Mitunter ist es ein langer Weg, den alten Diesel mit Schummel-Software verlustfrei loszuwerden. Seitdem die Dimensionen des Dieselabgasskandals bekannt wurden, verkaufen sich die Selbstzünder bei den Autohändlern kaum noch. Der Gebrauchtmarkt macht da keine Ausnahme.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe spricht von 300.000 Dieselautos, die bei den Händlern auf Käufer warten. Gleichzeitig will offenbar jeder dritte Besitzer eines Dieselautos selbiges so bald wie möglich loswerden. Betroffene Dieselfahrer würden beim Verkauf ihres Gebrauchtwagens also einen unverhältnismäßig hohen Verlust erleiden.
Was liegt da näher als der Gedanke, den ganzen Autokauf rückgängig zu machen? Schließlich haben VW und voraussichtlich weitere Hersteller bei den Abgaswerten betrogen. Zudem drohen im Zuge des Abgasskandals innerstädtische Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, der Restwert sinkt, eventuell droht eine höhere Kfz-Steuer für Dieselautos. Insbesondere Besitzer eines Dieselfahrzeugs aus dem VW-Konzern, also Volkswagen, Audi, Porsche und einige mehr, fühlen sich getäuscht und würden gern die in Verruf geratenen Autos wieder loswerden.
Diese Sätze in Widerrufsbelehrungen sind Gerichtsurteilen zufolge fehlerhaft
"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."
"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“
"Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist."
"Die Frist beginnt einen Tag nach Aushändigung von Belehrung und Darlehensvertrag."
"Die Frist beginnt ab Eingang der Vertragsurkunde beim Unternehmen."
"Ich/Wir kann/können meine/unsere Vertragserklärung(en) innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrags bei der ING-DiBa AG."
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb zwei Wochen (einem Monat) ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen."
"Der Widerruf wird unwirksam, wenn Sie das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen ab Widerruf zurückbezahlen."
"Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn der Verbraucher den Kredit nicht innerhalb von 2 Wochen zurückzahlt."
"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs.2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszins, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat."
Geld zurück vom Autohändler
Einem Audi-Fahrer ist nun die Rückabwicklung des Autokaufs gelungen. Er wollte sich nicht mit einem Software-Update abspeisen lassen. In einem Urteil des Landgerichts Heilbronn verfügten die Richter, dass der Händler den Audi Q3 zurücknehmen und abzüglich einer Nutzungsgebühr von gut 7000 Euro vom Neupreis dem Kunden gut 22.000 Euro zuzüglich Zinsen erstatten muss. Bemerkenswert war die Begründung der Richter: Die Manipulation der Abgassteuerung per Software sei ein flächendeckendes Betrugssystem. Und ein Update der Software wäre nicht in der Lage, eine umweltgerechte Lösung herbeizuführen. Die Genehmigung des Softwareupdates durch das Kraftfahrbundesamt müsse daher auch politisch motiviert sein.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Ob andere Gerichte oder auch höhere Instanzen dieser Auffassung folgen ist noch unklar. Autohersteller wie VW wegen Betrugs auf Rücknahme eines Autos zu verklagen, bleibt also höchst unsicher und ist stark vom Einzelfall abhängig. Auch Schadenersatz für die Abgasmanipulation zu erstreiten ist sehr schwierig und nimmt einem den schwer verkäuflichen Diesel nicht ab. Aber für viele Autokäufer gibt es noch einen anderen Weg mehr Geld zu erstreiten, als der alte Diesel mit Schummelsoftware auf dem freien Markt noch einbringen würde. Der Königsweg: Widerruf des Autokredits.
Ohne Autokredit kein Auto
Autokäufer, die den Kaufpreis mit einem Kredit finanziert haben, haben nämlich den idealen Hebel zur Rückabwicklung. Da viele Widerrufsbelehrungen in den Verträgen zur Autofinanzierung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen - die Schätzungen reichen von 40 bis 80 Prozent -, begann bei ihnen nie die 14-tägige Widerrufsfrist. Ein Widerruf ist also unbefristet möglich – auch noch Jahre nach dem Kauf und sogar, wenn der Kredit schon getilgt ist.
Der Widerruf eröffnet Autobesitzern die Chance, den Dieselkauf vergessen zu machen. Im Falle eines erfolgreichen Widerrufs ist nämlich eine Rückabwicklung des Vertrags vorgeschrieben. Das heißt, dass die Vertragspartner sich so stellen müssen, als hätte der Kauf nie stattgefunden. Im Falle des Kreditvertrags bedeutet das, dass der Schuldner die Restschuld begleicht und bereits geleistete Zinszahlungen zurückerstattet bekommt.
Der Clou: Autofinanzierung und Autokauf gelten in aller Regel als verbundene Verträge, da so ein Kredit ausschließlich der Finanzierung des Autokaufs dient. Zudem wird er oft über die Bankentöchter der Autohersteller abgeschlossen. Bei verbundenen Verträgen bewirkt aber der Widerruf des einen Vertrages automatisch auch den Widerruf des anderen Vertrages, in diesem Fall also des Kaufvertrages. Die Folge davon ist, dass Händler oder Hersteller das Auto zurückbekommen. Dem Käufer wird der gezahlte Kaufpreis erstattet.
Die Chance auf Rückabwicklung des Autokaufs sollten sich Betroffene nicht entgehen lassen. Etliche Anwaltskanzleien haben diese Möglichkeit für die Gewinnung neuer Mandate entdeckt und sich in diesem Themenfeld frühzeitig engagiert.
Sebastian Stachowiak von SH Rechtsanwälte in Essen glaubt, dass sich noch viele Autokäufer mit dem Wunsch, ihre Verträge zu prüfen, bei ihm melden werden. „Die Welle zur Rückabwicklung des Autokaufs läuft jetzt erst richtig an. Unsere 30 laufenden Verfahren richten sich bisher nur gegen Autobanken, überwiegend von VW, BMW und Daimler“, berichtet Stachowiak.
Wo die Tücken bei der Rückabwicklung lauern
Auch Verbraucherschützer halten einen Kreditwiderruf für einen guten Weg für Autokäufer, unbeschadet vom Abgasskandal zu einem neuen Fahrzeug zu kommen, ohne Geld zu verlieren. „Wir wundern uns etwas über die noch recht verhaltene Resonanz. Dabei ist es die wahrscheinlich beste Chance, ein Dieselauto loszuwerden“, sagt Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Allerdings hat die Rückabwicklung ein paar Tücken. So muss etwa der Kreditnehmer, also der Autokäufer, für die Zeit der Kreditnutzung Zinsen zahlen – was aber aufgrund der niedrigen Zinssätze kaum ins Gewicht fällt. Außerdem muss der Käufer den Wertverlust erstatten, den das Fahrzeug allein aufgrund des Alters und der gefahrenen Kilometer erlitten hat.
Die Ergebnisse des Dieselgipfels in Kürze
Insgesamt sollen rund 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel durch Updates der Motor-Software sauberer werden: 3,8 Millionen von Volkswagen, über 900.000 von Daimler, über 300.000 von BMW und weitere von Opel. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte aber, dass sich von ausländischen Herstellern nur wenige beteiligten. Bei VW sind knapp 2,5 Millionen Diesel, die schon im Pflicht-Rückruf sind, eingerechnet.
Der Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge soll so im Schnitt um 25 bis 30 Prozent sinken, sagen die Hersteller - 30 Prozent müssen es sein, sagt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Autobauer versprechen, dass für die Autobesitzer keine Kosten entstehen und die Nachrüstung keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch und Lebensdauer haben wird.
Die Hersteller wollen Besitzer älterer Diesel - Euro-4 oder weniger - mit Prämien motivieren, neue Diesel oder E-Autos zu kaufen.
Ein Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ im Umfang von 500 Millionen Euro soll den Stadtverkehr moderner und sauberer machen und individuelle Pläne für die 28 am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland finanzieren. Bund und Hersteller zahlen in gleichen Teilen ein.
Förderprogramme werden aufgestockt, um den Umstieg auf E-Mobilität zum Beispiel bei Nutzfahrzeugen und Bussen zu beschleunigen und Rad- und Schienenverkehr voranzubringen - dafür kommt der Bund auf.
Expertenrunden sollen sich weiterhin mit dem Thema Nachrüstungen an den Motor-Bauteilen selbst, der Hardware, befassen.
Seit 13. Juni 2014 kein Abzug mehr für Gebrauch
Bei älteren Verträgen kommt noch eine Nutzungsentschädigung oben drauf. Damit zahlt der Käufer für die Gebrauchsvorteile aus der Nutzung des Autos eine Entschädigung. Seit einer Gesetzesnovelle müssen Verbraucher diese für Kaufverträge, die ab dem 13. Juni 2014 abgeschlossen wurden, nicht mehr zahlen. „Ein Widerruf lohnt sich, weil der Käufer nach einer Gesetzesänderung bei Rückabwicklung des Kaufvertrages keine Nutzungsentschädigung mehr zahlen muss. Vorher mussten wir oft vom Widerruf abraten. Eine Nutzungsentschädigung, die häufig ein Sachverständiger errechnet, kann richtig teuer werden“, betont Verbraucherschützerin Schmitz.
Weil die Nutzungsentschädigung bei neueren Verträgen entfällt, kann der Widerruf dazu führen, dass der Käufer über die Kaufpreiserstattung wesentlich mehr Geld bekommt, als er für die Begleichung der Restschulden, Zinsen und Tilgung ausgeben muss. Im Idealfall ist der Autobesitzer ein oder mehrere Jahre kostenlos gefahren, anstatt auf einem fast unverkäuflichen Dieselauto sitzen zu bleiben.
„Der Widerruf eines Autokredits ist insbesondere dann sinnvoll, wenn das erworbene Fahrzeug aufgrund des Dieselskandals oder der Fahrverbote für Dieselfahrzeuge einen enormen Wertverlust erlitten hat“, sagt Stachowiak. Und der Wertverlust beim Verkauf eines Skandal-Diesels kann sehr hoch ausfallen. Durch den Einsatz von Manipulationssoftware zur Abgasregulierung geriet nämlich die ganze Fahrzeugklasse in Verruf, so dass auch Fahrverbote in Innenstädten und höhere Steuern auf Diesel und Dieselkraftstoff in der Diskussion sind. Damit besteht die Gefahr, dass der Wagen nicht wie gedacht genutzt werden kann oder mit steigenden Nebenkosten belegt ist. Der Bund freier Kfz-Händler schätzt den Wertverlust bei Dieselautos aufgrund der Folgen des Abgasskandals auf immerhin 20 Prozent.
30.000 statt 5000 Euro
Phillip Caba, Anwalt bei Gansel Rechtsanwälte, kennt Fälle von Kunden, die das nicht hinnehmen wollen, nur zu gut. Im Zuge des Dieselskandals bearbeitet die Kanzlei unter dem Service vw-verhandlung.de zirka 5000 Fälle – nach eigenen Angaben kommen jede Woche mehr als 200 neue dazu. „Es geht darum, den Widerruf des Kreditvertrages so zu instrumentalisieren, dass es gelingt, den Kaufvertrag für das Auto zu Fall zu bringen und rückabzuwickeln“, sagt Caba.
Caba macht eine Beispielrechnung auf: Ein Mandant hatte im Juli 2014 einen sportlichen Audi A7 für 80.000 Euro gekauft. 64.000 Euro vom Kaufpreis hat der Käufer per Kredit finanziert, entsprechend 16.000 Euro aus eigener Tasche gezahlt.
Fragen und Antworten zu Diesel-Fahrverboten
In immer mehr Großstädten müssen Fahrer von älteren Diesel-Autos mit Fahrverboten rechnen. Nach Stuttgart und Hamburg erwägt nun auch München entsprechende Maßnahmen. Die Autoindustrie läuft gegen die Einschränkungen Sturm. Bei den Autokäufern ist die Verunsicherung bereits zu spüren, der Absatz von Diesel-Pkw ist eingebrochen.
Quelle: Reuters
Stand: 14.06.2017
In der Europäischen Union gelten seit 2010 für Feinstaub und Schadstoffe wie Stickstoffdioxid (No2) Grenzwerte zur Luftreinhaltung. Wegen hoher Luftverschmutzung kommt es laut EU-Kommission in Europa jährlich zu 400.000 vorzeitigen Todesfällen, wegen Stickoxiden seien 2003 rund 70.000 Menschen gestorben. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien wird das Limit von 40 Mikrogramm je Kubikmeter wiederholt überschritten. Deshalb droht die EU-Kommission den Ländern mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat auf Basis dieser Vorschriften gegen die Luftreinhaltepläne von 16 Städten vor Verwaltungsgerichten geklagt.
Die EU-Kommission listete 28 Gebiete mit Grenzwertüberschreitungen auf. Darunter sind die Ballungsräume Berlin, München, Stuttgart und Hamburg. Auch in Köln, Düsseldorf und fast allen größeren Städten in Nordrhein-Westfalen besteht das Problem. Das Umweltbundesamt hat im vergangenen Jahr in fast 50 Städten zu hohe Belastungen gemessen, häufig nur an einzelnen Plätzen und Straßen. Stuttgart ist mit seiner Kessellage besonders betroffen und plant ab 2018 Fahrverbote an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung auf bestimmten Straßen. Für Lieferverkehr, Taxis oder Handwerker soll es Ausnahmen geben.
Nach Angaben der EU entfallen auf den Straßenverkehr 40 Prozent der Stickoxidemissionen. Rund 80 Prozent davon stoßen wiederum Dieselautos aus. Laut Umweltbundesamt sind Diesel-Pkw in Deutschland für 13 Prozent der Emissionen verantwortlich. Betroffen von Fahrverboten wären nach den Plänen in Stuttgart und München alle Dieselfahrzeuge ab Euro-5 abwärts. Das wären vier von fünf Diesel-Pkw.
Aber auch bei den neuesten Pkw mit Euro-6-Standard ergaben Messungen des Umweltbundesamtes im Realbetrieb viel zu hohe Ausstöße von Stickoxid. Die Autoindustrie hält dagegen, das werde mit den nun auf den Markt kommenden Dieselmotoren gelöst. Ab 2019 dürfen die Selbstzünder auf der Straße den vorgeschriebenen Grenzwert nur noch um das Doppelte übertreffen, zwei Jahre später um das Anderthalbfache. Der Spielraum wird eingeräumt, weil wegen Beladung, Tempo oder Steigungen eine konstante Einhaltung der Laborwerte technisch nicht möglich ist. Bis die neue Diesel-Flotte aber die Luft spürbar verbessert, dauert es nach Schätzungen des Umweltbundesamt bis etwa 2025.
Die Städte betrachten ein Fahrverbot als größten Hebel neben vielen anderen Maßnahmen der Verkehrssteuerung oder Anreizen für Bürger, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Baden-Württemberg verhandelt deshalb mit der Autoindustrie über eine Nachrüstung von Euro-5-Motoren, die rund 40 Prozent der Diesel-Fahrzeuge ausmachen. Sollte der Stickoxid-Ausstoß dadurch genauso viel wie durch Fahrverbote sinken, könnte auf die drastische Maßnahme verzichtet werden. Doch es ist unklar, wie hoch die Kosten sind und wer sie übernimmt - die Autohersteller oder auch die Verbraucher oder der Staat? Ob Dieselfahrverbote rechtlich zulässig sind, muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst entscheiden. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
Die Länder dringen auf eine bundesweite Klärung. In der Diskussion war die Blaue Plakette, mit der Städte allen Diesel-Autos beispielsweise unterhalb der Euro-6-Norm die Einfahrt verbieten könnten. Doch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die die Plakette selbst vorgeschlagen hatte, ist davon inzwischen abgerückt, da auch die Euro-6-Fahrzeuge zuviel ausstießen. Sie setzt auf Nachrüstungen durch die Industrie. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist gegen Fahrverbote, sieht die Verantwortung aber bei Städten und Ländern. Er argumentiert, wenn Busse, Taxen und Behördenfahrzeuge elektrisch oder mit alternativen Antrieben ausgerüstet würden, könne das Problem für Privatfahrer entschärft werden.
Nun konnte er den Vertrag rückabwickeln, da die Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag fehlerhaft war. Der Kauf fiel so gerade schon unter neues Recht, so dass er keine Nutzungsentschädigung zahlen muss. Der Mandant bekam also 80.000 Euro vom Händler zurückerstattet und gab im Gegenzug den Audi zurück. Für den Wertverlust des Autos musste er zudem 16.000 Euro zahlen - zum Glück hatte der Wagen gemessen an seinem Alter wenig Kilometer auf dem Tacho. Unter dem Strich bekam er also 64.000 Euro zurück. Davon musste er noch die Restschuld aus dem Kredit nebst Zins und Tilgung bezahlen. Unter dem Strich blieben ihm so 30.000 Euro.
Hätte der Mandant eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen, wären ihm voraussichtlich nur 5000 Euro geblieben, da er statt 64.000 Euro wohl nur den Zeitwert des Autos von etwa 35.000 Euro erstattet bekommen hätte.
Der Audi-Fall ist allerdings idealtypisch, da gleich mehrere günstige Faktoren (teures Auto, wenig Kilometer, mehrjährige Nutzung) zusammenkamen. Entfällt die Nutzungsentschädigung, läge in vielen Fällen der finanzielle Vorteil eines Widerrufs um die 5000 Euro. Er kann aber bei neueren und teureren Autos auch schon im Bereich von 20.000 Euro liegen.
Wie aber ist ein geordneter und erfolgversprechender Widerruf zu organisieren?
Der Weg zum erfolgreichen Widerruf
Im ersten Schritt müssen Kredit- und Kaufvertrag geprüft werden, insbesondere die Passagen zur Widerrufsbelehrung. Da es in letzteren eine Vielzahl verschiedener Formulierungen gibt, die Fehler enthalten und somit einen „Widerrufsjoker“ begründen, sollte diese Prüfung ein Fachmann vornehmen. Die spezialisierten Anwaltskanzleien bieten eine Erstberatung mit Vertragsprüfung oft sogar kostenlos an, da sie sich neue lukrative Mandate davon versprechen.
Wer sicher gehen will, dass ihm nicht aus Kanzleiinteressen ein eher aussichtsloses Verfahren eingeredet wird, kann auch zur Verbraucherschutzzentrale gehen. Die Verbraucherzentrale Hamburg etwa, die das Thema Kreditwiderruf schon bei den Immobiliendarlehen intensiv begleitete, übernimmt die Prüfung der Verträge für einen Kostenpauschale von 100 Euro. Das lohnt sich oftmals. „Nur die Widerrufsbelehrung zu prüfen, greift zu kurz“, erklärt Verbraucherschützerin Schmitz. „Gerade die Verträge von Volkswagen sind auch an anderen Vertragsstellen widersprüchlich, was die Folgen eines Widerrufs angeht, und daher anfechtbar.“
Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und damit auch der späte Widerruf möglich, sollte ein Fachanwalt eingeschaltet und die Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung geklärt werden. „Üblicherweise übernimmt die Rechtschutzversicherung die Kosten. Entscheidend dafür ist der Zeitpunkt der Zurückweisung des Widerrufs durch die Bank. Erst danach darf der Anwalt auf Kosten der Rechtschutzversicherung tätig werden“, sagt Anwalt Stachowiak. Anwalt Caba ergänzt: „In der Regel lohnt sich ein Kreditwiderruf nur mit einer Rechtschutzversicherung, einem Prozessfinanzierer oder bei wirtschaftlich besonders günstigen Fallkonstellationen, etwa bei einem hochpreisigen Fahrzeug mit einer noch langen Restlaufleistung."
Ist die Kostenübernahme gesichert und die anwaltliche Beratung erfolgt, muss der Kreditnehmer im zweiten Schritt persönlich und schriftlich den Darlehensvertrag widerrufen. Anwälte und Verbraucherschützer stellen dafür auch Musterbriefe zur Verfügung.
In der Regel wird die Bank ablehnend reagieren. Üblicherweise behaupten die Banken in Standardablehnungen, ihre Widerrufsbelehrung sei korrekt, ein Widerruf daher nicht möglich.
In Schritt drei beginnt dann die eigentliche Arbeit des Anwalts, der den Widerruf im Streitfall auch vor Gericht durchsetzen muss. „In den vielen Fällen kommt es nach der ersten Instanz zu einem Vergleich, der entweder einen Rabatt durch den Hersteller oder Autohändler oder eine Rücknahme des Altfahrzeugs gegen Kaufpreisrückzahlung vorsieht. „Zum Beispiel hat ein Mandant seinen alten VW Caddy gegen einen neuen getauscht, auf den der Händler 7000 Euro Nachlass gab. Unser Mandant fand, das sei ein gutes Geschäft.“
Ohne Vergleich muss das Gericht ein Urteil fällen. Bisher haben obere oder höchstrichterliche Instanzen jedoch noch nicht über die Widerrufsverfahren von Autokäufern entschieden – anders als beim Widerrufsjoker für Immobilienkredite, zu dem es mittlerweile schon viele Grundsatzurteile gibt. „VW hat offenbar große Angst vor Urteilen von Oberlandesgerichten oder gar dem Bundesgerichtshof“, mutmaßt Caba.
"Ewige Widerrufsfrist"
Anders als beim bekannten Widerrufsjoker bei Immobilienfinanzierungen muss der Widerruf eines Autokredits nicht bis zu einem gewissen Stichtag erfolgen. „Ich gehe davon aus, dass der Dieselskandal die Gerichte noch einige Zeit, das heißt mehrere Jahre, beschäftigen wird“, schätzt Anwalt Caba. „Das Widerrufsrecht für den Kreditvertrag steht den Kunden dabei – anders als Ansprüche gegen Händler und Hersteller – zeitlich unbefristet zur Verfügung soweit die Widerrufinformation oder Pflichtangaben im Vertrag fehlerhaft sind. Derzeit ist nicht absehbar, dass der Gesetzgeber daran zeitnah etwas ändern wird, wie bei der zeitlichen Befristung des Widerrufsrechts für Immobiliendarlehen.“
Für ältere Verträge, die bis 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, ist das Widerrufsrecht ohnehin spätestens am 27. Juni 2015 erloschen. Ein Widerruf von Autokrediten, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, hingegen unbefristet möglich. Allerdings nimmt der Wertverlust des Autos stetig zu, je länger sich Verbraucher Zeit lassen. Achtung: Bei Widerruf von Verträgen aus der Zeit vom 11. Juni 2010 bis zum 13. Juni 2014 ist wie geschildert weiterhin auch eine Nutzungsentschädigung vom Käufer zu leisten.
Für die Autokäufer hat ein außergerichtlicher Vergleich trotzdem meist Vorteile: Faire Angebote, verkürzte Verfahren, schneller das Geld bekommen – das alles spricht für einen Vergleich. Bis es soweit ist, dauert es allerdings: Ist der Widerruf erst einmal erfolgt, müssen die Autobesitzer davon ausgehen, dass es bis zum Vergleich oder bis zum Gerichtsurteil zwischen sechs und zwölf Monate dauern kann. In dieser Zeit müssen Sie aber nicht auf ihr Fahrzeug verzichten. „Wir raten unseren Mandanten, ihr Auto bis zur Entscheidung im Widerrufsstreit ganz normal weiter zu benutzen“, beruhigt Anwalt Stachowiak.