Analystenempfehlung immer nur auf dem letzten Informationsstand vor der Veröffentlichung beruhen könne. „Der Informationsstand und somit innere Wert einer Aktie kann sich im Zeitverlauf jederzeit ändern.“ Liegt der Analyst mit seiner Einschätzung daneben, sei Kritik im Nachhinein und auf den ersten Blick immer leicht. „Gleichwohl muss man auf den zweiten Blick im Auge behalten, dass es sich bei Aktienkursprognosen stets um die Verdichtung zukünftig erwarteter und somit unsicherer Informationen handelt, die sich im Grunde permanent verändern. Sie bilden insoweit immer den besten Informationsstand zum Bewertungsstichtag ab.“

Vermögensverwalter schätzen daher besonders die Analysen zum Umfeld, in dem sich ein Unternehmen bewegt. „Wir filtern alle Formen von Finanzmarktanalysen hinsichtlich Ihres Nutzwertes für unsere Anlageentscheidungen“, sagt etwa Vermögensverwalter Theismann. „Tendenziell liegt dabei der Nutzwert bei Marktanalysen höher als bei Unternehmensanalysen mit Aktienkaufempfehlungen und Kurszielempfehlungen. Bei der Flut von verfügbaren Analysen kommt man um einen Qualitätsfilter von Informationen nicht herum.“ Die qualitativen Analysen und die daraus resultierenden betriebs- und volkswirtschaftlichen quantitativen Analysen haben es auch Marcel van Leeuwen, Geschäftsführer von DWPT Deutsche Wertpapiertreuhand, angetan. „Diese Analysen bieten unterschiedliche Perspektiven und schärfen unsere eigenen Überlegungen.“ Auch andere Profiinvestoren nutzen lieber die Marktanalysen und den Vergleich mit Wettbewerbern als die reine Analyse des Unternehmens.

Mainstream-Aktien sind dominant vertreten

Die nutzlosesten Börsenweisheiten
"The Trend is your friend""Der Trend ist dein Freund" gehört wohl in die Kategorie der irreführenden Börsenweisheiten. Denn es animiert Anleger dazu, einem Aufwärts- oder Abwärtstrend durch Käufe oder Verkäufe von Wertpapieren zu folgen, blendet dabei aber aus, das Trends endlich sind und auch jäh kippen können. Das Problem: Die Gefahr ist hoch, dass der Anleger zu spät auf den fahrenden Zug aufspringt und er bis zu der Erkenntnis, dass sich der Freund "Trend" von einem abgewendet hat, hohe Verluste eingefahren hat. Gerade in turbulenten Börsenzeiten wie in den vergangenen Jahren wechseln Trends sehr häufig und sehr schnell.Quelle: "Sell in May and go away - Was die Börsenweisheiten von Kostolany, Buffett und Co. heute noch taugen", von Jessica Schwarzer (Handelsblatt), erschienen im Börsenbuchverlag im Dezember 2013 , sowie eigene Recherchen. Quelle: dpa
"Sell in may and go away"Eine weit verbreitete Börsenweisheit, die die Entscheidung zu kaufen oder zu verkaufen anhand des Kalenders propagiert. Doch leider hält sich die Kursentwicklung an der Börse nicht an Termine. Zwar nimmt der Handel in den Sommermonaten oftmals ab und im Herbst wieder zu, doch gibt es in der Historie auch reichlich Gegenbeispiele. Etwa den Mai 2013, als der deutsche Hauptindex Dax seine Rekordjagd begann und nur in diesem einen Monat um sechs Prozent zulegte. Letzten Endes ist es nicht das Datum, sondern die erwartete Wirtschaftslage, die über Auf und Ab an der Börse entscheidet. Quelle: Fotolia
"Timing ist alles"Jeder möchte Aktien gerne kaufen, wenn die Kurse auf dem Tiefpunkt sind, und verkaufen, wenn sie ihren Zenit erreichen. Das Problem: Wann Hoch- oder Tiefpunkt erreicht wurden, wissen Anleger erst im Nachhinein. Denn leider klingelt kein Wecker, wenn die Kauf- und Verkaufskurse optimal sind. Nicht einmal Profis gelingt das perfekte Timing ohne eine große Portion Glück - aber sie erkennen, wann eine Aktie günstig bewertet oder schon zu teuer ist und verfolgen meist eine langfristige Strategie. Wer aber versucht, immer in die Kurstäler und -spitzen zu handeln, generiert hohe Handelsgebühren, die viel von der Rendite aufzehren. Hier gilt eher der Börsenspruch: "Durch eine verpasste Gelegenheit ist noch niemand arm geworden." Gleiches gilt für Gewinnmitnahmen bevor der Kurs seinen Gipfel erklommen hat. Quelle: dpa
"Beim Denken ans Vermögen, leidet oft das Denkvermögen"Diesen Spruch gibt es auch in vereinfachter Form: Gier frisst Hirn. Zwar neigt die Psyche des Menschen dazu, sich die eigenen Fehler schönzureden und wer allzu gierig ist, schlägt leicht über die Stränge oder geht allzu vollmundigen Versprechen oder gar Betrügern auf den Leim. Aber im Grunde ist diese Erkenntnis nutzlos, denn schließlich kann sich kein Anleger seiner Psyche entziehen. Der einzige Rat der daraus folgt, sollte für Anleger an der Börse eigentlich eine banale Selbstverständlichkeit sein: Bewerten Sie die Fakten so objektiv wie möglich und verlassen Sie sich nicht einfach auf ihr Bauchgefühl. Das weiß aber jeder Anleger, der schon einmal zulange an einem Wertpapier festgehalten und dadurch schmerzliche Verluste gemacht hat. Quelle: dpa
"Buy on bad news, sell on good news"Grundsätzlich ist es ja richtig: Gibt es zu einer Aktie schlechte Nachrichten, fällt in der Regel der Kurs, und das Papier kann billig gekauft werden. Aber häufig sind bei Unternehmen in Schwierigkeiten ganze Serien schlechter Nachrichten zu beobachten, so dass die Kurse immer noch tiefer fallen. Woher sollen Anleger auch wissen, ob es nicht noch schlimmer kommt? Umgekehrt gilt das ebenso: Es gibt Unternehmen, die regelmäßig mit ihren Ergebnissen die Markterwartungen übertreffen. Wer gleich bei der ersten positiven Überraschung verkauft, verpasst womöglich das Beste. Beispiele dafür waren in der Vergangenheit etwa Werte wie Apple oder Google. Was die Zukunft aber bringt, kann kein Anleger wissen. Quelle: AP
Hermann Josef Abs und Josef Fischer Quelle: Picture-Alliance/dpa
"Ein Spekulant der auf fallende Kurse setzt, gräbt eine Grube, in die andere hineinfallen."Hintergrund ist, dass zum Beispiel Hedgefonds Aktien verkaufen können, die sie gar nicht besitzen. Geschieht das in großer Menge, fallen die Kurse und der Spekulant kann die Aktien günstiger kaufen, um seine Verkaufsposition auszugleichen - und erzielt so einen Spekulationsgewinn auf Kosten der anderen Aktionäre. Die Erkenntnis hilft einem Privatanleger jedoch wenig, denn mit seinen kleinen Handelspositionen ist er dem Auf und Ab durch derlei Kursmanipulationen zunächst ausgeliefert. Ist der Kurssturz jedoch nicht durch fundamentale Daten wie Umsatz, Gewinn oder Cash-Flow eines Unternehmens untermauert, dürfte sich eine so heruntergeprügelte Aktie in der Folge wieder erholen. Anleger können die Schwächephase also aussitzen. Quelle: dpa

Für Anleger problematisch ist hingegen, dass längst nicht alle Aktien auch analysiert werden. Voraussetzung für die Coverage durch Analysten ist vor allem, dass ein Papier stark gehandelt wird. Das führt allerdings dazu, dass liquide Titel – also zum Beispiel Dax-Aktien mit hohem Anteil handelbarer Aktien – besonders häufig von Analysten beurteilt werden, exotische oder kleine Aktien hingegen kaum. „Viele der im regulierten Markt gelisteten Aktien haben große Schwierigkeiten, eine Beurteilung durch Analysten zu erhalten“, räumt Frank ein. „Der Dax hingegen ist völlig überversorgt mit Analysteneinschätzungen.“ Dementsprechend bedeutend sind auch die durchschnittlichen Schätzungen der Analysten für die Erwartungen der Investorenmehrheit. Und damit steigt auch die Gefahr, dass Unternehmen versuchen, diese Erwartungen zu erfüllen. Dann sind Analysen auch zu einem guten Teil letztlich sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Ob das im Sinne des Unternehmens und seiner Aktionäre ist, steht auf einem anderen Blatt.

Gerade das Beispiel Commerzbank zeigt, wie schwierig, wenn nicht sogar unmöglich es für Analysten ist, die Entwicklung eines Aktienkurses korrekt zu prognostizieren. Die nach Ausbruch der Finanzkrise teilverstaatlichte Großbank ist seit Jahren ein Sanierungsfall, ihre Bilanzsumme hat sich nahezu halbiert. Als Dax-Wert spielt die Aktie der Commerzbank bei vielen Investoren dennoch eine große Rolle. Oft befand sie sich gefährlich nahe am Abgrund, der Kurs fiel bis Juli vergangenen Jahres bis auf knapp sechs Euro – von fast 50 Euro fünf Jahre zuvor und mehr als 220 Euro vor Ausbruch der Finanzkrise. Noch immer steht die Commerzbank-Aktie bei der Mehrheit der Analysten auf „Verkaufen“.

"Aktienanalysten sind zu spät"

Dass sich das Papier von seinem Tiefpunkt vor einem halben Jahr gut verdoppeln konnte, haben nur die wenigsten Analysten vorhergesagt. Als der britische Ableger der US-Investmentbank JP Morgan am 10. Dezember sein Kursziel für die Commerzbank-Aktie von 8,87 auf 10,26 Euro anhob, stieg das Papier ebenfalls um mehr als vier Prozent an einem Tag – bis auf 11,19 Euro. Der Kurs schoss also am gleichen Tag noch über das Kursziel hinaus. Dabei gab JP Morgan gar keine Kaufempfehlung ab, sondern stufte sie mit „Neutral“ ein – was soviel wie „Halten“ bedeutet. JPMorgan-Analystin Sofie Peterzens hatte lediglich auf Besserungstendenzen in der Frachtschifffahrt hingewiesen, die gut für den Schiffsfinanzierer Commerzbank seien. Peterzens erhöhte daher ihre Prognosen für die Nettoerlöse aus diesem Kreditgeschäft für die Jahre 2013 bis 2015 im Schnitt um 13 Prozent. Sie rechnete vor, dass im Idealfall der Gewinn der Commerzbank um ein Drittel steigen könne. „Aktienanalysen sind selten treffsicher, da sie meistens prozyklisch sind und damit zu spät“, sagt Vermögensverwalter Bauer.

Die Beispiele belegen aber auch, dass Analysteneinschätzungen Kurse bewegen, egal ob die Prognosen eintreffen oder nicht. Anleger sollten sie daher auch nicht ignorieren. Informationen sind an der Börse ein hohes Gut. Und da alle Anleger und Analysten grundsätzlich Zugang zu den gleichen Informationen haben, spiegelt die Konsensus-Schätzung der Analysten auch so etwas wie die Markterwartung wieder.

Insgesamt liegen Analysten mit ihren Einschätzungen aber nur wenig besser als die übrigen Akteure an der Börse. Eine Untersuchung des Investment-Verwalters AHL MMS ergab etwa, dass Anleger, die den Empfehlungen von europäischen und amerikanischen Analysten vertrauten, nur um zwei Prozent besser abschnitten als der Markt. Die besten Analysten säßen demnach in Asien mit einer um vier Prozent überdurchschnittlichen Performance.

Anleger dürfen aber beim Lesen von Analystenschätzungen und –berichten vor allem eins nicht vergessen: An der Börse wird die Zukunft gehandelt – und die bleibt ungewiss.

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