WirtschaftsWoche: Herr Andres, was bedeutet es, wenn jemand im Testament als Erbe, Alleinerbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt wird?
Andres: Solche Bezeichnungen sind zunächst einmal nur ein Indiz. Wenn jemand im Testament, in einem Erbvertrag oder in einer ersten Benachrichtigung des Nachlassgerichts so bezeichnet wird, heißt das nicht unbedingt, dass er das auch zwangsläufig geworden ist. Es kommt gar nicht selten vor, dass in einem Testament gewählte Bezeichnungen wie „Erbe“ oder „Vermächtnisnehmer“ falsch verwendet werden. Beispiel: Wird jemand als Erbe bezeichnet, bekommt aber nur Gegenstände mit einem Bruchteil des Vermögens zugesprochen, wird er tatsächlich oft nur Vermächtnisnehmer.
Was genau sind die Unterschiede?
Auf einen oder mehrere Erben geht prinzipiell der gesamte Nachlass des Verstorbenen über. Der Erbe übernimmt auch alle Verbindlichkeiten. Ausnahmen gibt es bei unvererblichen Vermögensrechten, etwa einem Nießbrauchsrecht. Ein Alleinerbe ist Erbe des gesamten Vermögens des Erblassers. Ein Vermächtnisnehmer hat auf Grund eines Testaments lediglich Anspruch auf die Herausgabe eines zugewendeten Gegenstands. Dieser Anspruch richtet sich dann gegen den Erben.
Wenn Erben auch Verbindlichkeiten übernehmen, gehen Sie ein großes Risiko ein. Wie können Sie dieses begrenzen?
Das ist in der Praxis ein großes Problem. Erblasser haben ihre zukünftigen Erben in aller Regel nicht umfassend über die im Nachlass befindlichen Chancen und Risiken informiert. Erben müssen sich also selbst den Überblick verschaffen, um Risiken erkennen zu können. Das ist oft aber nahezu unmöglich, weil sie keine Detailkenntnis von zum Beispiel Schulden des Erblassers haben und ohne Erbschein ohnehin keinen Zugang zu den zuletzt vom Erblasser genutzten Räumen und darin befindlichen Unterlagen bekommen. Trotzdem sollten sie versuchen, innerhalb der gesetzlichen Sechs-Wochen-Frist einen möglichst lückenlosen Überblick über den Nachlass und dessen Zusammensetzung zu bekommen.