Gastgeber der Olympischen Spiele oder der Fußballweltmeisterschaft zu sein - das ist ein zweischneidiges Schwert. Solche Großereignisse können der Weltöffentlichkeit den Aufstieg ambitionierter Wirtschaften vor Augen führen. Aber sie können auch ein Schlaglicht auf ihre Mängel und Schwächen werfen. Globale Veranstaltungen sind für die BRICS-Staaten - die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - mittlerweile eine Art Reifezeugnis geworden. Oder anders ausgedrückt, ein Ritual, das in manchen Gesellschaften den Eintritt ins Erwachsenenleben markiert. Ende dieses Jahres wird jedes dieser Länder seit 2008 zumindest einmal die Olympischen Spiele, die Fußballweltmeisterschaft oder die Commonwealth-Spiele veranstaltet haben.
„Wenn alles glattgeht, hast du einen guten Eindruck auf Millionen Menschen gemacht“, sagt Greg Gillian, Präsident der amerikanischen Handelskammer in China. „Wenn es schlecht geht, dann spricht jeder davon, wie sehr du versagt hast.“ Was natürlich nicht heißt, dass potenzielle Fallgruben nur auf aufstrebende Wirtschaften beschränkt wären. So hat sich Kanada durch die Sommerspiele 1976 so hoch verschuldet, dass es 30 Jahre dauerte, den Berg abzutragen. Die Sommerspiele 1996 in der US-Stadt Atlanta wurden durch ein Bombenattentat und schwere Verkehrsprobleme überschattet.
Auch in der ersten Hälfte der Winterspiele im russischen Sotschi haben die immensen Kosten und logistische Mängel fast so große Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Eiskunstläufer oder Snowboarder. Aber die Organisatoren meinen, dass die Probleme schnell in Vergessenheit geraten werden.
Wer die Olympischen Spiele in Sotchi finanziert
Russlands Alu-Magnat schuf das Olympische Dorf, wo er nach den Spielen Touristen unterbringen will. Außerdem baute er den Flughafen und schenkte Sotschi den Hafen, der als Marina genutzt werden soll.
Gesamtkosten: 1,3 Mrd. Dollar
Der Kupfer-König vom Ural baute die Eissporthalle Shaiba, in der die olympischen Eishockey-Kämpfe ausgetragen werden. Anschließend soll das Gebäude dem Staat übereignet werden.
Gesamtkosten: 88,4 Mio. Dollar
Der Nickel-Papst ist Investor des Skiresorts Rosa Chutor, wo die alpinen Wettbewerbe stattfinden werden. Zusätzliche Hütten, Hotels, steilere Pisten und Schneekanonen ließen die Kosten aus dem Ruder laufen.
Kosten: > 2 Mrd. Dollar
Dagegen glauben sie an einen bleibenden Werbeeffekt für Sotschi und die Region als Wintersport- und Urlaubsgebiet, und auch die Verbesserungen bei der Infrastruktur würden sich nachhaltig positiv für Russland und dessen Image auswirken.
Aber sind das realistische Erwartungen? Die Frage stellt sich vor allem für Brasilien, das im Sommer die Fußballweltmeisterschaft austrägt und nur zwei Jahre später die Olympischen Sommerspiele.
Der Bevölkerung in den Gastgeberländern wird oft versprochen, dass das Großereignis der Wirtschaft und damit jedem einzelnen nützt, etwa den Tourismus fördert und Investoren anlockt. Umso größer ist dann die Enttäuschung in die Regierung, wenn es anders kommt. „Die meisten Nationen haben wenig oder keinen wirtschaftlichen Nutzen aus solchen Mega-Sportereignissen erfahren“, stellte Bob von Rekowsky, ein Vizepräsident der Fondsgesellschaft Fidelity Investments, im vergangenen Jahr in einem Bericht fest. Und schlimmer noch: Das Wirtschaftswachstum ging in manchen olympischen Gastgeberländern wie Südkorea, China und Griechenland nach den Spielen sogar zurück. Italien konnte sich in Riesenlobeshymnen über die Turiner Winterspiele 2006 sonnen. Zwei Jahre später stürzte das Land in eine Schuldenkrise.
Politiker setzen sich teure Denkmale
Der Gewinn aus der Austragung von Großveranstaltungen ist meistens wenig greifbar, ein Auftrieb in Sachen Nationalstolz und eine Imageverbesserung etwa. Aber so etwas kann schnell verpuffen. Umgekehrt können Fehler und Mängel Vorurteile über ein Land nachhaltig verstärken - beispielsweise als schlecht verwaltet oder riskant für Investoren.
Die Kosten für Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften sind in schwindelerregende Höhen geschossen. Und wenn viel Geld fließt, ist das auch ein Nährboden für Korruption und massive Beschwerden darüber, dass die Mittel woanders besser eingesetzt werden könnten - sprich: direkt für die eigene Bevölkerung.
Wurden für die Sommerspiele 2000 im australischen Sydney umgerechnet noch vergleichsweise schnöde 3,5 Milliarden Euro ausgegeben, blätterte Griechenland vier Jahre später für die Austragung in Athen nach Schätzungen 23,4 Milliarden Euro hin - und kam wegen chaotischer Organisation in die Schusslinie.
Russland ging nach eigenen Angaben 2007 davon aus, dass Sotschi 8,8 Milliarden Euro kosten würde. Jetzt sind die Ausgaben so massiv gestiegen, dass ein früherer stellvertretender Regierungschef, Boris Nemtsow, dafür Korruption verantwortlich macht. Verbündete Putins, so sagt er, hätten bis zu 30 Milliarden Euro gestohlen.
Die Commonwealth-Spiele 2010 in Indien bescherten dem Land nationalen Stolz sowie teilweise eine modernere Infrastruktur. Aber dieser Glanz kam erst nach einem mehr als wackeligen Start mit einer Serie von Bauverzögerungen. Und lag das ursprüngliche Budget bei umgerechnet 300 Millionen Euro, stiegen die Ausgaben auf geschätzte 11 Milliarden Euro an.
Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees weisen darauf hin, dass die Kosten direkt für Einrichtungen zur Austragung der Spiele mit umgerechnet 1,5 bis 2,2 Milliarden Euro relativ bescheiden seien. Und diese Gelder können durch Sponsoren, den Verkauf von Eintrittskarten und TV-Übertragungsrechten wieder zurückfließen. Die zusätzlichen Ausgaben entstehen durch neue Straßen, Transportnetze und andere Einrichtungen.
Befürworter sagen, dass es sich zumeist um Verbesserungen der Infrastruktur handele, die das Land ohnehin benötige. Aber Kritiker widersprechen. So haben die geplanten hohen Ausgaben in Brasilien viele in ihrem Vorwurf bestärkt, dass Politiker Geld für Statussymbole verschwendeten und die Dienstleistungen für die Bevölkerung vernachlässigten. Die Einwohner von ärmlichen Vierteln in Rio sagen, dass Tausende aus ihren Unterkünften ausgewiesen worden seien, um Platz für Sporteinrichtungen zu machen.
„Das sind Gelder, die für Bildung, Gesundheit, öffentliche Sicherheit, Verkehrsmittel und Wohnungen ausgegeben werden sollten“, sagt die 35-jährige Ana Maria Lopes in Sao Paulo. „Wir zahlen hohe Steuern, und für was? Für die Fußballweltmeisterschaft, damit wir hübsch in den Augen der Welt aussehen?“