Ulrich „Richie“ Engler Die unglaubliche Geschichte eines Betrügers

Seite 2/8

„Die Gier hat mein Gehirn gefressen“

Die besten Aktien nach Branchen
Startbild Aktien nach Branchen
Aktien Auto
Aktien Chemie
Aktien Handel
Aktien Konsumartikel
Aktien Medien
Aktien Medizintechnik

Der pensionierte Ingenieur Lothar Ritter hat 600.000 Dollar an Engler verloren. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen - er schämt sich für seine Dummheit. „Die Gier hat mein Gehirn gefressen“, sagt der 74-Jährige heute. „Ich habe nicht verstanden, was Engler da macht, aber ich wollte das Geld. Ich wollte mehr.“ Ritter ist nur einer von über 5000 Anlegern, die Engler vertrauten. Dabei waren Englers Kunden oft besser gebildet als er, viele mit akademischen Titeln bestückt - vielleicht sogar klüger.

Warum fielen sie auf ihn rein? Vielleicht, weil Engler keiner dieser aalglatten Finanzhaie war. Nicht braun gegerbt, als läge er nur am Strand. Nicht durchtrainiert, sondern leicht untersetzt, die Hose immer einen Handbreit unter der Hüfte hängend. Seine Genialität lag darin, als Typ durchschnittlich zu sein. Aber vor allem kapierte Engler: Dass Intelligenz nicht vor Gier schützt. Englers Geschichte ist daher auch ein Spiegel unserer Gesellschaft, in der die meisten glauben: Wer mehr hat, ist mehr. Ein Sinnbild für den um sich greifenden Wahn, dass sich Geld aus dem Nichts schaffen und grenzenlos vermehren lässt. Durch Finanzgeschäfte, die selbst Experten nicht mehr durchschauen, aber bei denen trotzdem jeder mitmischen will.

Ulrich Felix Anton Engler wurde am 28. März 1961 Andelfingen geboren, einem Kaff auf der schwäbischen Alb. Sohn von Otto und Antonie, eines Straßenbauarbeiters und einer Hausfrau. Der Älteste von drei Geschwistern, der Junge mit der Rechtschreibschwäche, ein starker Rechtsaußen im SV Andelfingen. Einer, dem die anderen Jungs hinterherrannten, der sie zum Rauchen verführen konnte - oder dazu, es zu lassen. Groß, strohblond, quirlig. Und reden konnte er - reden.

Ulrich Engler sieht nicht aus wie ein klassischer Finanzhai - vertrauten ihm die Menschen deshalb? Quelle: Handelsblatt Online

„Er sagte, wo's lang ging“, erzählt ein ehemaliger Nachbar. „Er erklärte uns die Welt, und wir folgten fasziniert.“ Und dennoch - Ulli, wie sie ihn zu Hause nennen, brachte ansonsten nicht viel zustande. Er machte einen durchschnittlichen Hauptschulabschluss, verpflichtete sich bei der Bundeswehr, wo er eine Ausbildung zum Bürokaufmann begann. Aber Engler befahl lieber, als Befehle zu empfangen. Nach zwei Jahren gab er ohne Abschluss auf. Er zog nach Ulm, verkaufte für die BHW Bausparverträge. Tingelte von Vertrieb zu Vertrieb.

Einer seiner Chefs war Gerhard Reeg. Dessen Firma verkaufte Pressedossiers an Unternehmen. Und keiner verkaufte mehr als Engler. „Wir hatten eine Vertriebstagung. Engler ging nach vorne. Er trug einen Zweireiher, aber nicht geschlossen, wie man das machte, sondern offen - betont lässig“, erinnert sich Reeg. Engler habe den anderen erzählt, wie gut er verkaufe, wie einfach das alles sei. Reeg: „Er war ein absoluter Selbstdarsteller.“

Engler waren die Honorare aus dem Vertrieb nicht genug. Er wollte mehr, wollte reich sein. Mit Partnern kaufte er ein Haus, verkaufte die einzelnen Wohnungen. Vom Erlös kaufte er einen BMW. 750i, der größte damals. Er fuhr in die Heimat und zu seinem alten Chef. „Engler parkte so, dass ich das Auto sah. Mitten ins Halteverbot“, sagt Reeg. „Er prahlte, er verdiene jetzt richtig viel Geld.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%