Riedls Dax-Radar

Die Trend-Entscheidung im Dax steht bevor

Die Unsicherheit geht um am deutschen Aktienmarkt. Doch genau deshalb könnte in wenigen Wochen sogar eine Jahresendrally starten.

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Das Wort

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, bedauert, dass Finanzmarktprognosen derzeit Makulatur seien. So sei etwa die weitere Entwicklung der chinesischen oder der amerikanischen Wirtschaft auf Basis vorliegender Daten kaum noch zu greifen. Kurze Schwächephasen werden von überraschenden Erholungen abgelöst­, die dann wieder schneller als erwartet versanden.

Die US-Notenbank gebe ein ähnliches Bild ab: Immer wieder werde zwar auf eine bevorstehende Zinserhöhung verwiesen, andererseits aber stets auf absehbare Zeit eine üppige Geldversorgung in Aussicht gestellt.

Auf politischer Ebene die gleiche Unsicherheit: Dass die Briten für den Brexit stimmten, hätte kaum jemand erwartet. Und wenn, dann mit einer wirtschaftlichen Katastrophe gerechnet. Kein Wunder, dass sich nun zum Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA kaum noch  jemand aus dem Fenster wage.

Chemiewerte glänzen, Energiewerte enttäuschen

Das Fazit Otmar Langs: Bei der Weltkonjunktur rechnet er weiterhin mit einem Dahinplätschern, die USA könnte etwas besser abschneiden, China dafür abflauen. Womöglich kommen die Schwellenländer wieder, weil der Rückgang der Rohstoffpreise weitgehend verarbeitet sei. Der Fed traut Lang in den nächsten zwölf Monaten zwei Zinserhöhungen zu, der EZB keine. An den Aktienmärkten könnte das zu einem weiteren leichten Anstieg führen – vor allem, weil es zu Aktien keine echten Alternativen gebe.

Der Aktienmarkt ist unentschieden – aber nicht schwach

Immerhin, dieses durchwachsene Bild der Märkte hat einen großen Vorteil: Von einem verbreiteten Optimismus kann keine Rede sein. Insofern besteht schon einmal nicht die Gefahr einer Überspekulation wie in den Jahren 2000 oder 2007, als es Common Sense war, dass die Märkte nur nach oben gehen könnten.

Kommt es im September wieder zu einem Crash an den Aktienmärkten? Auf welche Risiken Anleger achten sollten – und wann der Dax sein nächstes Tief erreichen könnte.
von Anton Riedl

Dabei ist die Lage, wenn man sie mit etwas Abstand und Geduld betrachtet, derzeit weder schlecht noch aussichtslos. Als die Zinsen Ende vergangenen Jahres erstmals angehoben wurden, begann an den Märkten der Einbruch. Bis Anfang Februar führte das in vielen Indizes zu Verkaufssignalen. Doch diese Signale gingen nicht auf – auch weil die Notenbanken schnell signalisierten, dass es bei der großzügigen Geldversorgung bleibe. Die Märkte kehrten daraufhin in ihre bisherigen Bandbreiten zurück. Der Dax schaffte wieder den Anstieg über die 10.000er-Zone, bei der aktuell derzeit auch etwa die 200-Tage-Linie verläuft. Damit war die Absturzgefahr, die zu Beginn des Jahres geherrscht hat, zunächst einmal abgewendet.

Um aktuell von dieser Basis aus weiterzusteigen, bräuchte der Markt einen neuen Antrieb. Und da ist derzeit – wie Targo-Volkswirt Lang feststellt – nicht viel zu erwarten: weder von der Geldpolitik noch von der allgemeinen Konjunkturdynamik oder den Unternehmensergebnissen.

Stabiler Verlauf

In diesem diffusen Umfeld ist es erstaunlich, dass die Dax-Kurve selbst einen bemerkenswert stabilen Verlauf nimmt. Schon nach dem Brexit-Crash im Juni (dessen substanzielle Folgen sich nach wie vor am schwachen Pfund Sterling zeigen), hat sich der Dax schneller als erwartet erholt. Nach einem klassischen, sechswöchigen Anstieg läuft nun seit Mitte August eine kurzfristige Korrektur. Bei dieser Korrektur hat der Dax bisher, nimmt man die Tagesschlusskurse, das Niveau um 10.500 verteidigt.

Das ist ein Zeichen von Stärke, das angesichts des unentschiedenen Umfelds umso höher einzuschätzen ist. Anders ausgedrückt: Hätten wir beim aktuellen Dax-Verlauf einen positiven Nachrichten-Flow, wäre die Lage für Anleger viel gefährlicher.

Technische Indizien für einen mittelfristigen Kursanstieg

Seit 15. August, also bisher 14 Handelstage, läuft die kurzfristige Korrektur im Dax. Nach klassischem Muster könnte sie noch bis in die zweite Septemberhälfte dauern, bevor dann die Entscheidung über die große Richtung ansteht.

Federn lassen im zweiten Quartal

Dabei bahnt sich im Kursbild des Dax etwas an, das für die nächsten Monate ein positives Szenario möglich macht. Hintergrund ist ein klassischer Richtungsgeber im Dax, die 200-Tage-Linie, die bei weitem mehr ist als nur Lieferant simpler Kaufsignale, wenn der aktuelle Kursverlauf wieder mal diese Linie schneidet.

Wichtiger für Anleger ist, in welche Grundrichtung die 200er-Linie zeigt. Seit zwei Monaten verläuft sie in etwa waagrecht – und spiegelt hierbei genau die von Targo-Volkswirt Lang und vielen anderen Analysten bedauerte Unsicherheit wider. Es ist sogar möglich, dass sie in den nächsten Wochen leicht nach unten zeigt. Das würde zum hier beschriebenen Szenario einer zunächst fortgesetzten kurzfristigen Korrektur passen.

Dann aber, in etwa zwei bis drei Wochen, wird es spannend. Dann nämlich wird die 200-Tage-Linie aller Voraussicht nach deutlich hochziehen. Der Grund ist einfach: Bei der Berechnung der Linie werden dann nicht mehr die hohen Dax-Werte vom November 2015 abgezogen, sondern die von Dezember bis Anfang Februar stark rückläufigen Notierungen. Wenn der aktuelle Dax in den nächsten zwei oder drei Wochen nicht dramatisch einbricht, führt das allein zum Aufwärtsdreh der 200er-Linie.

Mit anderen Worten: Während der Dax in den nächsten Tagen weiter vor sich hinplätschert,  baut sich Druck von unten auf, der bis in den Dezember hinein zu einem Kursanstieg führen könnte. So gesehen zeichnet die 200-Tage-Linie jetzt schon eine Jahresendrally vor, die womöglich Ende September oder Anfang Oktober starten könnte.

Fazit: Kurzfristig bleibt die Situation im Dax wacklig. Ob der Index seinen hierbei maximalen Spielraum bis 10.100 ausschöpft, wird immer unwahrscheinlicher. Für die nächste größere Marktphase, die Ende September bis Anfang Oktober beginnt, wäre das ein gutes Vorzeichen. Technisch sprechen derzeit mehr Argumente dafür, dass der Dax danach seinen großen Aufwärtstrend wieder fortsetzt – womöglich sogar mit mehr Dynamik, als bisher erwartet.

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