Mister Dausend Bernd Förtsch - Investor mit mysteriösem Geldkreislauf

Der Investor und Herausgeber des Magazins "Der Aktionär" hat mit oft zweifelhaften Methoden ein großes Beteiligungsimperium aufgebaut, seine Aktionäre dagegen fuhren Verluste ein. Jetzt will Förtsch ganz nach oben.

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Ein Sommertag im oberfränkischen Kulmbach. Die Sonne hat sich hinter Wolken verkrochen. Im Hotel Achat Plaza ist es düster. Die Fenster sind klein. Elektrisches Licht kommt nur homöopathisch zum Einsatz, als wäre es egal, ob der eine oder andere Gast zwischendurch wegnickt. Zur Hauptversammlung des Brokers Flatex sind zusammengekommen: Aufsichtsratschef Karl Matthäus Schmidt, einst vielversprechender Jung-Banker am Neuen Markt, heute Chef der Berliner Quirin-Bank, und die beiden Flatex-Vorstände. Ein paar Aktionäre fungieren als Statisten.

Die Hauptversammlung sollte für einen Aufsichtsrat ein Pflichttermin sein. Es sei denn, er hieße Bernd Förtsch – millionenschwerer Multi-Branchen-Investor, Finanz- und Medienunternehmer. Der 51-Jährige ist Aufsichtsrat der Flatex, habe seit deren Börsenstart 2009 jedoch noch nie einer Hauptversammlung beigewohnt, klagt ein Aktionär. „Wollen wir uns nicht mal einen Aufsichtsrat suchen, der Zeit hat, wenn die Hauptversammlung stattfindet?“, fragt er. Doch Förtsch muss sich so ein Treffen nicht geben. Ihm gehören nach den letzten verfügbaren Daten 59 Prozent der Aktien. Sein Wille ist damit maßgeblich.

Auch bei anderen Hauptversammlungen, zuletzt bei der Beteiligungsgesellschaft Heliad in Frankfurt, können Aktionäre nur Dampf ablassen. Kürzlich hat sich Heliad, an der Förtsch mittelbar beteiligt ist, bei Flatex eingekauft. Das sorgt für Unmut. „Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser Aktienerwerb den objektiven Interessen der Gesellschaft diente“, sagt Rechtsanwalt Kim Lars Mehrbrey, der den Aktionär Overseas Asset Management vertritt. Es dränge sich der Verdacht auf, dass der Kauf der Flatex-Aktien „vorrangig den Interessen eines mittelbaren Großaktionärs“ diene.

Millionenschwerer Geldkreislauf

Rückzug bei geringstem Zweifel

Förtsch war selbstredend nicht bei der Heliad-HV. Auch Fragen der WirtschaftsWoche, unter anderem zu seinen Beteiligungen, ließ Förtsch unbeantwortet. Er taucht auch nicht auf Investorenkonferenzen oder Fachtagungen auf. Der Franke gilt als charmant, hat enge Vertraute um sich geschart, deren unbedingter Loyalität er sicher ist. In diesem Kreis gilt er als zuverlässig, ehrlich und hilfsbereit. Beim geringsten Zweifel aber zieht er sich zurück, um jedes Risiko zu minimieren und im Schatten Kulmbachs zu bleiben. Deshalb meidet er auch die Hauptversammlungen der Gesellschaften, in die er investiert hat. So gibt es auch kaum aktuelle Fotos von ihm.

Das war mal anders. Zur Boomzeit des Neuen Markts sendete Förtsch auf vielen Kanälen. Unvergessen bleibt sein Auftritt in der TV-Sendung 3satBörse, als er für die Morphosys-Aktie in breitestem Fränkisch das Kursziel 1000 ausgab und seitdem als „Mister Dausend“ verspottet wurde.

Kursentwicklung der Förtsch-Beteiligungen

Das Erfolgsmodell

In aller Stille hat er danach von Kulmbach aus eine beeindruckende Unternehmensgruppe aufgebaut. Zu ihr gehören etwa die Börsenmedien AG, die Finanzbücher und das Anlegermagazin „Der Aktionär“ mit einer wöchentlichen Druckauflage von 40.000 Heften produziert, sowie das Deutsche Anleger Fernsehen (DAF), das auch den Nachrichtensender N24 mit Börsenberichten beliefert. 2011 – aktuellere Zahlen gibt es nicht – steckte DAF mit einem bis dahin aufgelaufenen Bilanzverlust von 6,5 Millionen Euro in den roten Zahlen.

Zum Mediengeschäft hinzu kommen Finanzunternehmen wie der Direktbroker Flatex, über den mittlerweile 123.000 Anleger Aktien und Zertifikate handeln.

Zudem hält Förtsch die Mehrheit an der Nanostart AG, einem Risikokapitalgeber für die Nanotechnologiebranche, und beteiligte sich an JK Wohnbau (heute: Isaria). Im Zusammenhang damit ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen Marktmanipulation. Förtsch weist die Vorwürfe der Behörde von sich. Investiert war Förtsch über eine Holding auch bei Solarhybrid und Solar Millennium, die heute pleite sind. Und er kaufte Aktienpakete der TV-Produktionsfirma Wige und der Beteiligungsgesellschaft Impera.

Zukauf beim Angermayer-Nachlass

Die Unternehmensgruppe des schillernden Finanzinvestors wird aufgelöst und die Einzelteile unter den Partnern aufgeteilt. Welche Folgen das für Unternehmen, Mitarbeiter und Aktionäre haben wird, ist indes unklar.
von Melanie Bergermann

Frisch hinzugekommen sind einige Unternehmen aus dem Nachlass von Christian Angermayer. Der einst als Wunderkind der Finanzbranche gefeierte 35-Jährige gründete mit Altira einen Vermögensverwalter, mit der Silvia Quandt & Cie AG eine Investmentboutique und noch allerlei andere Unternehmen. Förtsch hatte schon früh in Angermayer-Projekte investiert, etwa in die African Development Corporation, die in der Sub-Sahara-Region aktiv ist. Als die Angermayer-Gruppe zerschlagen wurde, sicherte sich Förtsch mit einem Anteil an der Altira AG das Kernstück der Gruppe und damit Anteile an deren Beteiligungen, etwa am Konzertveranstalter Deutsche Entertainment AG (DEAG) und eben an der Heliad (hier können Sie kostenlos die Grafik zum millionenschweren Geldkreislauf als PDF herunterladen).

Seit jeher gibt es viele Synergien innerhalb des Imperiums. In seiner Zeit als Chefredakteur beriet Förtsch auch Aktienfonds. Die von ihm beratenen Fonds schalteten Anzeigen im „Aktionär“, Förtsch trat als Fondsmanager im DAF auf, und ein „Aktionär“-Kolumnist setzte gleich die Nummer einer teuren 0190er-Hotline unter seinen Text. In einer einzigen Ausgabe der Zeitschrift legte Förtsch einmal Lesern 20 Aktien ans Herz, die gleichzeitig in den Fonds lagen. Wer Aktientipps früher haben wollte, konnte die vorab per kostenpflichtigem Fax abrufen. Darüber hinaus wurde in Börsenbriefen und im Internet für Aktien getrommelt. Immer wieder fiel es an der Börse negativ auf, dass Förtsch-Fonds oder Leute aus seinem Umfeld sich mit später beworbenen Aktien eingedeckt hatten.

Bemerkenswerte Karriere

Aus der Schmuddelecke der 0190er-Hotlines und Börsenbriefe ist Förtsch heute indes längst hinausgewachsen, stattdessen findet das am Neuen Markt entwickelte Prinzip des „eine Hand wäscht die andere, und beide gehören mir“ heute auf Ebene der Beteiligungsgesellschaften statt.

So unterhielt Flatex beim Börsengang gleich mit vier Gesellschaften, die Förtsch mittel- und unmittelbar gehören, Geschäftsbeziehungen: Kredite, Dienstleistungs- und Beratungsverträge. Das mag damals Privatsache von Förtsch gewesen sein. Seit Flatex an der Börse ist und damit externe Aktionäre im Spiel sind, ist es das nicht mehr. Dennoch, dieser Eindruck drängt sich auf, scheint Förtsch hier frei zu schalten und zu walten.

Bei Förtsch drehte sich schon früh alles ums Geldverdienen: „Bereits als jungen Mann sah man ihn mit einem ,Handelsblatt‘ unter dem Arm“, berichtet ein Weggefährte. Sein erstes Geld soll er – so will es die Legende – an einer Tankstelle verdient haben, wo er mit dem Sohn des Besitzers Porsche-Modelle zu Cabrios umbaute.

1989 gründet er den Börsenbuch-Verlag mit, der Bücher von Investoren-Legenden wie George Soros übersetzt und vertreibt.

Außer an Medien verdiente er prächtig an der Fondsberatung. Zeitweise wurden von der Gesellschaft für Börsenkommunikation über zehn Fonds beraten. Bei den unter dem Label DAC („Der Aktionärs Club“) startenden Produkten saß Förtsch häufig selbst im Anlageausschuss. Als Flaggschifffonds galt der DAC-UI, der in der Spitze über 720 Millionen Euro schwer war. Allein hier kassierten die Fondsberater im Geschäftsjahr 1999 laut Rechenschaftsbericht knapp fünf Millionen Euro. Im Jahr 2000 dürfte fast noch mal so viel hängen geblieben sein – mit einem einzigen Fonds.

Probleme mit der Justiz

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Nach dem Platzen der Internet-Blase verloren die Förtsch-Fonds rasant an Wert. Erst 2010 aber machte der letzte aus seinem Dunstkreis beratene Fonds dicht. Wer beim Start des DAC-Fonds-UI 1997 eingestiegen war, hat bis zum Ende 31 Prozent seines Vermögens verloren. Anleger aber, die im März 2000 kauften und drei Jahre später verkauften, büßten rund 90 Prozent ein. Ähnlich dramatisch waren auch die Verluste beim DAC-Kontrast-Universal. Frühe Anleger verloren bis zur Auflösung im Jahr 2010 rund 60 Prozent.

Förtschs Methoden waren umstritten, juristisch wurde er aber nie belangt. Aus dem Umfeld seines Verlags bekamen dagegen einige Probleme:

  • Der frühere Vize-Chefredakteur des „Aktionär“, Sascha Opel, wurde 2012 zu 22 Monaten auf Bewährung sowie 350.000 Euro Geldstrafe wegen Marktmanipulation mit einer Goldaktie verurteilt.
  • Markus Frick, der für Förtsch eine Hotline besprach und dessen TV-Sendung bei N24 von Förtschs DAF produziert wurde, bekam 21 Monate auf Bewährung, weil er Aktien empfohlen und dann verkauft hatte.
  • Alfred Maydorn, ehemaliger DAC-Fondsberater und ebenfalls einst Vize-Chef des „Aktionärs“, wurde 2010 wegen Marktmanipulation und Steuerhinterziehung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er hatte im Blatt und im eigenen Börsenbrief Aktien empfohlen und danach teuer abgestoßen. Auch nach dem Urteil durfte er 2011 im „Aktionär“ noch seine Lieblingsaktie empfehlen.
  • Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen Förtsch in Sachen JK Wohnbau. Im November wurde durchsucht, wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Förtsch wies die Vorwürfe zurück, räumte aber ein, dass er Aktien von JK Wohnbau hatte und „Ende Januar 2011 einige wenige Aktien“ veräußert habe. Mit JK habe er aber „kein Geld gewonnen, sondern einen mittleren sechsstelligen Betrag verloren“.

Provinzidylle

Nach dem Neuen-Markt-Drama zog sich Förtsch weitgehend nach Kulmbach zurück, ein 27.000-Seelen-Städtchen, dessen Innenstadt mit bunten Fachwerkhäusern und dem gelb leuchtenden Rathaus mit Rokoko-Fassade auch als Spielstätte eines Heimatfilms taugen würde. Die Börsenmedien AG und die Redaktion von „Der Aktionär“ sitzen hier in einem modernen Glasbau am Ortseingang, wo auch Förtsch sein Büro hat. Am Firmensitz parken schnelle Schlitten, von Porsche über Aston Martin bis Ferrari. Gäste empfängt er in einem Besprechungsraum, in dem ein metergroßes Bild von einem leeren Boxring hängt – mit Blutlache in der Mitte.

Oberbürgermeister Henry Schramm ist stolz auf den Selfmade-Mann Förtsch: „Seine Unternehmen bieten Arbeitsplätze für Akademiker und junge Leute, die wir sonst in der Zahl nicht hätten“, schwärmt er. Aus Dank verlieh ihm seine Heimatstadt gar die Silberne Bürgermedaille.

Wer etwas von Förtsch will, muss meist hierher kommen. Er reist ungern. Gelegentlich zieht es ihn nach München zu den Spielen des FC Bayern. Dennoch lässt er die ganze Welt an seinem Leben teilhaben: Auf seiner frei zugänglichen Facebook-Seite schrie bis vor Kurzem den Besuchern Mel Gibson mit einem Holzspeer bewaffnet entgegen – eine Szene aus dem Film „Braveheart“. Förtsch teilt mit, wann er sich einen Boxkampf, „Wetten, dass...?“ oder „Der Fahnder“ reinzieht. An Carmen Nebel dagegen hat er keine Freude. „Die schaffen es ja nicht mal, den echten Udo Lindenberg in die Sendung zu bringen“, klagt er. Fazit: „Peinlich & abschalten!“

Dass Förtsch Zeit zum Fernsehen findet, ist schon erstaunlich – bei dem Portfolio, das er zu managen hat. „Er ist wie eine Frau, die schöne Schuhe sieht“, sagt ein Geschäftspartner. „Er kann an manchen Firmen einfach nicht vorbeigehen.“

Ungewöhnliche Aktienkäufe...

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Viele Beteiligungen des Kulmbachers sind miteinander verknüpft. Aktien, Kredite und Dienstleistungen werden hin und her geschoben und gehandelt, dorthin, wo sie gerade gebraucht werden – und wo sie allem Anschein nach vor allem den Interessen von Bernd Förtsch dienen. Dass die Geschäfte stets im Sinn aller Aktionäre sind, darf bezweifelt werden.

Ein Direktbroker vermittelt für Anleger Finanzanlagen und kassiert dafür Provisionen. Punkt. Bei Flatex ist das anders:

  • Im Dezember 2008 kaufte Flatex einer Förtsch-Gesellschaft für 450.000 Euro Aktien der heute insolventen Solar Millennium AG ab. Warum investiert ein Online-Broker in Solaraktien? Flatex möchte dies nicht erläutern.
  • Der Flatex-Vorstand steckte zudem Geld in ein zweites Solarunternehmen, das – Überraschung – auch im Depot einer Förtsch-Firma lag und heute ebenfalls pleite ist: Solarhybrid. Wie viel Geld der Flatex-Aktionäre hier verbrannt wurde, ist unklar: Im Flatex-Geschäftsbericht 2011 heißt es, dass Abschreibungen im folgenden Jahr vorgenommen würden. Im Bericht zu 2012 taucht Solarhybrid dann namentlich nicht mehr auf.

... und rätselhafte Kredite

  • 2011 verlieh der Online-Broker gleich direkt zwei Millionen Euro an Förtschs BF Holding. Da diese ihrerseits Geld an Bernd Förtsch weiter verlieh – Ende 2011 waren es immerhin 24 Millionen Euro –, landete das Geld über Umwege in den Taschen des Börsen-Gurus. Das wäre für die Aktionäre vielleicht noch zu verkraften, wenn sie hierfür nicht nur Zinsen kassieren, sondern ihre Unternehmensanteile auch mal wertvoller würden. Davon kann kaum die Rede sein (siehe Chartgalerie).
  • Gute Freunde wollen auch bedacht werden: Flatex kaufte eine Inhaberschuldverschreibung eines Angermayer-Unternehmens mit einem Nennbetrag von einer Million Euro – nachdem mit Heliad ein Unternehmen des Ziehsohns einem Unternehmen seines Meisters auch schon mal mit einem verzinsten Kredit über fünf Millionen Euro ausgeholfen hatte.

Die Heliad-Kasse lockt

Besonders lukrativ – für Förtsch, nicht für die anderen Aktionäre – könnte das Investment Heliad sein, in die er über Zwischengesellschaften investiert hat. Die Beteiligungsgesellschaft war wohl das Filetstück unter den diversen Angermayer-Unternehmen. Weil sie sich von wesentlichen Töchtern getrennt hat, hatte sie Ende 2012 knapp 31 Millionen Euro Bargeld in der Kasse, mit dem sich einiges anstellen lässt.

Seit November sitzt mit Stefan Feulner der schon seit 2001 für Förtsch-Unternehmen arbeitet, ein enger Vertrauter auf dem Chefposten und damit auf der Kasse. Für Marion Kostinek, Vorstand der Investors Communication Group, einer Interessenvertretung für Aktionäre, hat die Personalie ein „Gschmäckle“.

Erst recht, wenn man sich anschaut, was daraufhin geschah: Für knapp sieben Millionen Euro kaufte Heliad Flatex-Aktien aus zwei Kapitalerhöhungen. Den Aktionären schwant nichts Gutes: Es scheint sich „hier um keine dem Gesellschaftszweck dienende Investition, sondern um eine Mittelverschiebung des neuen Hauptaktionärs zu handeln“, sagt Anwalt Mehrbrey.

Einige Aktionäre stören sich am Kaufpreis der Flatex-Aktien knapp unter Börsenkurs. Der Kurs, zu dem Heliad gezeichnet habe, liege über dem inneren Wert der Flatex-Aktien, kritisierte ein Aktionär auf der Hauptversammlung. Flatex hatte 2012 nur 43.000 Euro verdient. Vor dem Hintergrund, dass der Flatex-Großaktionär auch indirekt Aktionär der Heliad sei, könne das ein „Fall von missbräuchlichen Geschäften von verbundenen Parteien“ sein. Heliad-Geschäftsführer Feulner verteidigte das Geschäft. Es handele sich um eine Kapitalerhöhung und nicht um eine Verschiebung. Der Kaufpreis entspreche dem Marktwert.

Zu allem Überfluss gab Heliad noch ein verzinstes Darlehen über fünf Millionen Euro an ein Förtsch-Unternehmen.

Einen eigentümlichen Deal, der in Frankfurt für Gesprächsstoff sorgt, hat es auch bei Nanostart gegeben. Und der geht so:

Das Biotech-Unternehmen Nanostart, an dem Förtsch mittelbar 54 Prozent hält, machte 2012 gut fünf Millionen Euro Verlust. Die Beteiligung Magforce steckt tief in den roten Zahlen, ihre Therapie zur Behandlung von Tumoren verkauft sich nur schleppend.

Befreiungsschlag erscheint fadenscheinig

Im Dezember hatte Nanostart gute Nachrichten: Nanostart habe ihre Kredite an Magforce in Höhe von 16 Millionen Euro – inklusive Zinsen – verkauft. Die Anleger schienen beruhigt, die Aktie zog in den Folgewochen von gut 3 auf über 5,50 Euro an. Doch bei näherem Hinsehen erscheint der Befreiungsschlag eher fadenscheinig: Der Käufer der Forderung wurde erst kurz vor dem Deal gegründet.

Wer immer die Gesellschaft getauft hat, bewies Sinn für Humor: Avalon Capital One heißt sie. Das erinnert an den Bestseller „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer Bradley. Und die Gesellschaft steckt tief im Nebel: Eigentümer ist ein Frankfurter Steuerberater. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt läppische 25.000 Euro. Bis Ende 2012 hat Avalon auch erst 3 der 16 Millionen Euro gezahlt.

Seltsam auch: Avalon hat Nanostart die Forderung gegen Magforce ohne Abschlag abgekauft. „Welcher Geschäftsmann kauft die Forderung einer völlig überschuldeten Firma zum vollen Preis?“, fragt ein Fondsmanager. Avalon beantwortete Fragen der WirtschaftsWoche nicht.

In Finanzkreisen kursiert deshalb das Gerücht, dass Avalon kein neuer Investor sei, sondern im weitesten Sinne zum Förtsch-Imperium gehört – und der Deal nur die Investoren beruhigen sollte. Der Verdacht wird dadurch genährt, dass Avalon auf der Hauptversammlung der Magforce von Harald Petersen vertreten wurde. Der Rechtsanwalt aus Bayreuth ist ein alter Bekannter von Förtsch, saß im Aufsichtsrat von Solarhybrid und von Angermayers früherem Finanzvertrieb Aragon. Er gilt als Haus- und Hofanwalt der eng mit Förtsch verbundenen Angermayer-Truppe.

Bleibt die Frage: Woher bekommt Avalon das Geld, um gegebenenfalls die Nanostart auszuzahlen? So mancher Heliad-Aktionär sorgt sich, dass das Geld aus der Heliad-Kasse kommen soll.

Profis auf Distanz

Schon am Neuen Markt missfiel Fondsprofis die Unruhe, die Förtsch in manche Werte brachte. Der Neue-Markt-Fondsmanager einer Schweizer Bank riet schon damals von Aktien ab, bei denen Förtsch aktiv war. Heute noch wird der Kulmbacher in der Fondsbranche kritisch gesehen.

Der Zwist, den die Nanostart aktuell mit der DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank, austrägt, hilft dem Image auch nicht: Ein DWS-Fondsmanager investierte in Magforce, vereinbarte vorab aber mit der Nanostart, dass diese ihre Magforce-Aktien ein Jahr lang nicht verkaufen dürfe. Tue sie dies doch, müsse sie der DWS ihre Aktien abnehmen. Kurz vor Ablauf der Frist verkaufte Nanostart nun einen Anteil. Die DWS pocht auf den Vertrag, stieß aber bislang auf taube Ohren, heißt es in DWS-Kreisen. Die DWS wollte keine Stellungnahme abgeben. Nanostart ließ Fragen der WirtschaftsWoche unbeantwortet.

Glückliche Perlenfischer

Einen Fan und Follower hat der Investor aus Kulmbach aber offenbar. Er verbirgt sich hinter dem Namen „Pearlfisher“. So heißen drei in Liechtenstein ansässige Fonds, die bis Frühjahr 2012 von der VCH gemanagt wurden und Ende des Jahres zu einem verschmolzen wurden. Die VCH gehörte zur Angermayer-Gruppe. Angermayer beriet früher einen Förtsch-Fonds. Förtsch wiederum saß früher mal im VCH-Beirat.

Einer der drei Fonds wurde von Förtschs Vasallen schon 2008 bedacht: Der Pearlfisher Long/Short Strategy bekam knapp 1,8 Millionen Flatex-Aktien für einen Euro je Stück. 2009 ging Flatex an die Börse – zu 3,90 Euro je Aktie. Ein gutes Geschäft für die unbekannten Fondsinvestoren.

Erstaunlicher Gleichklang

Mit Ben Lipps, 72, übernimmt ein ehemaliger Dax-Vorstand das Ruder bei dem kleinen Berliner Nanotechnik-Unternehmen Magforce. Der erfahrene Manager soll eine innovativen Hirntumor-Behandlung voran bringen.
von Susanne Kutter

Mitte 2012 hatte der Fonds 68 Prozent seiner knapp 21 Millionen Euro in Flatex-Aktien gesteckt – und auch ansonsten denselben Geschmack wie Förtsch. So griffen Pearlfisher-Fonds nicht nur bei diversen Angermayer-Aktien zu, sondern kauften sich auch bei Solarhybrid, Magforce, Nanostart, ITN Nanovation und JK Wohnbau ein. So viel Gleichklang ist erstaunlich. Ob Förtsch Anteile an dem Fonds hält, wollte er der WirtschaftsWoche nicht sagen.

Die Perlenfischer erhielten auch kürzlich wieder eine milde Gabe von Förtschs Online-Broker Flatex. Der bot seinen Aktionären im Sommer 2012 an, eigene Aktien zurückzukaufen, für 6,25 Euro je Stück. Just im zweiten Halbjahr 2012 erleichterte sich ein Pearlfisher-Fonds dann um 40 Prozent seiner Flatex-Aktien, rund 904.000 Stück. Ob er davon bei Flatex etwas ablud, ist nicht bekannt. Der Fondsverwalter, die Internationale Fonds Service AG, will sich hierzu nicht äußern und verweist auf den seinerzeitigen Fondsmanager, die Johannes Führ Vermögensverwaltungs AG. Die wiederum verweist auf die Führ Capital AG, die auch nichts sagen will. Flatex schweigt ebenfalls.

Falls der Fonds zum Zuge kam, ist er seine Aktien vorteilhaft losgeworden. Mittlerweile liegt der Flatex-Kurs bei 4,30 Euro.

Ganz offiziell, wenn auch noch unbemerkt von der Öffentlichkeit, will Förtsch nun ins richtige Bank-Business einsteigen. Ende vergangenen Jahres hatte Flatex schon die Koch Bank gekauft. Deren Kunden stammen teils aus Förtschs Reich: Koch betreut die Unternehmen Altira, Heliad und Magforce an der Börse.

Guru wird Banker

Doch bei Dienstleistungen soll es nicht bleiben. Ein Unternehmen der Flatex Holding will künftig Einlagen von Kunden verwalten dürfen. Die dafür nötige Lizenz hat das Flatex-Unternehmen nach Informationen der WirtschaftsWoche bei der Finanzaufsicht BaFin beantragt. Weder Flatex noch die BaFin wollen dies kommentieren.

Die Behörde muss prüfen, ob die Vorstände geeignet sind, eine Bank zu leiten, oder auch, wie die wesentlichen Eigner ihr Geld verdient haben. Die liechtensteinische LGT Bank etwa schaffte die Prüfung nicht. Scheitern dürfte eine Lizenzvergabe, wenn ein wichtiger Anteilseigner wegen Wirtschaftsdelikten wie etwa Marktmanipulation vorbestraft ist. Ein Ermittlungsverfahren wie das gegen Förtsch ist kein Problem. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ebenfalls zum Stolperstein werden könnte es, wenn Flatex mit einer eigenen Bank gegen den Kooperationsvertrag mit ihrem bisherigen Bankpartner – der in Willich bei Düsseldorf sitzenden biw – verstoßen und die Bank klagen würde. Diese „Spekulation“ weist Flatex „ausdrücklich“ von sich. Flatex habe sich stets vertragstreu verhalten „und wird dies auch zukünftig tun“.

„Das Risiko, dass Förtsch mit seinem Projekt auf die Nase fällt, ist enorm“, sagt ein Weggefährte. Die Lizenz eröffnet aber auch neue Geschäfte: Das Geld der Kunden, das die Flatex dann verwalten dürfte, kann, wie bei jeder Bank, investiert werden. So gäbe es neues Potenzial, um Kapitalerhöhungen zu zeichnen oder Kredite an Förtsch-Gesellschaften auszureichen.

Nur stellt sich dann nicht mehr die Frage, ob ein Flatex-Vorstand das mitmacht. Bei einem Einlagenkreditinstitut schauen auch die BaFin und der Prüfungsverband deutscher Banken auf die Geschäfte.

Sollte die BaFin Förtsch tatsächlich die Lizenz geben, wäre das Prinzip: „Eine Hand wäscht die andere, und beide Hände gehören mir“ deutlich schwieriger durchzuziehen. Aber Förtsch hätte dann den Aufstieg endgültig geschafft: Vom Neuen Markt in die Beletage der Wirtschaft.

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