Tatiana Rizzante ist mit ihrem Latein am Ende. Schon wieder muss die Chefin des Turiner Softwarehauses Reply Investoren erklären, warum ihre Aktien so schlecht stehen. Die Geschäfte laufen gut, um 15 Prozent stieg der Umsatz im vergangenen Jahr, seit 1999 wuchs Reply von 18 auf fast 440 Millionen Euro Umsatz heran. Das Familienunternehmen, 1996 von Rizzantes Vater Mario gegründet, ist hoch profitabel, hat kaum Schulden. Doch die Börse straft mit Missachtung.
Nur den 6,5-fachen Jahresgewinn kostet Reply dort; das langjährige Durchschnitts-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) für Aktien weltweit liegt bei 15. „Wir können derzeit melden, was wir wollen – der Kurs bewegt sich kaum.“ Warum das so ist, ahnt Rizzante: „Investments in Italien gelten als zu riskant, zu unsicher, zu wachstumsschwach“, vermutet die Managerin, „ich wette mit Ihnen: Wären wir ein britisches oder deutsches Unternehmen, unser Börsenwert läge bei gleichem Umsatz und Gewinn locker beim Dreifachen.“
Mit Ländermalus
Erfahrene Anleger wie Frank Fischer, Manager des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, bestätigen das. „Großinvestoren aus London und New York machen einen Bogen um die Aktienmärkte der Krisenländer in Südeuropa“, sagt Fischer, „kein Manager einer Pensionskasse oder eines Fonds will sich nachsagen lassen, er sei ohne Not ein hohes Länderrisiko eingegangen, während die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass Griechen- land, Portugal, Spanien und Italien auf die Pleite zusteuern oder aus dem Euro fliegen könnten.“
Durch das massive Eingreifen der Europäischen Zentralbank in den letzten Wochen, die in zwei Tranchen rund eine Billion Euro in die notleidenden Bankensysteme vor allem Südeuropas gepumpt hat, wurden diese Ängste zumindest auf kurze Frist erstickt. Investoren fürchten jetzt die rigiden Sparprogramme, die in allen Krisenländern Südeuropas aufgelegt wurden und auf Jahre deren Konjunktur schwächen werden. „Nicht nur die Griechen, auch Portugal, Italien und Spanien haben zudem ein Strukturproblem“, meint Gerald Kichler vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch in Köln, „sie sind zu unproduktiv, sie haben viel zu hohe Lohnstückkosten, und sie investieren zu wenig in Bildung, Forschung und Entwicklung.“