Ulrich „Richie“ Engler Die unglaubliche Geschichte eines Betrügers

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Wer zweifelt, fliegt raus

Papiere von erfolgreichen Unternehmen müssen nicht teuer sein. Das aktuelle Ranking der Top-500-US-Konzerne zeigt, wo dank Wachstum und Cash-Flow noch Gewinnpotenzial steckt.

Richard Kühn, ein Finanzberater aus Kirchheim Teck, saß bei Englers Show im Saal. Er prägte sich alles genau ein. Wie Engler oben auf dem Podium stand. Ein Prediger im feinsten Zwirn. Wie er mit zum Himmel gereckten Händen seine Weisheiten ins Publikum feuerte, mit Superlativen um sich schmiss - und beim Erklären seiner fantastischen Geldmehrungsmaschine seltsam unkonkret blieb.

Heute sagt Kühn: „Nach drei Stunden war klar: Der Typ ist ein Blender.“ Zurück zu Hause schrieb Kühn an Engler, bat im Namen seiner Kunden um Nachweise: Englers Börsenzulassung, Zeugnisse der Chase Manhattan Bank. Kühn beschwerte sich, Engler hätte doch versprochen, „live“ zu traden. Damit alle sehen könnten, wie er das Geld im Minutentakt vermehrt. Stattdessen wieder nur die vermeintlichen Wundertaten vom Vortag.

Vier Tage später bekam Kühn Englers Antwort: die fristlose Kündigung. Engler zahlte ihn und seine Kunden aus - auf Euro und Cent genau. Betrachtet man es aus heutiger Sicht, sind Kühn und seine Kunden die einzigen Gewinner im System Engler. Die anderen waren das Zahlvieh. Ab April 2006 hatte Engler schon so viele Menschen reingelegt, dass er sein Schneeballsystem nicht mehr selbst verwalten konnte. Engler stellte eine deutsche Auswanderin ein. Sie nannte ihn Richie - Englers Wahlname, weil die Amerikaner Ulrich nicht aussprechen konnten.

Zwei Jahre später wurde sie vom LKA vernommen, als wichtige Zeugin. Ihr Credo: „Ich habe nur die Überweisungen gemacht und Englers Briefe aus dem Postfach geholt.“ Erst auf Nachfrage der Ermittler gestand sie, dass sie Englers Betrug eigenhändig das offizielle Siegel verlieh. Denn ein wichtiger Grund für viele Kunden, Engler zu vertrauen, war die sogenannte „Promisory Note“. Eine notarielle Urkunde, dass Engler die volle Haftung im Falle eines Verlusts übernehme.

Es war das All-inclusive-Sorglospaket für die Kunden. Auf der Urkunde prangte immer ein Notarstempel. Englers Gehilfin sagte dem LKA, ab Ende 2006 habe sie die Dokumente selbst gestempelt: „Richie hat mir den Stempel gegeben. Ich nahm an, für die Notarin waren es einfach zu viele Dokumente.“

Während Engler die Millionen einsammelte und seinen Betrug per Stempel als rechtschaffen deklarierte, stand die Finanzaufsicht Bafin daneben und schaute zu. Zwar bemängelte sie, dass Englers Geldsammeltrupp eine Lizenz für Dritteinlagengeschäfte bräuchte, aber Taten folgten nicht. Auch nicht, als die österreichischen Aufseher Ende 2006 vor Geschäften mit Engler warnten. Englers Schneeballsystem hatte jetzt zu viel Fahrt, um sich durch Kleinigkeiten stoppen zu lassen - Gerichtsurteile zum Beispiel.

2006 erließ das Landgericht Hamburg Haftbefehl gegen ihn, wegen früherer Betrügereien. Die Kunden aus Englers Vergangenheit standen vor dem Nichts, während ihm die neuen weiter die Tür einrannten. Ende 2006 reichte die JP Morgan Chase Klage gegen ihn ein - die US-Bank störte sich daran, dass Engler sich als ihr ehemaliger Chefhändler ausgab, obwohl er niemals für sie tätig war. Als sich die Klage im System Engler herumsprach, schrieb der Schneeball-Artist an seine Kunden: „Wenn die JP Morgan sich ihrer Sache doch so sicher wäre, dann würden diese nicht den Schadensfall auf 100.000 Dollar festlegen, sondern auf das 100-Fache. Auf 100.000 Dollar würde ich meinen Nachbarn verklagen, wenn sein Hund in meinen Garten pupsen würde.“

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