Berichtssaison an der Börse Wie Anleger eine Bilanz entschlüsseln

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Gewinn- und Verlustrechnung - Ergebnis ohne Kosmetik

Geschäftsberichte kennen viele Zahlen, die den Gewinn ausdrücken, bieten aber nur wenige, die ihn objektiv ausweisen. Anleger finden sie in der Gewinn- und Verlustrechnung.

Für Aktionäre ist natürlich der Gewinn, den eine Aktiengesellschaft erzielt, die alles entscheidende Größe. Schließlich ist dieser auch der wichtigste Einflussfaktor für die Kursentwicklung der Aktie und die ausgeschütteten Dividenden.

Die meisten Anleger konzentrieren sich bei der Vorlage der Jahresabschlüsse auf die Ergebnisrechnung. Auch hier soll primär die Konzernberichterstattung in Form einer Konzerngesamtergebnisrechnung im Vordergrund stehen. Wer es genauer wissen möchte, muss in Gewinn- und Verlustrechnung der Tochtergesellschaften schauen.

Es geht darum, sich nicht blenden zu lassen, denn schließlich ist es letzten Ende immer der Gewinn, der auf lange Sicht für die Kursentwicklung einer Aktie ausschlaggebend ist.

Wo finden sich Zahlen zu Gewinnen und Verlusten?

Gerne stellen Konzerne ihren Bilanzkennzahlen Gewinngrößen voran, die nicht unbedingt den Bilanzierungsregeln entsprechen. Da ist dann vom operativen Ergebnis oder EBIT (Earnings before interest and taxes, also Gewinne vor Steuern und Zinsen) die Rede. Teilweise werden sogar noch Abschreibungen und Zuschreibungen, also Wertminderungen und -erhöhungen von Vermögenswerten, oder sogar Sondereffekte herausgerechnet. Dann wird der Gewinn als "bereinigt" bezeichnet. Für derlei Gewinngrößen gibt es keine allgemeingültigen Definitionen. Sie sind auch nicht vorgeschriebener Bestandteil einer Bilanz oder der vorgeschriebenen Gewinn- und Verlustrechnung.

Die aussagekräftigste Gewinnkennzahl ist daher der Jahresüberschuss, auch Nettogewinn. Hier steht, was unterm Strich tatsächlich übrig bleibt beziehungsweise wie viel Verlust ein Unternehmen macht. Er steht am Ende der Gewinn- und Verlustrechnung. Wer wissen will, wie es im operativen Geschäft läuft, kann sich auch das betriebliche Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung ansehen. Darin sind die Aufwendungen für Kreditraten, Steuern und die Beiträge von Beteiligungen noch nicht enthalten.

Was Gewinnkennzahlen aussagen, welche taugen

Worauf Anleger achten sollten

Bei den aufbereiteten Gewinnzahlen wie EBIT, EBITDA oder deren bereinigten Varianten sollten Anleger skeptisch sein. Zum Beispiel lässt sich darüber streiten, was ein Sondereffekt ist, der die Konzernergebnisse außergewöhnlich verzerrt. Rechnet ein Unternehmen etwa die Kosten für ein Sanierungsprogramm raus und erhöht so optisch die Gewinnkennzahl, lässt sich für Großkonzern sicher unterstellen, dass in nahezu jedem Jahr irgendwo ein Sanierungsprogramm abläuft. Somit wäre der vermeintliche Sondereffekt Teil des täglichen Geschäfts. So sehen die Gewinne aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens gleich viel ansprechender aus. Sie sind aber in ihrer Aussagekraft mit größter Vorsicht zu genießen, weil hohe Schulden oder wertlose Beteiligungen den Konzern schnell in die roten Zahlen manövrieren können. „Unternehmen verteidigen sich gern mit Einmalereignissen. Aber gerade bei großen internationalen Konzerne treten immer irgendwo besondere Umstände ein“, sagt Ralf Frank. „Insofern gehören die vermeintlichen Sondereffekte zum Alltagsgeschäft.“

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